Diebold erwartet Ausleseprozeß

Der Höhepunkt der DV-Krise ist noch längst nicht erreicht

11.09.1992

WIEN (CW)-Düsterer hätten die DV-Prognosen der Wiener Diebold GmbH kaum ausfallen können. Von einer Krise ohne Ende ist die Rede, die Erträge der Anbieter litten unter "chronischer Schwindsucht". Herstellern, die auf eine steigende Nachfrage hoffen, machen die Analysten keinen Mut: Beim Kunden seien durch die Bank radikale Abmagerungskuren angesagt.

Die Gründe für diese Entwicklung liegen laut Diebold in einem Wertewandel beim Anwender, der sich heute nur noch zögernd auf neue DV-Investitionen einlasse. Wichtiger sei für ihn die Lösung seiner strategischen und organisatorischen Probleme. Diesem Ziel werde die Datenverarbeitung als interne Dienstleistung untergeordnet. Bei den Herstellern führt die neue Zurückhaltung zu Überkapazitäten und einem "mörderischer Wettbewerb". Die Folge ist ein Ausleseprozeß, wie ihn die DV-Branche noch nicht erlebt hat.

In nahezu allen Branchen, egal, ob Versicherungen, Banken, Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen, steht laut Diebold zur Stärkung der Wettbewerbsposition eine strategische Neugestaltung an. Mit Hilfe des Lean Management sollen optimierte, schlanke Unternehmensstrukturen geschaffen werden. Auch vor den Informatikabteilungen macht diese Entwicklung nicht halt: Budgetkürzungen und eine permanente kritische Prüfung des Wertschöpfungsbeitrages der DV sind nach Beobachtungen der Marktforscher bereits an der Tagesordnung.

Interessant aus Sicht des Anwenders, der sich auf seine Kernkompetenzen besinnen wolle, sei das Outsourcing- die Vergabe von Teilen oder der kompletten DV an einen Dienstleister. Damit aber gerieten traditionelle DV-Anbieter in einen Strudel, aus dem sich nur wenige befreien könnten. Aufgrund des Skaleneffektes- eine Vielzahl von Anwendern nutzt beim Serviceunternehmen ein Minimum an Hardware und Softwarekapazitäten - erleiden die DV-Hersteller schwere Umsatzeinbußen.

DV-Dienstleister wie die General-Motors-Tochter EDS oder auch das Debis Systemhaus, die mit den Produkten verschiedener Anbieter arbeiten können, verhindern mit Erfolg, daß traditionelle DV-Unternehmen in diesem Markt Fuß fassen - so zumindest lautet die Diebold-Prognose. Trumpf der neuen Dienstleistungskonzerne sei ihre Herstellerunabhängigkeit, die ein DV-Anbieter nun einmal nicht garantieren könne. Diebold selbst wähnt sich dieser Prognose zufolge als Tochtergesellschaft des Debis Systemhauses offensichtlich auf der sicheren Seite.

Der Wunsch nach Kostenreduktion führt bei vielen Unternehmen ebenfalls zum Downsizing, also zur Verlagerung der Anwendungen vom Zentralrechner auf mehrere kleine Systeme, die ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Leidtragende sind wiederum solche Unternehmen der DV-Branche, die in erster Linie vom Großrechnergeschäft leben. Selbst wenn der Mainframe auch künftig für bestimmte Aufgaben prädestiniert sei, deute sich doch an, daß die langfristige Nachfrage zurückgehe.

Weil mit den Absatzzahlen auch die Fertigungsmengen schrumpften, werde zwangsläufig die Forschung und Entwicklung bei den Großrechnern ebenfalls zurückgeschraubt. Die Folge ist offenkundig: "Das Aussterben der klassischen Computer -Saurer zeichnet sich ab."

Auch die seit den 70er Jahren gepflegte Idee eines Management-Informationssystems (MIS), dessen Aufgabe darin besteht, der Unternehmensspitze die relevanten kritischen Informationen aufbereitet in einem definierten Zeitraum zur Verfügung zu stellen, kann den Herstellern laut Diebold nicht aus der Krise helfen. Die typischen Probleme bei MIS- Projekten seien nämlich inzwischen weniger technischer als vielmehr strategischer Natur. Eine Definition der jeweilige Haupterfolgsfaktoren und deren Maßzahlen werfe die größten Schwierigkeiten auf.