Der Markt für Blades gewinnt Kontur

12.01.2006
Von Nicola Schmidt, Elmar Török 
Immer mehr Anwender interessieren sich für Blades. Das Angebot hat jedoch seine Eigenarten.

Während in den ersten Jahren des neuen Jahrhunderts vor allem Universitäten und Forschungseinrichtungen Blades verwendeten, setzen mittlerweile große Unternehmen und zunehmend auch der Mittelstand die Kompakt-Server ein. Unter den ersten kommerziellen Kunden waren es die Finanzdienstleister und große Firmen, die eine personalstarke IT-Abteilung und genug Know-how im Haus hatten, um von der neuen Technik zu profitieren. Inzwischen schulen die Hersteller ihre Partner stärker auf die Installation der Technik, so dass der Kunde nicht das gesamte Know-how im Haus haben muss. In naher Zukunft rücken auch kleine und mittlere Unternehmen ins Visier der Vertriebsleute; sie werben mit einfach zu installierenden Angebotspaketen aus Hard- und Software.

Der Blade-Boom

Blades sind ein besonders florierendes Segment im Hardwaremarkt. Die Wachstumsrate zwischen 2004 und 2009 wird laut IDC-Schätzung im Durchschnitt fast 50 Prozent betragen, allerdings gehen diese Zahlen von einem sehr niedrigen Anfangsniveau aus. Während noch im Jahr 2002 pro Quartal nur etwa 20000 Blades verkauft wurden, sind es laut den Marktforschern 2005 im ersten Quartal an die 80000 Einheiten gewesen, Tendenz allerdings stark steigend. Das sehen auch die Hersteller so: "Blades sind der Wachstumsmarkt bei Standard-Servern schlechthin", sagt Carsten Unnerstall, Produkt-Manager Industry Standard Server bei HP.

Laut IDC betrug das Wachstum 2004 gar nahezu 100 Prozent, 2005 waren es noch etwa 60 Prozent. Ab dem nächsten Jahr sollen die Verkäufe wieder anziehen; denn es beginne, so die Marktforscher, die zweite Runde der Einführung, das Produkt werde für den breiteren Unternehmensmarkt interessant. Die Wachstumsraten sollen sowohl in Deutschland als auch in Europa wieder steigen, die Zahl verkaufter Einheiten die 100000er Marke erreichen. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen sich die Verkäufe bei Zuwachsraten von 40 bis 50 Prozent einpendeln.

Blade-Server der Einstiegsklasse

Hersteller Produktname CPU Taktrate RAM Preis in Gigahertz (min.-max.) in Euro

IBM HS 20 Intel Xeon DP 2,8 0,5 - 8 GB 1544

HP Pro Liant BL20p Intel Xeon DP 2,8 1 - 8 GB 2182

Fujitsu-Siemens Primergy BX620 Intel Xeon 2,8 1 - 12 GB 2000

Dell PowerEdge 1855 Blade Intel Xeon 3,6 0,5 - 12 GB 1594

Maxdata Platinum Blade X121 Intel Xeon 3,0 0,5 - 8 GB 2059

Tatung BS-4010 Intel LV Xeon 2,4 1 - 8 GB 1616

Transtec BladeRack Pro Node Intel Xeon 2,8 1 - 8 GB 1690

NEC Express 5800/1050Ba Itanium 2 1,4 2 - 24 GB k.A.

Hier lesen Sie …

• welche technischen Merkmale Blades auszeichnen;

• welche Position die Anbieter im Markt haben;

• was sich in Sachen Administration der Kompakt-Server tut.

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558690: Hitzeprobleme durch Kompakt-Server;

557987: Lizenzen bremsen Virtualisierung aus;

557442: IDC-Marktprognose Kompakt-Server;

552334: Effizienzsteigerung bei Blades;

552335: Administrations-Tools für Blades.

Das Angebot erscheint attraktiv, weil es viel Leistung auf wenig Platz bündelt. Blades haben keinen eigenen Lüfter, keine Stromversorgung und keinen Netzwerkanschluss. Sie werden hochkant in ihr Chassis gesteckt und sind in dessen hinterem Teil über eine "Backplane" durch redundante Steckverbindungen mit einer zentralen Stromversorgung, dem Netzwerk und Speichersystemen verbunden. Durch die Konzentration passen mehr Prozessoren auf weniger Platz. Die Hersteller bringen auf nur sieben Höheneinheiten (1 HE = 4,4 Zentimeter) bis zu 14 Blades unter, wobei jedes mit zwei Prozessoren bestückt sein kann. Das bedeutet im Vergleich zu den 1HE-Pizzabox-Servern doppelte Leistung bei halbem Platzbedarf.

