Der kostenlose Internet-Verkehr ist in Gefahr

04.04.2006
Netzbetreiber wollen Aufschlag für fremden Datentransport.

Den klassischen Telecom-Anbietern war die kostenlose Internet-Telefonie schon immer ein Dorn im Auge, schmälert sie doch ihre Umsätze im Sprachgeschäft. Zunehmend entwickelt sich VoIP aber auch für Internet-Provider zu einem Problem: Gemeinsam mit den populären P2P-Filesharing-Diensten sorgt die Technik für einen schnellen Anstieg des IP-Datenverkehrs, der so in den Investitionsplänen der Provider nicht vorgesehen war. Ihnen fehlt das Geld, um ihre Netze entsprechend auszubauen, während andere kassieren. So beäugen die Netzbetreiber auch Unternehmen wie Google kritisch, da sie nach ihrer Ansicht Geld über eine Infrastruktur verdienen, in die sie keinen Cent investiert haben.

Erste Provider berechnen deshalb ihren Kunden bereits einen Aufschlag, wenn diese störungsfrei via Internet telefonieren wollen - offiziell formschön als "VoIP Priorization" umschrieben. "Der kanadische Provider Shawcable", so berichtet Peder Jungck, Gründer und CTO von CloudShield Technologies, "verlangt von seinen Kunden zehn Dollar extra, wenn sie VoIP-Dienste wie Skype nutzen wollen."

Service nur gegen Cash

Andere dagegen reduzieren laut Jungck, dessen Unternehmen Geräte zur Analyse des IP-Verkehrs vermarktet, die Bandbreite für die entsprechenden VoIP-Dienste. Dabei gehen die Provider mittlerweile subtiler vor als zu Beginn der P2P-Ära, als einige Internet-Anbieter einfach die entsprechenden Ports sperrten und damit den kompletten P2P-Verkehr lahm legten. "Sie analysieren den Datenverkehr anhand von Mustern, was selbst bei verschlüsselten Diensten wie Skype funktioniert", plaudert der CloudShield-Gründer aus dem Nähkästchen. Würde auf diese Weise etwa einer der Skype-Supernodes identifiziert, so genüge es, den Verkehr zu diesem zu beschränken, um das eigene Netz drastisch zu entlasten, da die Knoten als Aggregatoren den Verkehr einzelner Skype-Benutzer bündeln und weiterleiten. Ein Ansatz, der laut Jungck bereits praktiziert wird. Namen von Providern wollte er allerdings nicht nennen.

Langfristig, glaubt Jungck, wird die Entwicklung im Internet sowieso hin zu verschiedenen Serviceklassen gehen: "Es wird dann noch immer das kostenlose Internet von heute geben, aber ohne vernünftige Bandbreiten oder Quality of Services." Wer mehr will, muss dann, ähnlich wie bei den MPLS-Netzen für Business-Kunden, eine höhere, kostenpflichtige Serviceklasse buchen, um weiter via Internet telefonieren zu können.

Eine Meinung, mit der Jungck nicht alleine ist. Sie ist in letzter Zeit häufiger in Gesprächen mit Branchenexperten zu hören. So würde etwa Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke angesichts der Milliardeninvestitionen in das neue VDSL-Netz gerne Unternehmen zur Kasse bitten, die auf seiner Infrastruktur Geschäfte machen. Branchenkreise wollen zudem wissen, dass einige Carrier, darunter die Telecom Italia, mit Plänen eines mehrstufigen Gebührenmodells bereits in Brüssel vorstellig wurden.

Das Thema hat auch in den USA politische Brisanz. Dort steht die Neufassung des zehn Jahre alten Telekommunikationsgesetzes an. Während die Telcos und Kabel-TV-Netzbetreiber auf Gebühren für Google oder Online-Musikverkäufer pochen, fordern die Content-Anbieter weiterhin einen freien Datentransfer. Dies sieht der Gesetzesentwurf bislang nicht vor. (hi)