Geschäftsmodelle für den E-Commerce/Firmen wollen mit Pay-per-View und Online-Abos Geld verdienen

Der lange Weg zum bezahlten Content

16.03.2001
Die Fülle an Inhalten hat das Web erst interessant gemacht, doch bezahlen will freiwillig fast keiner dafür. Deshalb beschränkten sich die Site-Betreiber bisher darauf, mit Werbung Geld zu verdienen. Doch es hat sich gezeigt, dass Banner als alleinige Einnahmequelle nicht ausreichen, will der Anbieter dauerhaft qualitativ hochwertige Inhalte liefern. Einige Unternehmen entwickeln daher Geschäftsmodelle für den Verkauf von Content. CW-Bericht, Frank Niemann

Jüngst musste eine Reihe von Online-Redaktionen in den USA personell abspecken, da die Werbeeinnahmen die hohen Produktionskosten nicht mehr einspielten. Einige Betreiber von Internet-Angeboten denken nun intensiver über Wege nach, den Anwender zumindest für bestimmte Inhalte zur Kasse zu bitten. So mancher unter ihnen mag sich die Zeit vor dem Boom des Web zurückwünschen, als Anwender noch an kostenpflichtigen Content gewöhnt waren: Früher wurden in proprietären Online-Diensten wie dem T-Online-Vorgänger Btx oder Compuserve Gebühren für die Nutzung bestimmter Bereiche über die monatliche Rechnung eingezogen.

Technisch lassen sich ähnliche Verfahren heute auch im Internet realisieren, beispielsweise über Bezahlverfahren wie "Net 900" oder "Firstgate Click & Pay" (siehe auch CW 9/01 Seite 9). Beide Systeme nutzt beispielsweise die Stiftung Warentest auf ihrer Website, um Testberichte zu verkaufen. Neuerdings zieht der Heise-Verlag aus Hannover über Firstgate Gebühren für Artikel aus den Archiven der Zeitschriften "iX" und "c´t" ein. Und seit einigen Wochen können Surfer aktuelle Beiträge der CW-Schwesterpublikation "PC-Welt" online kaufen und via Firstgate bezahlen.

Abgerechnet wird über Kreditkarte

Schon wesentlich länger als hierzulande bieten US-Firmen Content gegen Bezahlung feil. Beispielsweise können sich Anleger bei Morningstar.com, einem Anbieter von Investmentinformationen aus Chicago, für drei Dollar einen Report über Aktienfonds kaufen. Das Unternehmen nutzt für den Verkauf seiner Datenblätter den auf die Vermarktung von digitalen Inhalten spezialisierten Dienstleister Qpass Inc. Der Endkunde muss sich zuvor bei Qpass registrieren. Abgerechnet werden die bezogenen Informationen dann über die Kreditkarte. Mit dem Content-Vermarkter arbeitet eine Reihe anderer Website-Betreiber zusammen, darunter "Forbes.com", "USA Today" und die "New York Times".

Doch die Bereitschaft, für das Lesen, Anschauen, Hören oder Herunterladen von digitalen Produkten zu bezahlen, ist bei den von kostenfreien Inhalten verwöhnten Surfern gering. Anlässlich einer Analyse des Marktforschungsunternehmens "Ears and Eyes" aus Hamburg erklärten sich nur 27 Prozent der rund 400 befragten Internet-User bereit, für die Nutzung der von ihnen favorisierten Web-Seiten Geld zu entrichten - dagegen sprechen freilich die Umsätze, die beispielsweise die Pornoindustrie mit Online-Inhalten erzielt. Hier ist die Zahlungsmoral offensichtlich besser.

