Der kleinere Unterschied

15.05.2009
Die Gehälter von Frauen und Männern unterscheiden sich in der IT weniger stark als in anderen Branchen. Doch Frauen könnten in Lohnverhandlungen noch mehr herausholen.

Männer verdienen besser als Frauen. Diese Regel gilt in Deutschland wie ein Naturgesetz - und sie gilt auch für die ITK-Branche. Der Gehaltsunterschied ist hier allerdings mit etwa zehn Prozent geringer als im Bundesdurchschnitt mit 23 Prozent. Dies zeigen Zahlen der IG Metall und Berechnungen der Hamburger Vergütungsberatung Personalmarkt.

Am niedrigsten sind die Differenzen der IG-Metall-Auswertung zufolge in der Softwareentwicklung: Frauen verdienen hier sechs Prozent weniger als Männer. In der Mitte liegen die Jobs rund um Beratung und Projekt-Management sowie die mehr technisch orientierten IT-Berufe wie Systemtechniker und Service-Management. Am höchsten sind die Gehaltsunterschiede im kaufmännischen Bereich mit einem Spitzenwert von 22,4 Prozent im Vertrieb.

Wenig Unterschied im gleichen Job

In die Berechnungen, die die IG Metall auf Grundlage ihrer ITK-Entgeltanalyse für das Jahr 2009 exklusiv für die CW erstellte, gingen 12.000 Gehaltsangaben von Beschäftigten ein, die meist in mittleren und großen Unternehmen arbeiten – viele mit Tarifbindung. Doch auch in Firmen, in denen kein Tarifvertrag gilt, finden sich ähnliche Unterschiede: Personalmarkt ermittelte dort, dass männliche Datenbankadministratoren im Schnitt 23,9 Prozent mehr verdienen als weibliche. SAP-Berater erhalten 13,3 Prozent mehr als SAP-Beraterinnen.

"Ausschlaggebend für die Differenzen ist, dass Frauen stärker in den unteren Gehaltsgruppen der untersuchten Jobfamilien anzutreffen sind", sagt Hans-Joachim Weis, im IG-Metall-Vorstand zuständig für die ITK-Entgeltanalyse. "Der Gehaltsunterschied verringert sich teilweise erheblich, wenn man männliche und weibliche Beschäftigte auf der gleichen Stufe und im gleichen Job betrachtet."

Doch ist es Zufall, dass der Unterschied gerade im Vertrieb so groß ausfällt, wo ganz oben ein Gesamtgehalt von knapp 100.000 Euro zu verdienen ist – mehr als in jedem anderen der Jobs? Macht sich bei den eher kleinen Unterschieden in den Berufsfeldern Beratung und Projekt-Management vielleicht bezahlt, dass Frauen sich besser auf Gesprächspartner einstellen und tendenziell besser kommunizieren können als Männer? Elke Wolf, Professorin an der Fachhochschule München und Expertin in Sachen Entgelt, ist vorsichtig: "Reine Durchschnittswerte sagen recht wenig aus." Vielleicht haben die Differenzen auch andere Ursachen – zum Beispiel könnten die Männer im Vertrieb mehr Führungsverantwortung haben als die Frauen; in der Beratung und im Projekt-Management ist die Qualifikation der Frauen im Schnitt möglicherweise höher als bei den Männern der Vergleichsgruppe. "Eine Lohndifferenz kann viele Ursachen haben. Sie hat nicht automatisch etwas mit dem Geschlecht zu tun", sagt Wolf.

Gehaltsknick wegen Kinderpause

Insgesamt zeigen die Zahlen, dass es in der IT- und TK-Branche vergleichsweise gerecht zugeht. "In einer jungen Branche sind die Unternehmen stärker durch modernere Wertvorstellungen geprägt. Bei Firmen, die in den letzten Jahren gegründet wurden, sind Gehaltsunterschiede viel geringer als in älteren Unternehmen", weiß Wolf. In älteren Firmen seien Personalauswahl und -entwicklung häufiger von "diskriminierenden Prozessen" beeinflusst, so Wolf.

Am geringsten sind die Unterschiede bei Berufsanfängerinnen; mit dem Alter nehmen die Differenzen zu. Die Geburt eines Kindes zieht einen Gehaltsknick nach sich: Je länger die Kinderpause und je geringer die Stundenzahl nach der Rückkehr, desto größer wird der Lohnabstand. Ein doppelter Effekt, wie die Münchner Professorin beobachtet: "Während die berufstätige Kollegin sich weiterbildet, mehr Berufserfahrung und neues Wissen erwirbt und auf der Karriereleiter einen Schritt nach oben macht, veralten die Kenntnisse der pausierenden Mutter."

Microsoft setzt auf gemischtes Team

Microsoft-Personalchefin Brigitte Hirl-Höfer bestätigt dies und fordert: "Um nach der Geburt eines Kindes den Anschluss nicht zu verlieren, sollte eine Frau die Möglichkeit haben, so schnell wie möglich wieder in den Job einzusteigen." Sie fördert Frauen aus ökonomischen Gründen: "Gemischtgeschlechtliche Teams arbeiten effizienter als reine Männer- oder Frauenteams, das haben Untersuchungen gezeigt." Auch sei belegt, dass Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen wirtschaftlicher arbeiten.