Doch die Kühlung ist eine Herausforderung. Moderne Prozessoren strahlen einen großen Teil der aufgenommenen Energie als Wärme ab, bei beengten Platzverhältnissen wird es noch schwieriger, genügend kühle Luft heranzuschaffen. Die Anbieter entwickeln mit viel Aufwand hindernisfreie Luftführungen, andere bieten mit Luft und Wasser kühlende Rack-Schränke an.

Einfachere Wartung

Das Problem mit der Hitze wird halbwegs dadurch gemildert, dass die Luft an der Rückseite der Server-Schränke ungehindert wegströmen kann. Denn durch die gemeinsamen Komponenten braucht das Blade-Chassis erheblich weniger Verkabelung. Die Hersteller sprechen von einer Reduzierung der Strippen um bis zu 80 Prozent gegenüber einem Rack voller eine Höheneinheit hoher Pizzabox-Server. Für die laufende Wartung können Techniker alle wichtigen Teile von vorne oder hinten erreichen, die Blades lassen sich einfach herausziehen.

Planung und Einbau eines Blade-Systems sind zwar mit Kosten verbunden, die liegen aber nach einhelliger Meinung nicht oder nur knapp über denen für herkömmliche Server-Schränke. Ein gut ausgelastetes Blade-Rack amortisiert sich bereits ab dem sechsten bis achten Kompakt-Server: "Der Breakeven wird erreicht, wenn ein Chassis etwa zur Hälfte besetzt ist", so die Berechnung der Analysten von IDC. Das Marktforschungsunternehmen will bei manchen Kunden Kostenreduzierungen von bis zu 50 Prozent beobachtet haben.

Es gibt trotz aller Vorteile von Blades auch Umgebungen, für die die Technik weniger geeignet ist. Firmen, die nur eine sehr geringe Anzahl an Server brauchen, sollten auf herkömmliche Server zurückgreifen. Denn bereits ab dem ersten Blade muss ein Chassis mit allen Komponenten wie Netzwerk- und Massenspeicheranbindung angeschafft werden.

Auch wer auf PCI-Adapter angewiesen ist, muss aufpassen: Zum einen sind oft nur eigens für das Blade entwickelte und entsprechend teure Karten nachrüstbar. Zum anderen nimmt man damit unter Umständen Platz für andere Systemkomponenten weg. Beispielsweise belegt der Erweiterungssteckplatz bei IBMs "Bladecenter" den IDE-Anschluss für die zweite Festplatte. Und wenn Blades gegen modernere Modelle ausgetauscht werden, können sie nur schwer als Druck- oder Abteilungs-Server weiterhin sinnvolle Verwendung finden, weil sie für Stromversorgung und Lüftung das komplette Chassis benötigen.

Große schlucken Kleine

Obwohl Blades von kleinen Startups entwickelt wurden, haben die Schwergewichte im Markt die Führung übernommen. IBM dominiert nach IDC-Angaben mit 40,9 Prozent Marktanteil, gefolgt von HP mit 38,5 Prozent. Fujitsu-Siemens ist vor allem in Deutschland stark vertreten. Auch Dell hat Blade-Server im Angebot und konnte sich bisher 6,5 Prozent des Marktes sichern.

Kleine Blade-Anbieter spielen eher als Übernahmekandidaten oder Technologielieferanten eine Rolle: Fujitsu-Siemens arbeitet seit September 2005 im Rahmen eines OEM-Exklusivvertrags mit dem US-amerikanischen Spezialisten für Blade-Frames und Virtualisierung, Egenera, zusammen. HP kaufte im Oktober den Erfinder der Blades, die US-amerikanische Firma RLX Technologies. Objekt der Begierde war dabei vor allem die Linux-basierende Management-Software "Control Tower". Ansonsten haben noch die deutschen Anbieter Maxdata und Transtec, Tatung aus Taiwan sowie NEC eigene Blade-Systeme im Angebot. Deren Marktanteile tauchen bei IDC allerdings nur im Bereich "Sonstige" auf.

Ausrichten der Anbieter

Daniel Fleischer, Senior Analyst für den Server-Markt bei IDC, sieht bei den Herstellern verschiedene Stoßrichtungen: "HP setzt auf ein breites Portfolio, IBM ist mehr im Highend-Markt aktiv, und Fujitsu-Siemens sehe ich technologisch an der Spitze." Bis auf Dell organisieren alle Hersteller den Vertrieb über Partner, allerdings gibt es hier noch Schulungsbedarf. Zum Beispiel bei der Speicheranbindung: Weil die Blades nur wenig Festplattenkapazität mitbringen, benötigen sie für den vernünftigen Einsatz einen großen und schnellen externen Speicher, meist per Fibre-Channel-Anbindung realisiert. Dann muss der Vertriebspartner nicht nur die Blade-Technik beherrschen, sondern oft auch ein Storage Area Network (SAN) installieren. Damit ist aber nicht jedes Systemhaus vertraut.