Abonnenten erfahren mehr

Einige Online-Anbieter versuchen, das bei Zeitschriften bekannte Abo-Modell auf das Internet zu übertragen. Zeitungen wie beispielsweise der britische "Economist", das "Wallstreet Journal" aus den USA oder das deutsche "Handelsblatt" bieten neben kostenlosen Inhalten auf ihren Websites zahlenden Abonnenten ein weit umfangreicheres Repertoire an. Das "Wallstreet Journal" zählt zu den Vorreitern in diesem Geschäft. Ein Interview mit dem Publisher finden Sie auf Seite 107.

Ein Abo-System soll es auch dieses Jahr noch bei der Musiktauschbörse Napster geben, an der sich das Medienunternehmen Bertelsmann beteiligt hat. Millionen Napster-User luden sich bisher kostenlos Musikdateien aus dem Netz. Da ein großer Teil der Stücke urheberrechtlich geschützt ist, haben einige Musik-Labels die Internet-Firma verklagt und konnten kürzlich vor Gericht einen Sieg erringen. Künftig darf Napster seinen Usern nicht mehr die Möglichkeit bieten, Copyright-geschützte Musik zu verbreiten.

Die Tauschbörse will Bertelsmann trotzdem erhalten, allerdings soll eine Monatsgebühr für die Nutzung der Musikdatenbank des hauseigenen Plattenlabels BMG erhoben werden. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat das Medienhaus bereits angekündigt. Die Bertelsmann-Tochter Digital World Services aus New York arbeitet an einem System, das die uneingeschränkte Weitergabe von Songs unterbinden soll. Zwar werden sich auch künftig Nutzer Lieder herunterladen, aber das Brennen auf eine CD soll das Schutzsystem unterbinden.

Bertelsmann experimentiert bereits seit einiger Zeit mit der Online-Vermarktung von Musik gegen Bezahlung. Über eine spezielle Software kann der Konsument auf www.musicdownload24.com Musikstücke gegen Gebühr anhören oder herunterladen. Neben dem Liedgut erhält er zusätzliche Inhalte, wie etwa Fotos der Künstler, Biographien und Liedertexte. Die Stücke sind in einer Datenbank im Netz gespeichert und speziell kodiert. Erst durch Erwerb eines digitalen Schlüssels ist der Anwender in der Lage, ein Lied abzuspielen oder auf seinen PC zu laden. Möglich wird dies durch eine Software des US-Softwarespezialisten Intertrust zur Verwaltung von Urheberrechten (Digital Rights Management, kurz DRM). Die erforderliche Infrastruktur liefert die bereits erwähnte Bertelsmann-Tochter Digital World Services. Bei der Installation legt das von Musicdownload24.com vertriebene Programm ein Download-Konto im Internet an, in dem der Musikfreund seine Bankverbindung angeben muss. Auf diese Weise kommt das Internet-Unternehmen an sein Geld.

Wichtige Rolle für DRM-Lösungen

Allerdings ist das Aufspielen der Software für den Endbenutzer aufwändig, und viele dürften Probleme haben, das Konzept von Musicdownload24.com in seiner jetzigen Form zu verstehen. Dennoch werden DRM-Lösungen in Verbindung mit Abrechnungssystemen beim Verkauf von Inhalten via Web eine wichtige Rolle spielen. Neben der bereits erwähnten Firma Intertrust bietet eine Reihe von Herstellern entsprechende Produkte an: Dazu zählen Microsoft mit dem "Digital Asset Server", "Electronic Media Management System" (EMMS) von IBM sowie "Rightsedge" der US-Firma Contentguard. Bisher werden diese Systeme fast ausschließlich in den USA eingesetzt.

Der Musikdownload funktioniert demnächst auch auf dem Handy - zumindest in Japan. Der Mobilfunknetzbetreiber NTT Docomo will einen landesweiten Dienst für die Kunden seines I-mode-Services einrichten, über den sie Lieder herunterladen und auf dem Mobilfunkgerät abspielen können. Allerdings benötigt der mobile Hörer ein spezielles Telefon mit eingebauter Speicherkarte. Der Anwender entrichtet neben einer Grundgebühr einen Obolus für jedes Lied.

