Nachfrage nimmt zur Jahrtausendwende rapide ab

Der Mainframe-Boom ist nur ein Strohfeuer

19.01.1996

Nach den Erkenntnissen der Marktbeobachter von der Meta Group und der International Data Corp. (IDC) werden die Anwender ihre Grossrechner zunaechst massiv aufruesten. Deren MIPS-Leistung soll in den kommenden fuenf Jahren um etwa 40 Prozent steigen. Ueber solche Aussichten freuen sich die Mainframe-Anbieter insbesondere angesichts der stagnierenden Umsaetze in den Jahren von 1990 bis 1993.

Nach Ansicht der Analysten handelt es sich bei diesem Boom jedoch um ein Strohfeuer, das kurz nach der Jahrtausendwende erloeschen wird. Zu diesem Zeitpunkt gebe es keine Argumente mehr fuer den Grossrechnereinsatz. So handle es sich bei den jetzt anstehenden Investitionen haeufig um Ersatzbeschaffungen, die man in der ueberzogenen Erwartung zurueckgestellt habe, die Grossrechner liessen sich sofort durch kleinere Systeme ersetzen.

Die ersten Client-Server-Projekte erwiesen sich jedoch als schwieriger, kostspieliger und langwieriger als erwartet. Das gilt besonders fuer die Losloesung grosser Mengen von Unternehmensdaten aus der zentralen DV. Daher muessten die Anwender nun auf die herkoemmlichen Loesungen zurueckgreifen, bis die der-zeitige Unreife der dezentralen Technik ueberwunden sei. Besonders kurzlebig ist die Nachfrage nach den CMOS-basierten /390-Rechnern.

Diese IBM-Rechner kaufen nach Ansicht der Analysten vor allem Kunden, die ihre Systeme jahrelang nicht aufgeruestet haben und nun mit den moderneren Geraeten Betriebs- und Wartungskosten senken wollen.

Ein deutliches Indiz fuer die schwindende Attraktivitaet der Mainframe-Technik sind die Neuentwicklungen. Bei einer RZ- Konferenz der Gartner Group in den USA gaben nur fuenf Prozent von 500 befragten Anwendern an, ein wichtiges Projekt fuer den Grossrechner zu planen.

Aehnlich sieht es bei den Softwarehaeusern aus. Fruehere Mainframe- Spezialisten wie Candle oder die SAP haben laengst andere Produktlinien aufgebaut.

Die IBM tut alles, um dem drohenden Abwaertstrend entgegenzuwirken. Das Unternehmen versucht durch die Modernisierung von Hardware und MVS-Betriebssystem, die Unix-Anbieter auf seine Seite zu ziehen. Tatsaechlich sind inzwischen rund 450 Unternehmen der System/390 Developers Association beigetreten.

Zu ihnen gehoert die Walldorfer SAP, die R/3 auf den Grossrechner portieren will. Aber auch Datenbank-Marktfuehrer Oracle wird nach Informationen der CW-Schwesterpublikation "Computerworld" binnen kurzer Frist ein neues MVS-Produkt-Release fertigstellen.

Bei den Anwendern loest die Oeffnung des MVS-Betriebssystems, das inzwischen das Unix-Brand von X/Open erhalten hat, Verwirrung aus. Ueber MVS Open Edition urteilt Mike Maggs, Vice-President des DV- und Outscourcing-Bereichs der Bell Canady Inc.: "Wir haben noch nicht herausgefunden, was wir damit tun sollen. Hier sucht eine Loesung nach einem Problem."