Der IT-Job-Maschine fehlt der Dampf

16.10.2001
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Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Vor einem Jahr suchten die Firmen noch händeringend Mitarbeiter und stellten fast jeden ein, der einen PC bedienen konnte. In diesem Jahr dagegen sind wieder solide Studienabschlüsse und fundierte Berufserfahrungen gefragt. Nur Spezialisten können noch um hohe Gehälter pokern.

"Wir lassen uns nicht irritieren, der Markt normalisiert sich gerade", gab sich der bayerische Staatsminister Erwin Huber (CSU) in seiner Eröffnungsrede beim Forum von Jobs & Karriere der COMPUTERWOCHE auf der Münchner IT-Messe Systems optimistisch. Von einem massiven Abschwung am Arbeitsmarkt wollte in der anschließenden Diskussionsrunde "Der IT-Arbeitsmarkt – Abkühlung nach dem Boom?" niemand sprechen. Nach Meinung der Teilnehmer hüstelt die viel zitierte Dampfmaschine IT-Branche etwas und gerät als Jobmotor ins Stocken. Das rasante Tempo vom letzten Jahr musste einer gemächlicheren Geschwindigkeit weichen.

Die Personalabteilungen sind durchaus nicht unglücklich über die neue Entwicklung. Jetzt können sie wieder aus mehreren qualifizierten Bewerbern den besten Kandidaten aussuchen und müssen keinem Anfänger mehr 100 000 Mark Einstiegsgehalt zahlen, um seine Unterschrift unter den Vertrag zu erhalten. "Die Unternehmen nutzen die Chance und vereinbaren 40 bis 50 Vorstellungsgespräche statt zehn", weiß der Personalberater Mischa von Velsen von der <a href="http://www.pape.de">Pape</a> Consulting Group zu berichten.

Noch vor einem Jahr sprach der Branchenverband <a href="http://www.bitkom.org">Bitkom</a> von 700 000 nicht qualifiziert besetzten Stellen in IT-Unternehmen. Diskussionsteilnehmer Stephan Pfisterer, Experte für Ausbildung und Arbeitsmarkt bei Bitkom, kann die Ergebnisse der IDC-Potenzialanalayse vom letzten Jahr nicht mehr bestätigen. "Heute müssen wir die Zahlen nach unten korrigieren. Im Jahr 2000 hatten wir eine zehnprozentige Steigerung bei den Arbeitsplätzen in der Informationstechnologie, in diesem Jahr sind zwei Prozent neue Arbeitsplätze realistisch", so der Bitkom-Mann. Die Zahl der Arbeitsplätze stieg von 820 000 auf 836 000 im Jahr 2001. Prognostizierte der Verband im letzten Jahr noch zirka 75 000 freie IT-Stellen, so möchte sich Pfisterer heute auf keine konkreten Ziffern festlegen und spricht stattdessen von weniger als halb so viel freien Arbeitsplätzen.

Beim Wettlauf um die begehrten Jobs in der IT-Branche haben mittlerweile Quereinsteiger ohne fundierte Ausbildung und Umschüler schlechte Chancen. Heute erwarten Unternehmen wieder einen Universitätsabschluss und Berufserfahrung. Vor ein oder zwei Jahren sah die Situation noch ganz anders aus. Damals warben oft dieselben Firmen Studenten von der Universität ab und versprachen ihnen eine glänzende Karriere. Heute entlassen viele die Lückenfüller von damals. "Vor zwei Jahren wurde noch jeder genommen, heute fliegen die Leute raus", beobachtet Bernhard Rauscher, Mitgründer von <a href="http://www.romling.com">Romling.com</a>, einem Münchner Startup. Ähnlich sieht es von Velsen: "Quereinsteiger haben momentan ein Problem, denn Unternehmen wollen Mitarbeiter wieder los haben."<a></a> Qualität statt Quantität sei gefragt und Ernüchterung mache sich auf dem Arbeitsmarkt breit. "Man kann keinen Besenstiel anstreichen

und an den PC setzen", sagte Staatsminister Huber über die teilweise schlecht ausgebildeten Umschüler.

Ähnlich wie die Produktionszyklen in der IT-Branche unterliegt der Arbeitsmarkt stetigen Schwankungen. Langfristige Prognosen kommen in diesem Szenario kaum vor. "Es ist keine jahrelange Planung möglich, denn oft sind kurzfristige Qualifizierungen notwendig", so Bitkom-Mann Pfisterer. Trotzdem sollten die Unternehmen in der Ausbildung einen langfristigen Beitrag leisten und die Entwicklungspotenziale der eigenen Mitarbeiter fördern.