Auch der Münchner Content-Anbieter Xipolis setzt auf das Pay-per-Use-Prinzip, allerdings nicht bei der Vermarktung von Musik, sondern beim Abruf von Fachbeiträgen. Auf dem Portal Xipolis.net können Nutzer in Enzyklopädien, Archiven und Lexika stöbern, wobei bestimmte Artikel kostenpflichtig sind. Der Suchende muss zunächst ein Punktekonto eröffnen. Für ein Guthaben von 1000 Punkten beispielsweise zahlt er 49 Mark; ein Artikel kostet zwischen 20 und 50 Punkte.

Die für den Medienvertrieb erforderliche Infrastruktur hat Xipolis bei dem auf die Medienbranche spezialisierten Application Service Provider Media Professionals aus München angemietet. Der Aufbau einer eigenen Systemlandschaft wäre dem Content-Anbieter teuer gekommen. Auf Xipolis.net haben sich laut Firmenangaben bisher etwa 18000 User registriert. Die Umsätze pro Monat liegen im niedrigen fünfstelligen Bereich. Vor allem Enzyklopädien sind bei den Surfern gefragt, wobei etwa 50 Prozent gewerblich orientiert sind.

Xipolis und Anbieter ähnlicher Dienste decken allerdings lediglich Nischenmärkte ab. Content-Verkauf hin zum Endkunden im großen Stil betreibt praktisch kein Unternehmen. Verlage gehen eher dazu über, ihre Inhalte anderen Websites gegen Gebühr feilzubieten, durch direkte Verträge oder über einen Content-Broker. Durch die Syndikation können Inhalteanbieter Einnahmen erzielen, ohne sich selbst um die Vermarktung zu kümmern.

Links zu E-Commerce-Angeboten

Contextual Commmerce ist eine weitere Möglichkeit, mit Inhalten Geld zu machen, allerdings auf dem indirekten Weg. Dabei werden den Site-Besuchern Produkte angeboten, die eine Affinität zu den Inhalten auf den Web-Seiten haben. Beispielsweise können Surfer auf der Website des Münchener Radiosenders Antenne Bayern, während sie das Liveprogramm oder Streaming-Media an ihrem Rechner verfolgen, auf einen Button in dem eigens dafür angepassten Media-Player klicken, der sie zum CD-Shop von Primus Online bringt. Automatisch werden Katalogeinträge mit Tonträgern aufgelistet, auf denen sich das aktuell gespielte Stück befindet. An den Verkaufserlösen wird der Sender beteiligt.

Wie sich mit Inhalten im Web Geld machen lässt, ist auch Thema einer Initiative des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Die "Content Commerce Initiative NRW" (www.media.nrw.de) hat sich zur Aufgabe gemacht, nordrhein-westfälische Produzenten und Vermarkter analoger und digitaler Inhalte für On- und Offline-Medien zusammenzubringen.

Apropos offline: Bücher gibt es inzwischen nicht mehr nur in gedruckter Form, sondern auch als digital gespeicherte Datei für spezielle Lesegeräte. Eines der bekanntesten Systeme ist das Rocket E-Book. Die Buchinhalte erwirbt der Bücherfreund auf Websites wie Bol.de oder Digi.de, lädt sie aus dem Netz auf seinen PC und überspielt sie danach auf sein Lesesystem. Noch ist dieses Verfahren eher umständlich, da der E-Book-User immer auch einen Rechner mit Internet-Zugang benötigt. Doch sobald Endgeräte wie etwa PDAs mit entsprechend großem Speicher und Display sowie breitbandigeren Netzanschlüssen wie GPRS und später UMTS ausgestattet sind, wird auch das Angebot an kostenpflichtigen Inhalten für diese Systeme größer werden. Schon heute bietet etwa das Unternehmen Avantgo.com eine Reihe von Informationskanälen für PDAs (mit und ohne eingebautem Modem) und WAP-Handys an - bisher noch kostenlos.