Microsoft hat sich beim TÜV-Süd bereits einem Antidiskriminierungs-Audit unterzogen. "Es konnten keine Unterschiede in der Entlohnung von Männern und Frauen auf vergleichbaren Positionen festgestellt werden", sagt Hirl-Höfer. Nun beteiligt sich das Unternehmen als einziges aus der Branche in diesem Sommer an einem Testlauf mit dem Programm "Logib-D", den das Bundesfamilienministerium gestartet hat.

Software überprüft Unterschiede

Mit diesem Instrument soll ein Unternehmen überprüfen, ob es Männern und Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit bezahlt. Es berechnet, wie sich die gehaltsrelevanten Faktoren wie Qualifikation und Berufserfahrung auswirken. Auch das Geschlecht wird als Variable einbezogen. Wenn keine Diskriminierung vorliegt, darf das Geschlecht der Mitarbeiter keinen signifikanten Einfluss auf ihr Gehalt haben.

"Bei einem Lohnunterschied von etwa 20 Prozent gibt es in der Regel für zirka zehn Prozent eine Erklärung", beobachtet die Münchner Professorin Wolf. Wenn man diese Faktoren – Berufserfahrung, Qualifikation und Ähnliches – herausrechnet, bleibe ein Gehaltsunterschied zwischen fünf und 15 Prozent übrig, bei dem für Außenstehende nicht ersichtlich sei, wie er zustande kommt, sagt die Professorin. Dahinter könne sich Diskriminierung verbergen.

Frauen in Führungspositionen – auch das haben Entgeltforscher gut untersucht. Wieder zeigt sich: Frauen verdienen bei durchschnittlich höherer Qualifikation weniger als Männer. "Bei genauem Hinsehen lassen sich die Gehaltsunterschiede zum Teil mit einer geringeren Personal- oder Budgetverantwortung begründen oder haben etwas mit der Betriebsgröße zu tun", meint die Münchner Professorin. Und wenn das nicht zutrifft? "Dann verdient die Frau tatsächlich weniger, vielleicht auch, weil sie schlechter verhandelt hat", so Wolf.

Das bestätigen Andrea Ruppert und Martina Voigt. Die beiden Professorinnen der Fachhochschule in Frankfurt am Main haben untersucht, wie erfolgreich Frauen und Männer in Führungspositionen bei Gehaltsverhandlungen sind. Das Ergebnis: Fast ein Drittel aller befragten Frauen bekam in den letzten fünf Jahren keine Gehaltsverbesserung; bei den Männern war diese Gruppe mit etwa einem Fünftel deutlich kleiner. Und während sich die meisten Frauen mit kleinen Zuwächsen zwischen einem und zehn Prozent zufriedengeben mussten, schaffte die Hälfte der Männer eine Erhöhung von mehr als zehn Prozent.

Frauen sind loyaler als Männer

Während Frauen eher ein erfolgreiches Projekt ins Feld führen oder mit guten Verkaufszahlen aufwarten, statten sich die Männer umfangreicher mit Argumenten aus und berücksichtigen das Unternehmensumfeld stärker. Wer mit der letzten Gehaltsverhandlung nicht zufrieden ist, erwägt häufig, einen neuen Job zu suchen, zeigt die Untersuchung der beiden Professorinnen ("Gehalt und Aufstieg, Mythen – Fakten – Modelle erfolgreichen Verhandelns", Shaker Verlag, 49,80 Euro). Die Quote der aus diesem Grund Frustrierten ist bei Frauen mit 44 Prozent höher als bei Männern. Erstaunlicherweise wechseln trotzdem Frauen seltener den Job als Männer. Erfolglos verhandeln, aber trotzdem im Unternehmen bleiben – das deutet darauf hin, dass Frauen in Führungsjobs widerwillig auf ihren Stellen verharren, sagt Ruppert: "Da stellt sich eine wichtige Führungsaufgabe." (hk)

So verhandeln Frauen richtig

1) Sammeln Sie Ihre Argumente und belegen Sie diese mit Zahlen.

2) Informieren Sie sich über Vergleichsgehälter und versuchen Sie, Ihren Marktwert zu recherchieren.

3) Legen Sie sich eine Verhandlungsstrategie zurecht.

4) Entwickeln Sie eine positive und selbstbewusste Haltung.

5) Trennen Sie zwischen der Person und den Interessen Ihres Verhandlungspartners.

6) Konzentrieren Sie sich auf die Interessen Ihres Gegenübers.

7) Versuchen Sie, dem Gespräch Ihren Stempel aufzudrücken.

8) Bleiben Sie flexibel und verbeißen Sie sich nicht in Ihre Strategie.

9) Versuchen Sie, Optionen zu finden, die beiden Seiten einen größtmöglichen Nutzen bringen.

10) Betrachten Sie die Verhandlung als Übung und nehmen Sie die Situation sportlich.

Quelle: Voigt, Ruppert