Information des Managements und Management der Information

Der Info-Manager: Sicher in zwei Sätteln

19.07.1985

KÖLN - Der Rohstoff Information ist unbegrenzt vorhanden, unbegrenzt vermehrbar und unendlich oft zu verwenden. Deshalb sollten sich Unternehmen über die kurzfristige Befriedigung eines gegebenen Informationsbedarfs nicht die Zukunft verbauen, warnt Werner Haag, Leiter der Systemberatung West der Honeywell Bull AG in Köln, und unterstreicht: Ein Gesamtkonzept bleibt wegen der Wechselwirkungen mit der Umwelt wichtiger als solche Ad-hoc-Maßnahmen.

Während im DV-Bereich die siebziger Jahre durch Diskussionen über die Software-Krise geprägt waren, entzünden sich heute die Diskussionen an der Organisationskrise. In der vergangenen Dekade wurden die Lösungsansätze unter dem Begriff "Software Engineering" zusammengefaßt; derzeit sucht man die Lösungen im "Information Management".

Der Begriff Software Engineering konnte noch in Softwaretechnologie übersetzt und durch diese Übersetzung auch sein Begriffsinhalt verdeutlicht werden. Bei Information Management steht diese Übersetzung noch aus, ja es fehlt sogar eine einheitliche Aussprache, insbesondere im Wort Informationsmanagement (englische oder deutsche Redeweise?)

Eine eindeutige Berufsbezeichnung für jemanden, der Software Engineering beherrscht, fehlt ebenso wie eine Arbeitsplatzbeschreibung für den Informations Manager oder wie er beziehungsweise sie auch immer heißen mag. Klar ist wenigstens: Mit diesem neuen Begriff ist die Weiterentwicklung des EDV-Leiters über den Org./DV-Leiter zum Manager für Organisation und Information gemeint.

Wachsende Orientierungslosigkeit führt zur Krise in der Organisation

Diese Wortspielereien beschreiben ein formales Indiz für die Krise in der Organisation; denn wie soll eine Ablauf- oder Aufbau-Organisation funktionieren können, wenn nicht einmal Aufgaben und Stellen eindeutig definiert oder definierbar sind. Abbildung 1 versucht, eine Unternehmensorganisation klassischer Prägung zu skizzieren. Dabei wird zwischen der lenkenden und der operationalen Ebene unterschieden. Während die Führungsebene im wesentlichen durch Informationsflüsse in ihrem Agieren beeinflußt wird, beherrschen Material- und Kapitalflüsse die Abwicklungsebene. Die Kommunikation zwischen den beiden Ebenen unterliegt einem Regelkreislauf.

Die Geschäftsleitung formuliert Ziele, die dann über verschiedene Zwischenstationen, symbolisiert durch eine "Flüstertüte", zu konkreten Anweisungen für die ausführenden Mitarbeiter werden. Durch deren Tätigkeiten werden dann Ergebnisse erzeugt, die wiederum über verschiedene Zwischenstationen, symbolisiert durch einen "Trichter", zu Rückmeldungen für das Führungssystem verdichtet werden.

Spontane Entscheidungen gefährden komplexe Informationssysteme

Aus verschiedenen Gründen hat dieses vereinfachte Modell heute keine Gültigkeit mehr, denn es gibt zu viele äußere Einflüsse auf die ablaufenden Entscheidungsprozesse, seien sie nun grundsätzlicher, strategischer, administrativer oder technischer Natur. So werden bei den Fragen zum Technik-Einsatz mittelfristige Planungen und keine Spontanentscheidungen verlangt. Die vielen Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen erfordern das Denken in Systemzusammenhängen; kurzfristige Maßnahmen wegen ganz dringender Bedürfnisse dürfen dagegen das Zusammenhangsdenken nicht verdrängen. Die Dynamik in der Entwicklung verlangt die Lösung des gegebenen Bedarfs mit gegebenen Mitteln, ohne daß mit dem Einsatz neuer Techniken die Zukunft verbaut oder übermäßig erschwert wird. Die Orientierung an den Bedürfnissen des eigenen Unternehmens muß Vorrang haben vor einer Absicherung vor neuen, jedoch nicht zwangsläufig fortschrittlichen, technischen Entwicklungen. Der Aufbau eines Gesamtkonzeptes ist wegen der Wechselwirkungen mit der Umwelt wichtiger als Ad-hoc-Maßnahmen.

Diese komplexen Zusammenhänge sollen unter dem Begriff "Informationssystem" zusammengefaßt werden. In Abbildung 2 ist die klassische Unternehmensorganisation modifiziert und dargestellt, wie sie im Zeitalter der Informationsverarbeitung aussieht.

Verschiedentlich wird schon vom Produktionsfaktor Information gesprochen; richtiger ist es vielleicht, vom Rohstoff Information zu sprechen. Doch ist dieser Rohstoff nicht nur unbegrenzt vorhanden, sondern auch unbegrenzt vermehrbar und unendlich oft verwertbar. Die Abhängigkeit von Rohstofflieferanten ist dabei nicht so sehr quantitativ, sondern vielmehr qualitativ.

