Internet auf der CeBit/Messerundgang

Der Java-Boom hält ungebrochen an

07.03.1997

Es gibt mittlerweile fast kein System mehr, das nicht mit einer virtuellen Maschine für Java aufwarten könnte. Die ersten Network Computer, durch Java erst möglich geworden, sind auf dem Markt. Plattformunabhängige Front-ends für Datenbanken und verteilte Anwendungen im Netz sind entweder bereits verfügbar oder im Betatest. Mehrere neue grafische Entwicklungssysteme lassen für die Zukunft einen anschwellenden Strom an Java-Applets und -Anwendungen erwarten.

Auffällig sind allerdings zwei Punkte: Zum einen werden nur wenige Java-relevante Produkte auf der Messe neu vorgestellt. Zum anderen fehlen zahlreiche Unternehmen auf der CeBIT, die mit entsprechenden Produkten im Internet präsent sind. Dazu gehört beispielsweise die Firma Natural Intelligence mit ihrer Java-Entwicklungsumgebung für den Macintosh. Die meisten Hersteller, die in der Java-Welt einen großen Namen haben, sind allerdings auf der CeBIT zu sehen.

Sun nutzt Java für alle Geschäftsbereiche

Sun Microsystems (Halle 1, Stand 8a2), Erfinder von Java, forciert damit das Konzept des Netzwerk-Computers und hofft dabei, die dafür nötigen Server gleich auch noch unter die Leute zu bringen. So wurde der Server "Netra j" speziell für die Anbindung von NC-Clients, beispielsweise die Sun-eigenen Java-Stations konzipiert. Diese werden von zahlreichen Software-Entwicklungen begleitet: Neben dem "Java Developers Kit" und dem WWW-Browser "Hot Java" zählen die Entwicklungsumgebung "Java Workshop", das Server-Betriebssystem "Jeeves" und die neue Plattform "Java OS" zu diesem Angebot. Dazu kommen die Anwendungen zur Anbindung von Applets, der neue "Java Just-in-time Compiler", der vorläufig nur für Solaris verfügbar ist, und zahlreiche andere Tools, die zeigen, daß sich Sun inzwischen von der Überraschung über den Erfolg von Java erholt hat. Vorträge zu den Themen Java-Computing und Java-OS sind im Tagungszentrum Messe zu hören.

Auch der Branchenriese IBM (Halle 2, Stand D28) ist inzwischen zu einem mächtigen Fürsprecher der neuen Programmiersprache geworden. Mit Java-Anwendungen und -Applets hofft man die Systeme untereinander zu verbinden und zum Internet zu öffnen. Auch findet das Konzept des Netzwerk-Computers beim Server-Produzenten IBM erwartungsgemäß großen Anklang. Um die Entwicklung von Client-Server-Geschäftsanwendungen mit Java zu unterstützen, soll Java-Support in Servern, Datenbanken, Groupware und Transaktionssystemen eingebaut werden.

Erste Schritte sind mit einer JDBC-Unterstützung von DB2 und der neuen Entwicklungsumgebung "Visual Age für Java" getan, mit der insbesondere die Anbindung an existierende Datenbanken erleichtert werden soll.

Oracle (Halle 3, Stand B29), einer der größten Befürworter des Netzwerk-Computers, will Java in alle Aspekte der verfügbaren Datenbanktechnologie mit einbeziehen. Erste Schritte wurden mit einer Java-Unterstützung der Client-Server-Entwicklungs-Tools getan. Strategische Allianzen, beispielsweise mit dem Middleware-Spezialisten Visigenic, und die Lizenzierung von Borlands Entwicklungsumgebung für Java sollen Oracles Position im Java-Markt stärken. Unter dem Namen "Hattrick" wurden Java-Komponenten angekündigt, die Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentationsgrafiken im NC zur Verfügung stellen sollen.

Netscape erleichtert Programmierung

Netscapes (Halle 3, Stand D57) frühe Unterstützung von Java hat die virtuelle Maschine mit einem Schlag weltweit verbreitet. Die neue Client-Software "Communicator", die E-Mail und andere Dienste bruchlos in den Browser integriert, wird mit "Internet Foundation Classes" (IFC) ausgeliefert. Diese Java-Klassen, die auch separat und kostenlos zur Verfügung stehen, sollen insbesondere die schnelle und problemlose Oberflächengestaltung von Applets ermöglichen. Der neue "Netscape Constructor" unterstützt als Umgebung die Entwicklung grafischer Oberflächen auf Basis der IFC. Auch Server-seitiges Java, im Augenblick mit "Enterprise Server" möglich, soll in den nächsten Monaten die anderen Server-Produkte ergänzen.

