IDC-Experte warnt vor Selbstzufriedenheit

Der IT-Branche könnte eine Götterdämmerung drohen

23.08.1996

Erinnern Sie sich noch an Automarken wie Sunbeam, Desoto und Studebaker? Gut, denn das ist nach Ansicht von Langman die erste Voraussetzung, um eine gewisse Art von Problembewußtsein dafür zu entwickeln, mit welchen Schwierigkeiten die IT-Branche wenn nicht schon morgen, dann spätestens übermorgen konfrontiert sein dürfte. Die Computerindustrie ist, wie der auf Unternehmen und ihre Stra- tegien spezialisierte Marktforscher meint, heute im Prinzip weltweit in der gleichen Situation wie weiland eine der Hauptantriebskräfte des damaligen Wirtschaftswunders in Amerika und Europa: am Scheitelpunkt der Wachstumskurve mit allen Anzeichen für eine Abwärtsentwicklung.

Langman belegt seine These allerdings weniger mit konkreten Zahlen, auch wenn seiner Meinung nach einzelne IT-Marktsegmente bereits entsprechende Rückschlüsse zulassen würden, sondern mit Verhaltensmustern einer, wie er es nennt, von Arroganz und Nabelschau geprägten Branche. Mit das wichtigste Indiz ist für ihn die Marktkommunikation der betreffenden Unternehmen, also Public Relations, Werbung und vor allem öffentliche Auftritte leitender Manager.

Anzeigen: RAMs und Doppelvergaser

So ergebe etwa eine vergleichende Analyse der Gestaltung von Anzeigen in den Printmedien erstaunliche Paralellen: Legten die Autobauer in den 30er Jahren vor allem Wert auf die Heraushebung technischer Details wie Kompressor und Doppelvergaser, wimmelt es in den heutigen Anzeigen der Computerfirmen geradezu von Gigabits, RAMs und sonstigen Features.

Alles in allem keine sehr glückliche und professionelle Art der Werbung, meint Langman - weil einzig und allein die Technik im Vordergrund steht und so gut wie nichts über die Bedürfnisse der Menschen, die die Produkte kaufen und verwenden sollen, zum Ausdruck kommt. Noch schlimmer sei jedoch eine andere Entwicklung: die Arroganz im Management der IT-Hersteller. Langman nennt als warnendes Beispiel einen führenden IBM-Mitarbeiter, der unlängst über die Generation der 50- bis 60jährigen öffentlich philosophiert hatte, die aufgrund ihrer Ängste vor neuen Technologien als potentielle PC-Käufer ausscheiden würden.

Die Ausgrenzung ganzer Käuferschichten sei jedoch der Anfang vom Ende einer jeden Branche, warnt der IDC-Guru. Dies um so mehr, als auch die von beispiellosen Wachstumszyklen verwöhnte Computerindustrie spürbar an ihre Grenzen gerät - innovative Produktideen sowie das Erschließen neuer Märkte also immer wichtiger werden. Ob dies allerdings dem Management der IT- Companies gelingt, hält Langman für mehr als ungewiß. Diejenigen, die dort heute das Sagen hätten, seien in Zeiten des Wohlstands und der Aussicht auf stetiges Wachstum zu Amt und Würden gekommen und daher kaum dazu prädestiniert, mit solchen Herausforderungen umzugehen, schreibt er Bill Gates & Co. ins Stammbuch. Wo die IT- Branche Nachhilfeunterricht nehmen kann, glaubt Langman auch zu wissen. Bei den Abnehmern ihrer Produkte und Lösungen, etwa der verarbeitenden Industrie oder dem Groß- und Einzelhandel - allesamt Branchen, die eine Umstrukturierung hinter sich haben.