Anforderungen an das Berufsbild des Info-Brokers

Der Kunde zahlt nicht gerne für ein Datengrab

13.12.1996

"Informationsüberfluß ist die beste Zensur", urteilte der schweizerische Schriftsteller Adolf Muschg schon zu Internetlosen Zeiten. Jeder erfahrene Info-Broker wird ihm recht geben. Schließlich kennt er den Aufwand, der nötig ist, um aus dem vorhandenen Informationsstrom all das herauszufiltern, was für den Auftraggeber wichtig ist.

Informationsvermittlung oder neudeutsch: Information Broking ist kein ganz neues Geschäft. Allerdings hat sich die Datenrecherche durch die neuen technischen Möglichkeiten stark verändert. Beispiel: Ein Mineralwasserhersteller braucht dringend eine Marktübersicht. Innerhalb weniger Stunden erhält er eine Fülle an Fakten. Marktumfang und -entwicklung, Umsätze der wichtigsten Abfüller - national und international, Wettbewerber-Analyse, Werbeausgaben, Absatzwege, Pro-Kopf-Verbrauch an Mineralwasser, Ausgaben für nicht-alkoholische Getränke, Nachfrage-Prognosen, Öko-Trends. Ein Info-Broker hat das Material aus gedruckten Branchenübersichten, vor allem aber aus Datenbanken geholt und aufbereitet.

"Die elektronische Zugangsmöglichkeit zu Daten und Fakten ist ein neues, ein zusätzliches Arbeitsmittel. Das Nachschlagen in Büchern oder den Griff zum Telefon, um ein Expertengespräch zu führen, kann es nicht ersetzen", unterstreicht die promovierte Informationswissenschaftlerin Sabine Graumann. Sie arbeitet bei Infratest Burke in München und ist gleichzeitig Vizepräsidentin des Berufsverbands Deutsche Gesellschaft für Dokumentation (DGD).

Von der Wortbedeutung her sind Broker Makler, vermitteln also ein bereits fertiges Produkt von einem zum anderen Kunden. Das trifft auf die Informationssucher nur bedingt zu, urteilt Graumann: "Es ist eher wie bei Journalisten. Ich muß mehrere Quellen nutzen, muß vergleichen und nachrecherchieren. Wenn ich in fünf Datenbanken fünf verschiedene Umsatzzahlen für ein und dasselbe Unternehmen finde, dann beginnt die eigentliche Arbeit."

Broker müssen vor allem selektieren, Material aufbereiten und bewerten können. Denn schließlich, sagt sie, zahlt der Kunde nicht für ein "Datengrab". Ohne Spezialisierung geht das nicht, ist Graumanns alltägliche Erfahrung. Darum schärft sie Newcomern auf diesem Gebiet ein: "Wer vorgibt, zu jedem Bereich Informationen einholen zu können, arbeitet nicht seriös."

Rund 9000 einschlägige Online-Datenbanken gibt es schätzungsweise weltweit, dazu kommen etwa 6000 auf CD-ROM gespeicherte, die Möglichkeiten des Internet sind erst zu erahnen. Da wird der Ruf nach fachlicher Spezialisierung verständlich. Wer schnell und sicher die richtigen Informationen für einen Kunden finden will, muß auch verschiedene Suchsprachen und den Umgang mit unterschiedlichen Datennetzen beherrschen. Und er oder sie muß wissen, wie eine Recherchestrategie aufgebaut wird und wie die gefundenen Fakten verarbeitet werden.

Wer arbeitet derzeit auf diesem "heterogenen, undurchschaubaren Wachstumsmarkt", wie ein Branchenkenner formuliert? Da sind zum einen festangestellte Info-Broker, die entweder nur für den eigenen Arbeitgeber oder (auch) für Dritte recherchieren - 1000 bis 5000 bundesweit, so schätzt die DGD. Dazu kommen immer mehr selbständige Broker - zwischen 50 und 200 sollen es mittlerweile sein.

Gerade die Freiberufler bieten meist ein ganzes Dienstleistungspaket an: Sie verkaufen auch Datenbanken und schulen im Umgang damit, oder sie bieten den Firmen Consulting an. Nachgefragt werden Broker-Dienste bislang hauptsächlich in den Wirtschaftszweigen Chemie, Pharmazie, Medizin, Jura und neuerdings im Medienbereich.

Der Beruf Info-Broker ist seit kurzem "in" - wie alles, was irgendwie mit Internet und Datenautobahn zu tun hat. In Berichten wird mitunter der Eindruck erweckt, jeder junge, risikofreudige Computerfreak könne von heute auf morgen mit der "Jagd auf Daten" reich werden. DGD-Vizepräsidentin Graumann zieht klare berufspolitische Grenzen: "Ohne fundiertes fachliches und methodisches Wissen geht professionelles Info-Broking nicht. Aber das ist der Reiz an dieser Arbeit."

Berufsverband erarbeitet Qualitätsstandards

Die meisten ihrer Kollegen - Archivare, Dokumentare, Spezial-Bibliothekare etc. - haben die elektronische Datensuche durch Training-on-the-job gelernt. Inzwischen gibt es rund ein Dutzend Studienangebote für das Fachgebiet an Fachhochschulen (FH) und Unis, Tendenz steigend.

Beispiele: Die FH Darmstadt bildet Diplominformationswirte aus, einer der Schwerpunkte ist die Mediendokumentation. An der Universität in Saarbrücken läuft Informationswissenschaft als Magister- und Promotionsstudiengang. Die Technische Universität in Ilmenau (Thüringen) bietet das einschlägige Studium "Wirtschafts- und Fachinformation" berufsbegleitend in Fernkursen an. Voraussetzungen sind ein Hochschulabschluß oder berufliche Erfahrungen in der Informationspraxis. Ähnliche Zugangsvoraussetzungen gelten für das Aufbaustudium Informationswissenschaft an der Universität Konstanz.

Die DGD erarbeitet derzeit einen Ehrenkodex, Qualitätsstandards und ein Gütesiegel. Ein professioneller Broker muß demnach nicht nur solide Fachkenntnisse, Methoden-Know-how, Weiterbildungsbereitschaft und fundierte Praxiserfahrungen haben, sondern gibt selbstverständlich Aufträge an Kollegen weiter, wenn die eigene Fachgrenze erreicht ist.

*Helga Ballauf ist freie Journalistin in München.