Allerdings benötigt der weltweite Informationsaustausch entsprechende Übermittlungswege und -techniken. Dabei gibt es bereits eine kaum überschaubare Vielfalt in der Informationstechnik. Neben der zentralen Großrechneranlage mit Stapel- und Dialogbetrieb kommen immer mehr Mini-, Mikro-, Büro- und Textverarbeitungscomputer in die Unternehmen. Es gibt lokale Netze und beispielsweise Bildschirmtext. Elektronische Post kann nicht nur über Telefon oder Nebenstellenanlagen abgewickelt werden, sondern die Übertragung geschieht auch über Telex, Teletex oder Telefax. Nichts Neues sind auch Schalterterminals, Geldausgabeautomaten und Chipkarten. BDE-Terminals, CAD-Rechner und CNC-Computer stehen in den Betrieben. Auf Datenbankbasis wird Individual- und Fremdsoftware zu einem integrierten System zusammengesetzt. Fenstertechnik, Menüsteuerung und grafische Datenverarbeitung gehören zumindest zum Sprachrepertoire in den DV-Abteilungen.

Während früher der EDV-Leiter Hardware, Software und konventionelle Datenverarbeitung beherrschen mußte, erwartet man von Org. /DV-Leitern außerdem die Beherrschung der Unternehmensorganisation, der Bürokommunikation und den Aufbau komplexer Netzwerke samt individueller Datenverarbeitung auf Mikrocomputern. Er muß sein Selbstverständnis als Datenverarbeiter ablegen und auch die Schwierigkeiten der Anwender verstehen. Er darf nicht auf vorhandenen Strukturen und Formen beharren, sondern er muß neue, unbekannte Lösungswege beschreiten. Man erwartet von ihm den Einsatz von Methoden und Tools und ein scharfes Auge für neue Trends. In vielen Fällen kann der Org./DV-Leiter mit seiner heutigen Arbeitsplatzbeschreibung die über ihn hereinbrechende Informationsflut gar nicht mehr bewältigen, weil ihm das Verständnis für die Informationsverarbeitung fehlt.

Das Wissen der "grauen Eminenz" bedeutet Macht im Unternehmen

Im Org./DV-Bereich werden weiter die Aufgaben wie Aufrechterhaltung des RZ-Betriebs, Auswahl von Standardsoftware, Realisierung und Pflege von Anwendungsprojekten, Einführung von DV-Tools und Einsatz von DB/DC-Systemen, Installation von DFÜ-Netzen, Ausbildung und Unterstützung der Fachbereiche etc. anfallen, doch darüber hinaus müssen auch die Probleme von Informationsangebot und -nachfrage gelöst werden.

Weiterhin müssen die Regeln für Informationspolitik und Informationstransformation festgelegt werden.

In Abbildung 3 sind verschiedene Bereiche und deren Informationssysteme dargestellt. Das Zusammenspiel all dieser Komponenten muß durch den Dreh- und Angelpunkt des Information Management sichergestellt werden. Diese Darstellung verdeutlicht aber auch, daß Information Management sowohl die Information des Management als auch das Management der Information bedeutet. Der Leiter des Bereichs Information Management muß die Informationsaufbereitungsmaßnahmen umsetzen. Dazu muß er die Frage der kostengünstigsten Informationsbeschaffung klären und außerdem personalintensive Archivarbeiten für die Informationsspeicherung abbauen. Er muß Standardisierungsmöglichkeiten für die Informationsauswertung überprüfen und einheitliche Definitionen für die Informationsübermittlung festlegen.

In Abbildung 4 wird eine mögliche Aufgabenteilung im Bereich Information Management beschrieben. Aus dieser Aufteilung lassen sich die Anforderungen an das Qualifikationsprofil eines Information Managers ableiten.

Zusammengefaßt kann man sagen, daß ein Information Manager den Unternehmenserfolg durch rechtzeitige, aktuelle, aber auch kostengünstige Informationen sichern soll. Im Diebold-Report 8/83 wird er unter anderem charakterisiert als Führungspersönlichkeit und Unternehmensstrategie, als Hardware- und Softwareplaner, als Anwendungsberater und EDV-Revisor, als Kommunikationsexperte und Organisationsspezialist usw.

Außerdem muß in dieser Position zielorientiert vorgegangen werden.

Die Mitarbeiter eines Unternehmens sind als Komponenten eines Informationssystems zu betrachten; auf die Wechselwirkungen zwischen allen Komponenten ist sich zu konzentrieren. Man muß Regelkreisprinzipien beachten, um ungewollte Neben- oder Fernwirkungen auszuschließen. Ein bestehendes System darf nicht unter- oder überbewertet werden, sondern man muß den vollständigen Informationsprozeß und die

exakte Informationstransformation berücksichtigen.

Der Information Manager ist einerseits Polizist, der den Informationsfluß regelt, andererseits aber auch Verkehrsplaner, der die Informationswege festlegt. Darüber hinaus ist er ein Vorkoster, der festlegt, welche Informationen wohin weitergegeben werden und außerdem ein Abhörspezialist, der unbekannte Zeichen richtig interpretiert und weitergibt.

Wie in Abbildung 3 dargestellt, ist Information Management die Schnittstelle zu allen anderen Unternehmensbereichen. Organisatorisch ist diese Aufgabe sicherlich ein verlängerter Arm der Geschäftsleitung. Da aber an dieser Stelle alle Fäden des Unternehmens zusammenlaufen, stellt sich die Frage, ob der Information Manager nicht zur "grauen Eminenz" eines Unternehmens wird, dessen Wissen gleichzeitig Macht bedeutet.

Für die Unternehmensführung heißt das: die konsequente Entscheidung für oder gegen die Aufgabendefinition "Leiter des Bereichs Information Management". Alternativ könnte man ja auch versuchen, gemäß des Mottos "Wenn man nicht mehr weiter weiß, macht man einen Arbeitskreis" zu handeln. In diesem Fall würde man das Problem auf die richtige personelle Besetzung des Arbeitskreises reduzieren, aber die Konzentration auf einen Information Manager verhindern.