IBM fokussiert sich mit seinen Bladecentern bisher auf Telekommunikationsanbieter, ISPs und große Rechenzentren. Der Hersteller setzt auf Intel-Xeon-Prozessoren, für technisch-wissenschaftliches Rechnen kommt der Power-PC zum Einsatz. Der Supercomputer "Mare Nostrum" in Barcelona, in der Liste der 500 schnellsten Rechner der Welt derzeit auf Platz acht, basiert auf IBMs Blade-Technologie. Aber auch so genannte Express-Pakete für kleine und mittlere Unternehmen, in denen Hard- und Software kombiniert und vorinstalliert angeboten wird, hat IBM in Planung, um den Marktanteil auszubauen.

Der kleinste Bladecenter "HS20" mit Xeon-DP-Prozessor ist für 1544 Euro zu haben, die Modu- le für Xeon-MP-Prozessoren ("HS40"), AMD Opteron Single- und Dual-Core ("LS20") sowie Power-PC ("JS20") kosten zum Teil deutlich mehr. Interessant für den Anwender ist die Möglichkeit, unterschiedliche Blades in einem Rack zu kombinieren. So muss man für die Konsolidierung nicht pro Architektur ein eigenes Chassis anschaffen, sondern kann Power-PC- und x86-basierende Anwendungen in einem Bladecenter integrieren. Die Management-Software "Director" hilft Schritt für Schritt, die Server aufzusetzen und zu verwalten.

Allen Anbietern ist eines gemeinsam: Als Hauptgrund für den Blade-Einsatz geben sie die möglichen Kosteneinsparungen an. Management-Software ist hier ein wichtiger Faktor, aber ebenso wichtig ist die Kompatibilität der Blade-Server über mehrere Generationen hinweg. HP setzt zur Kostensenkung bei seiner "Proliant"-Serie auf langfristig einsetzbare Peripheriekomponenten.

Nur ein anderer Formfaktor?

Die Netzteile sind beispielsweise so ausgelegt, dass sie auch spätere Blade-Generationen noch mit Strom versorgen können. Das Management-Werkzeug "System Insight Manager" lässt den Kunden Server, Storage und Drucker über eine einzelne Konsole verwalten.

"Trotzdem, für HP sind Blades in erster Linie ein weiterer Formfaktor", meint IDC-Analyst Fleischer. HP bietet seinen Kunden ein sehr breites Portfolio vom kleinen Server bis hin zu "Integrity"-Systemen mit Dual-Core-Prozessoren. Bei HP beginnt die Produktpalette mit dem "BL20P" für bis zu zwei Dual-Core-CPUs vom Intel-Typ Xeon, der für 2182 Euro zu haben ist. Am oberen Ende der Leistungsskala kann das "BL45p" bis zu vier AMD-Opteron-CPUs der 800er Serie aufnehmen und ist mit SAN-Anschluss und vier Gigabit-Ethernet-Adaptern mehr als umfangreich ausgestattet.

Kein Generationenkonflikt

Fujitsu-Siemens liefert seit 2001 Blade-Server aus und pflegt ebenfalls Kontinuität: Die Kunden können neue Blades in vorhandene Chassis einsetzen und auch gemischte Konfigurationen betreiben. Ziel von FSC ist einerseits die Skalierung nach oben hin, beispielsweise mit Zwei-Wege-Blades und der Möglichkeit, zwei "Primergy BX630" zu einem Vier-Wege-Blade zusammenzuschalten. Andererseits ist Fujitsu-Siemens nach IDC-Urteil der Hersteller, der am stärksten auf Virtualisierung setzt und mit der Flexframe-Technik auch Utility-Computing konsequent verfolgt. "Serverview"-Software sorgt für die Integration der Blades in die Management-Infrastruktur.

AMD holt auf Intel auf

Die günstigsten Primergy-Blade-Modelle "BX620" und "BX630" für bis zu zwei Intel-Xeon-DP- oder AMD-Opteron-Prozessoren liegen, je nach Ausstattung, bei rund 2000 Euro. Wer mehr Leistung will, kann beim "BX660" zwei bis vier Xeon MP oder beim "BX630 Quad" eine bis vier Opteron MP einbauen.