Microsoft (Halle 2, Stand D02) hat bekanntlich häufig Probleme mit Standards, die die Firma nicht selbst gesetzt hat. Doch der Office-Riese hat seine Abwehr von Netzwerkcomputern und Java glücklich überwunden. Er propagiert nun unter der Bezeichnung "Net-PC" Clients, die zwar vollschlank sind, aber trotzdem nicht mehr gewartet werden müssen. Außerdem wird Java durch den "Internet Explorer" unterstützt, und mit "J++ 1.1" hat Microsoft einen sehr schnellen Java-Compiler vorgelegt.

Die proprietären Erweiterungen und die Integration von Active X haben auch Kritiker auf den Plan gerufen, die argwöhnen, das Unternehmen wolle sich den plattformübergreifenden und offenen Standard in einer erstickenden Umarmung einverleiben. Über die Akzeptanz der MS-Optionen wird auf jeden Fall der Anwender entscheiden - und bislang waren die Anhänger offener Standards im Internet in der Überzahl.

Der ersten Welle von Entwicklungswerkzeugen, die kaum mehr als schnelle "Aufbohrungen" in Richtung Java waren, folgte inzwischen eine ganze Reihe von Programmen, die besser auf die Java-Programmierung zugeschnitten sind. Neben den bereits genannten Produkten von Sun und Microsoft sind hierbei besonders die Firmen Symantec, Asymetrix und Borland von Interesse.

Symantec (Halle 2, Stand C36) pflegt gleich zwei Java-Compiler: "Café" und "Visual Café" (beide für Win 32 und Macintosh erhältlich). Der JIT-Compiler von Symantec ist wohl einer der schnellsten auf dem Markt. Von Visual Café gibt es eine "Pro"-Version, die auch Symantecs Middleware-Komponente "DB-Anywhere" umfaßt. Sie macht Datenbanken über JDBC zugänglich.

Die Firma Asymetrix (Halle 9, Stand H12) bietet die Entwicklungsumgebung "Supercede for Java" für Win32 an. Sie enthält neben einem normalen Java-Compiler einen sogenannten nativen Compiler für 32-Bit-Windows, der Intel-x86-Code für Windows NT und Windows 95 erstellt. Supercede verfügt ebenfalls über einen besonders schnellen JIT-Compiler und außerdem über die Möglichkeit, laufende Anwendungen zu modifizieren.

Borland (Halle 3, Stand B17) hat sehr schnell auf den Erfolg von Java reagiert und den hauseigenen C++-Compiler mit einigen Java-Werkzeugen ergänzt. Inzwischen ist "J-Builder" angekündigt, eine Entwicklungsumgebung, die das "JDK 1.1" und "Java Beans" unterstützen soll. Auch Borlands "Intrabuilder" unterstützt Java.

Von Rogue Wave (Halle 3, Stand A07) stammt einer der ersten GUI-Builder für Java, "Jfactory". Inzwischen ist Jfactory sowohl für Win32 als auch für Unix X/Motif erhältlich. Außerdem bietet der Hersteller eine Reihe von Klassenbibliotheken für kommerzielle Anwendungen an, etwa "J-Chart" für mehrdimensionale, dynamische Business-Grafiken und "J-Money" für Finanzkalkulationen.

Die österreichische Firma Takefive (Halle 5, Stand G51) stellt auf der CeBIT "Sniff+" vor, eine integrierte grafische Entwicklungsumgebung für Unix und Win 32, die Parser-Module für C, C++, Java und Fortran enthält und die Einheitlichkeit der Projektentwicklung auch auf verschiedenen Plattformen verspricht.

Silicon Graphics (Halle 21, Stand C40/B40), die Nummer eins der digitalen Grafikbearbeitung, hat mit "Cosmo Code" eine Suite von Programmen auf den Markt gebracht, die durch den Zusatz von Digitalmedia- und 3D-Bibliotheken speziell für die Entwicklung und Verwendung grafikzentrierter Anwendungen geeignet ist. Die Suite umfaßt das Autorenwerkzeug "Cosmo Create", den interaktiven Multimedia-Viewer "Cosmo Player" und ein Programm zur Multimedia-Organisation auf einem Server "Cosmo Mediabase".

Visual Numerics (Halle 4, Stand H51) präsentiert unter dem Namen "Java Numerical Library" eine Bibliothek für Java, die die Entwicklung netzwerkbasierter Anwendungen vereinfachen soll. Die Klassenbibliothek "Jwave" dient auf der Basis von Netscapes Internet Foundation Classes zur Programmierung von Visualisierungs- und Analyseanwendungen im Internet.

Novell (Halle 11, Stand E14) hat Suns "Java-Workshop" lizenziert und will damit das Erstellen NDS-fähiger Java-Applikationen vereinfachen. Außerdem kündigten die Netzwerker aus Utah eine Java-fähige Version von "Groupwise Web-Access" an.

Insbesondere Datenbankherstellern bietet sich mit Java eine Möglichkeit, ihre Systeme für den Intranet- und Internet-Zugriff zu öffnen.

