Thema der Woche/Apple will es - einmal mehr - wissen

Der Macintosh soll wieder Platz im Enterprise-Computing finden

29.11.1996

Auf Apples Comdex-Pressekonferenz gab Chief Technology Officer Ellen Hancock zunächst unumwunden Fehler ihrer Firma zu. Apple habe zuwenig auf die eigenen Stärken geachtet und sich dadurch aus dem Mainstream herausentwickelt. Die Macintosh-Rechner seien schon bei ihrer Einführung mit einem Nicht-Standard-Betriebssystem ausgestattet gewesen, während sich der Business-Markt längst auf IBM-Kompatible und MS-DOS festgelegt hatte. Die meisten Anwender seinen vor einem Plattformwechsel zurückgeschreckt und hätten statt dessen die Kosten schrittweise in Upgrades auf Windows, Win- dows 95 und nun NT investiert, räumte Hancock ein.

Der Mac habe sich nur in bestimmten Gebieten durchsetzen können Unternehmen hätten die Macs praktisch nur in der DTP-Abteilung geduldet. Mit dem neuen Paradigma des Netzwerk-Computings auf Basis offener Internet-Standards habe der Macintosh eine neue Chance, weil das Client-Betriebssystem in dieser neuen Architektur nur eine untergeordnete Rolle spiele.

Apple müsse sich künftig von dem Gedanken lösen, nur Eigenentwicklungen für das Maß aller Dinge zu halten ("Not-invented-here-Syndrom"). Wo Dritthersteller sinnvolle Lösungen und Standards anböten, solle Apple diese integrieren und übernehmen.

Strategische Allianzen im Vordergrund

Außerdem sei es wichtig, daß sich künftige Apple-Maschinen besser in heterogene Netzwerke einbinden ließen. Interoperabilität mit Legacy-Systemen, genauso aber auch mit neu entstehenden Standards wie Java, sei eine wichtige Grundvoraussetzung für einen möglichen Erfolg. Um Kundenwünsche zu erfüllen, müsse Apple auch eigene NT-fähige Server anbieten, erläuterte die Cheftechnikerin.

Auf seinem Weg zurück auf die Schreibtische der Unternehmen setzt Apple auf strategische Allianzen, die die Firma unter anderem mit den Verfechtern des Network Computers (NCs), IBM, Sun, Oracle und Netscape, geschlossen hat. Gemeinsam mit Sun will Apple Java ins Mac-OS integrieren und Interoperabilität zwischen "Javabeans" und der Komponententechnologie Opendoc herstellen sowie die Integration von Macintosh-Clients in Solaris-basierte Netzwerke optimieren.

Bei der Zusammenarbeit mit Netscape stehen die erweiterte Integration von Quicktime-Technologien in den Navigator und umgekehrt die Übernahme des Netscape-Browsers in Apples Opendoc-Browser "Cyberdog" im Mittelpunkt. Die beiden Firmen wollen gemeinsam mit Silicon Graphics auch ein neues Dateiformat entwickeln, das auf Apples 3D-Metafile-Format beruht. Mit SGI arbeitet Apple zusätzlich an "Digitalen Studios" für Film, Animation und Video.

Ein weiteres Standbein für Apples Neu- und Rückorientierung sollen die plattformübergreifend anerkannten und verbreiteten Technologien des Unternehmens sein. Dazu gehören der "Quick- time Media Layer" (QTML) und der Schnittstellen-Standard "Fire- wire", der auf der Comdex unter anderem in Produkten von Sony, Toshiba, Texas Instruments und Yamaha gezeigt wurde.

Auf die Frage nach Apples eigener Variante des NC verwies Ellen Hancock auf die beiden kürzlich vorgestellten Portables "Newton Messagepad 2000" und "Emate 300".

In bezug auf die künftige Betriebssystem-Strategie gab es von Ellen Hancock nichts Neues zu hören: Apple befinde sich derzeit in Verhandlungen mit verschiedenen potentiellen Partnern, die Technologie für zusätzliche Komponenten für das Mac-OS 8 bereitstellen könnten. Dieses müsse robust sein und präemptives Multitasking sowie echten Speicherschutz bieten. Apple entscheide derzeit, ob diese Eigenschaften über Eigenentwicklungen oder über Zukauf eingeführt werden sollen. Es gebe mehrere Modelle, eine endgültige Entscheidung sei noch nicht gefallen. Festzustehen scheint, daß Suns Internet-Programmiersprache Java in jedem Fall integraler Bestandteil von Mac-OS 8 sein wird.

Die Spekulationen, Apple werde das Be-OS von der gleichnamigen Firma des ehemaligen Apple-Chefentwicklers Jean-Louis Gassée oder gleich das Unternehmen Be Inc. selbst übernehmen, wurden nicht bestätigt. Be sei lediglich einer von vielen Verhandlungspartnern. Apples endgültige OS-Strategie soll im Januar 1997 stehen und dann auch der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Dazu wird Apple die Macworld Expo in San Francisco nutzen.