Zwei Studien zur Zukunft der elektronischen B-to-B-Märkte

Der Hype ist vorbei, der Boom bleibt

08.06.2001
MÜNCHEN (CW) - Die Boston Consulting Group (BCG) prophezeit in ihrer jüngsten Untersuchung einen anhaltenden Boom für elektronische B-to-B-Märkte. Allerdings hätten bislang nur wenige Anwenderunternehmen von Maßnahmen im Bereich der Online-Beschaffung profitiert. Ähnliches gilt für die Betreiber, so eine Untersuchung der Berlecon Research GmbH.

Bis zum Jahr 2004 werden europäische Unternehmen rund ein Fünftel aller B-to-B-Transaktionen über das Internet abwickeln; dies bedeutet eine Steigerung des Handelsvolumens um jährlich rund 100 Prozent - von derzeit 391,2 Milliarden Mark auf 6,06 Billionen Mark. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Incumbents Take the Initiative: Harnessing the Power of Business-to-Business E-Commerce in Europe", zu der die BCG europaweit 2300 Manager großer Unternehmen befragte.

Demzufolge wird Deutschland bis dahin mit einem Anteil von 22 Prozent im europäischen Vergleich den zweiten Platz belegen - hinter Spitzenreiter Großbritannien mit 30 Prozent, aber vor Frankreich und Italien mit 21 beziehungsweise 20 Prozent. Nach Ansicht der Auguren wird Europa dadurch den Rückstand zu den USA verringern können. Während noch im vergangenen Jahr die geschäftlichen Online-Transaktionen in Europa mit 1,5 Prozent nicht einmal 30 Prozent des amerikanischen Volumens betragen hätten, würden die Europäer in vier Jahren rund 60 Prozent des US-Wertes erreichen. Dann spielten sich auf dem Alten Kontinent 20 Prozent und in Übersse 33 Prozent der B-to-B-Einkäufe im Internet ab.

Allerdings, so die Studie weiter, hätten bislang nur wenige Unternehmen von den Maßnahmen im Bereich der elektronischen Beschaffung profitiert. Nur rund ein Fünftel der befragten Einkaufs-Manager gaben an, durch den Online-Einkauf deutliche Kostensenkungen erreicht zu haben. Diesen Unternehmen sei es aber gelungen, die Transaktionsprozesskosten für direkte und indirekte Güter um etwa 25 Prozent und die Bearbeitungszeiten um rund ein Drittel zu reduzieren. Ferner hätten die Einkaufspreise mit Hilfe der B-to-B-Märkte bei den nicht unmittelbar für die Produktion bestimmten Einkäufen um 13 Prozent, bei den fertigungsrelevanten Stoffen und Teilen um acht Prozent verringert werden können. Die Bestandskosten seien für indirekte Güter um 14 Prozent und für direkte Güter um 19 Prozent gesunken.

Es reicht aber nicht aus, nur die Einsparungspotenziale des Online-Handels zu betrachten, so die Berater. Ihrer Ansicht nach bestehe die "Kür" im B-to-B-E-Commerce künftig darin, durch Online-Aktivitäten in den Bereichen Supply-Chain-Management und Produktentwicklung den Umsatz zu steigern.

Zu teilweise gegensätzlichen Ergebnissen führte eine Studie des Berliner Marktforschungsunternehmens Berlecon Research. Ihr zufolge wird die Neueröffnungen elektronischer Marktplätze zunehmend seltener.

Insgesamt haben die Berliner hierzulande 183 aktive Handelsplattformen im Internet ausgemacht. Für ihre Untersuchung befragten sie 98 Betreiber. Der Hype des vergangenen Jahres, als durchschnittlich zwei neue Marktplätze pro Woche ihre Pforten öffneten, sei deutlich abgeebbt, so Berlecon. Mittlerweile seien die ersten Pleiten und Umorientierungen zu beobachten. Allerdings rechnet auch Berlecon mit einer weiteren Zunahme der deutschen Web-Märkte - auf 300 bis 400 Marktplätze bis zum Jahr 2004.

Wie die Marktbeobachter festgestellt haben, sind die meisten Betreiber aktiver Handelsplattformen immer noch auf der Suche nach einem profitablen Geschäftsmodell. Derzeit arbeiten nur neun Prozent gewinnbringend.

Gewinn durch Services"Die Marktplatzbetreiber haben erkannt, dass allein das Zusammenführen von Handelspartnern keine schwarzen Zahlen bringt", so die Berlecon-Analystin Dorit Spiller. Provisionen bildeten zwar nach wie vor den größten Einnahmeposten, ihr Anteil sei jedoch im Vergleich zum Vorjahr von 56 auf 38 Prozent zurückgegangen.

Zunehmende Bedeutung erlangen dagegen Fulfillment-Dienstleistungen wie Logistikabwicklung, Treuhänderfunktion und Bonitätsprüfung. Die Letztgenannte wird bereits von 51 Prozent der Betreiber vorgenommen, weitere 36 Prozent wollen sie innerhalb der nächsten sechs Monate anbieten. Ähnlich verläuft die Entwicklung bei den Logistikservices: 57 Prozent der deutschen Marktplätze haben sie bereits im Programm, 30 Prozent wollen sie im kommenden Halbjahr bereitstellen.

Abb: Weniger Neugründungen

Der Zuwachs an neuen Marktplätzen hat sich beruhigt. Quelle: Berlecon Research 2001