Auch Dell will sich den Markt nicht entgehen lassen und liefert mit dem "Poweredge 1855" ein Chassis für etwa 3700 Euro aus. Ein Blade mit 2,8 Gigahertz schnellem Xeon DP und 512 MB Speicher ist für 1700 Euro über den Webshop zu haben. Die Blades können bis zu zwei Intel-Xeon-CPUs mit zwei Rechenkernen aufnehmen, Blades für Prozessoren von AMD hat der Hersteller nicht im Programm.

Alle Server kommen mit der "Open-Manage-Suite"-Software zum Kunden, eine Erweiterung für Microsofts Systems Management Server 2003 (SMS) ist ebenfalls verfügbar. Damit kann der Kunde auch Dell-spezifische Aufgaben wie BIOS- und Betriebssystem-Updates durchführen. Wie die anderen Hersteller bietet Dell über seine hauseigene Beratungstruppe erweiterte Unterstützung für die Kunden an.

Ein reines Intel-Angebot hat auch Maxdata im Programm, im Fall des Blades "Platinum X240" sogar mit bis zu vier Intel Xeon MP. Die Einstiegslösung "X121" bringt maximal zwei Xeon-Prozessoren unter und ist laut Preisliste ab 2059 Euro zu haben. Tatung steht den Prozessoren von AMD offener gegenüber. Das Server-Blade "BS4110" kann mit bis zu zwei Opteron-Prozessoren ausgestattet werden. Dafür gibt es keine Vier-CPU-Blades, auch bei den Intel-Varianten ist bei zwei Prozessoren Schluss. Einstiegsmodell ist das "BS4010" mit Low-Voltage-Xeon, es kostet 1616 Euro.

"Der wahre Wert von Blade-Servern", meint IDC-Analyst Fleischer, "wäre besseres Management der Ressourcen." Aber dort sei der Markt noch lange nicht, bisher gehe es in erster Linie um den "Formfaktor". Das heißt: Firmen kaufen Blades noch mit dem Ziel, ihre Server-Farmen besser auszulasten, um Platz und Kosten zu sparen.

Defizite beim Management

Die Hersteller jedoch haben ganz andere Pläne: "Utility Computing" heißt das Zauberwort. Blades könnten sowohl von ihrer Leistungsfähigkeit als auch von ihren Management-Vorteilen her ein wichtiges Puzzlestück sein, um endlich nicht mehr Hardware, sondern nur noch reine Rechenkapazität zu verkaufen. "Alle Server-Hersteller sprechen bereits davon", bemerkt Fleischer, "allein es fehlen bisher die konkreten Konzepte für ein Gesamtpaket."

Sun hat Anfang 2005 verkündet, man wolle stärker in diese Richtung gehen, aber schon im April zog der Hersteller seine Ankündigung als unrealistisch zurück. Mittlerweile ist Sun komplett aus dem Blade-Server-Markt ausgestiegen und will lieber die bestehenden Maschinen besser nutzen, als neue Konzepte auszuprobieren: "Wir möchten in diesem Jahr vor allem das Energieproblem durch adäquate Technologien angehen", sagt Gerhard Schlabschi, Produkt-Manager bei Sun Microsystems.

Fujitsu-Siemens hat mit dem Kauf von Egenera und der Flexframe-Lösung bereits einen ersten Schritt in Richtung Utility Computing gemacht, allerdings ist die Lösung bisher auf Mysap und Oracle begrenzt. "Fujitsu-Siemens spielt technisch ganz vorne mit", resümiert Fleischer von IDC.

Von Standards weit entfernt

Blade-Server repräsentieren heute wie kaum eine zweite Technologie Innovation und Fortschritt bei IT-Systemen. Trotzdem fühlt man sich in einem Aspekt an die Anfangszeiten der Computertechnik erinnert. Bisher können Kunden die Produkte nicht mischen, wer ein Chassis von Dell gekauft hat, kann darin keine HP-Blades einbauen. IBM möchte gerne seine Technik als Standard etablieren. Ein erster Schritt ist gemacht: Gemeinsam mit Intel hat Big Blue die Spezifikationen der Produkte für Drittanbieter geöffnet. Je mehr Hardware mit dem IBM-Rack kompatibel ist, desto attraktiver wird es für Kunden und Partner, diese Technik zu kaufen.

Der Marktführer IBM verweist darauf, dass es mit Blade.org eine Organisation gebe, die sich um Standards im Blade-Server-Markt bemüht. Jörg Hartmann, Marketing-Leiter bei Fujitsu-Siemens, ist skeptisch: "Die Standardisierung ist noch in einem sehr frühen Stadium." (ls)