Interview

"Der IT gnadenlos den Rücken stärken"

28.05.1999
Mit Lothar Späth, Vorstandsvorsitzender der Jenoptik AG und Aufsichtsrat der ID-Gruppe, sprach CW-Redakteur Wolfgang Terhörst

CW: Welchen Stellenwert hat für Sie die Informationstechnologie (IT) heute in einem gut geführten Unternehmen?

Späth: Einen absolut entscheidenden. Die Frage, wie schnell Kommunikation funktioniert und IT in einem Unternehmen installiert wird, ist ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Man kann nicht auf internationalen Märkten arbeiten, ohne alle Segmente der Information zu nutzen. Es wird zudem immer deutlicher, daß die Vernetzungen, etwa im Internet, langfristig Märkte entwickeln und eine ähnliche Druckposition entfalten wie die Globalisierung. Wirtschaft und Politik müssen sich gleichermaßen intensiv um diesen Bereich kümmern, wenn sie die Zukunft nicht versieben wollen.

CW: Sollte die IT dann konsequenterweise in Deutschland im Management höher aufgehängt werden?

Späth: Das ist ein Generationsproblem. Die jungen Führungskräfte in den Unternehmen arbeiten sehr selbstverständlich mit moderner IT und dem Internet, aber oben wird es abgeblockt, weil der Geschäftsleiter nicht zugeben will, daß er mit diesen Dingen nicht umgehen kann. Dabei muß er gar nicht damit umgehen können. Er muß nur anordnen, daß in seiner Umgebung alle Möglichkeiten genutzt werden. Sie müssen dem Informationstechniker gnadenlos den Rücken stärken.

CW: Wie sieht es bei der Jenoptik selber aus?

Späth: Bei uns ist für die IT ein Vorstandsmitglied direkt verantwortlich und arbeitet auch direkt mit dem für die Installationen zuständigen Informationschef zusammen. Zugleich ist der Verantwortliche für die DV auch der Personalchef. Denn, wenn Sie die Menschen nicht gewinnen, ist es kompliziert, IT-Projekte durchzusetzen.

CW: Wo sehen Sie die Vorteile des IT-Standorts Deutschland?

Späth: Deutschland ist nach Amerika so gut und so schlecht wie alle anderen Standorte in Europa. Leider ist das Arbeitskräfte-Problem noch nicht genügend adressiert. Weder die Politik noch die Bildungsinstitutionen haben meiner Ansicht nach begriffen, daß sie hier ganz schnell Hilfestellung geben müssen, damit wir diesen Nachfrageschub qualifiziert besetzen können. Sonst ist die Gefahr, daß die Unternehmen abwandern, groß.

CW: Wie beurteilen Sie die Gründung eigener Akademien der Industrie, wie zum Beispiel von SAP? Ist das ein richtiger Weg?

Späth: Absolut. Am IT-Bereich zeigt sich, daß wir unsere vorhandenen Bildungsinstitutionen in Frage stellen müssen.

CW: Wo bekommen Sie Ihre IT-Fachkräfte her?

Späth: Wir haben es da auch nicht leicht.

CW: Zieht der Name Späth?

Späth: Ein bißchen vielleicht. Aber da spielt auch die Begeisterung eine große Rolle und nicht das Einordnen in Strukturen. Die jungen Leute ziehen sich gegenseitig an. Da haben kleine Startup-Unternehmen einen gewissen Wettbewerbsvorteil, weil sie der Mentalität der Menschen entgegenkommen.

CW: Der Standort Jena ist kein Problem?

Späth: Doch, auch. Aber die Reserven sind noch größer in den neuen Bundesländern.

CW: Ganz andere Frage. Sie sind kürzlich in den Aufsichtsrat der ID-Gruppe (deutsche Multimediafirma, Anm. d. Red.) eingetreten: Warum, überspitzt gefragt, tun Sie sich das noch an, wenn andere erfolgreiche Manager langsam daran denken, auf gut dotierte Vortragsreisen zu gehen?

Späth: Ich bin einfach neugierig. Ich halte nichts davon, Vorträge zu halten über die neuen Medien, über die neuen Dienstleistungsstrukturen, über das Internet und dann wie der Blinde von der Farbe zu reden. Ich will mit der ID-Gruppe einfach das ganze Weltbild eines jungen, Software-orientierten Internet-Unternehmens miterleben. Es ist wahnsinnig anstrengend, aber Sie lernen unglaublich viel. Und ich glaube, daß ich denen auf der anderen Seite wieder ein Stück Stabilität vermitteln kann.

CW: Wo sehen Sie im Internet-Bereich die großen Chancen gerade auch für deutsche Unternehmen?

Späth: Ich könnte mir vorstellen, daß die Deutschen da die Nase vorn haben, wo es nicht nur darum geht, zu verkaufen, sondern beispielsweise komplexere Marktplatz- oder Matching-Systeme aufzubauen.