Informix (Halle 1, Stand 4d2, und Halle 3, Stand C03) hat eine Erweiterung seiner Datenbankprodukte für Java angekündigt. Dazu gehören ein Java-API und die Unterstützung von JDBC, das Entwicklungs-Tool "J-Works" zur Erstellung von Java-Clients und die Möglichkeit, Java-Code im Datenbank-Server ablaufen zu lassen.

Der Datenbankspezialist Sybase (Halle 3, Stand C10) hat mit "JDBC Connect", das auf JDBC 1.1 aufsetzt, den Zugang zu relationalen Datenbanken (der hauseigenen und 25 fremden Versionen) eröffnet. Das Produkt ist auch Teil von Powersofts Entwicklungsumgebung für Java, die zuerst unter dem Namen "Starbuck" angekündigt wurde und jetzt "Jato" heißt. Jato, das sich noch in der Betaphase befindet, soll die Entwicklung von Java-Beans und Active-X-Komponenten unterstützen und über einen visuellen SQL-Abfrageeditor verfügen.

Datenbankhersteller stellen JDBC-Software vor

Poet Software (Halle 3, Stand D03) hat gemeinsam mit Innovative Software das "Java Solution Pack" entwickelt, das aus der objektorientierten Datenbank "Poet" und dem ebenfalls objektorientierten Entwicklungs-Tool "Object Engineering Workbench" besteht, das Java-Code generiert. Unter dem Namen "Confiserie" bietet das Poet außerdem eine objektorientierte Schnittstelle für Datenbanken an.

Zahlreiche Anbieter proprie- tärer Systeme sehen nun in Java eine Möglichkeit, einen schnellen Anschluß an das Internet und seine offenen Standards zu gewinnen und auf diese Weise ihre Kundschaft zu halten.

SAP (Halle 2, Stand A02/B18/ C02) hat mit der Version 3.1 sein System "R/3" auch Java-befähigt und will damit ebenfalls Netzwerkcomputer unterstützen.

Aussteller zeigen in Java geschriebene Anwendungen

Die IBM-Tochter Lotus (Halle 2, Stand C38) hat für das "Notes"-basierte "Domino" die Öffnung in Richtung Java angekündigt. Domino 4.5 soll die Ausführung von Java-Applets erlauben, und der Domino-5.0-Server soll Java in der Lotus-API sowie Java- Beans auf dem Server und den Notes-5.0-Clients unterstützen. Neue Klassen und spezielle Applets sollen die Anbindung der Groupware ans Internet und WWW-Browser ermöglichen. Unter dem Namen "Kona" wurden außerdem Office-Anwendungen für NCs angekündigt.

BEA Systems (Halle 1, Stand 4d2) neues Java-Applet "Jolt" (Java Online Transaction) soll sich in den Browser, der auf Suns Javastation läuft, integrieren und für die Transaktionsverarbeitung im Internet eingesetzt werden. Die Java-Anweisungen werden in Code für den Transaktionsmonitor "Tuxedo" konvertiert.

Zahlreiche gute Ideen in der Computerwelt sind am Mangel brauchbarer Anwendungen gescheitert. In der Java-Welt sind bereits nach gut 18 Monaten Branchenlösungen und Allroundpakete verfügbar, oder sie befinden sich im öffentlichen Betatest.

Applix (Halle 5, Stand D03) bietet mit "Anyware Office" Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und eine Anwendung zur Erstellung von Geschäftsgrafik, die auf eine NC-Lösung zugeschnitten sind.

Das kanadische Softwarehaus Corel (Halle 6, Stand D06) hat schon seit einiger Zeit eine Betaversion von "Corel Office for Java" zugänglich gemacht, das in einer virtuellen Java-Maschine abläuft. Ferner hat das Unternehmen die "Barista"-Technologie einigen Produkten, beispielsweise "Corel Draw" und "Corel Ventura Publisher", beigelegt. Dabei handelt es sich um ein Modul, das es Anwendern erlaubt, Java-Applets ohne Kenntnisse der Programmsprache zu erstellen.

"Cafe Noir" heißt der neue Java-Server von Gemstone Systems (Halle 3, Stand A56). Der Multi- user-Java-Server soll skalierbare Client-Server-Anwendungen in Java ermöglichen. Außerdem werden mit "Gembuilder for Web", "Gembuilder for Java" und "Gem-Orb" Server sowie Tools angeboten. Bei letzterem handelt es sich um einen Corba-2.0-kompatiblen Object Request Broker.

BIW Beratung und Informationssysteme (Halle 3, Stand D10) offeriert Branchenlösungen im Bereich Textil und Pharma, die den "CS Builder/400" auf der AS/400 einsetzt, auf der Client-Seite mit Java-Applets operiert und somit auch den NC unterstützt.

*Fotis Jannidis ist freier Jounalist in München