Online-Wahlen

Der Heim-PC wird kein Wahllokal

24.09.2009
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Eine Bundestagswahl via Heim-PC und Internet wäre möglich - behaupten Befürworter. Kritiker verweisen auf offene Fragen.
Einer repräsentativen Umfrage zufolge sind Online-Wahlen für viele Wähler denkbar. Besonders die jungen Wähler sind aufgeschlossen.
Einer repräsentativen Umfrage zufolge sind Online-Wahlen für viele Wähler denkbar. Besonders die jungen Wähler sind aufgeschlossen.

Der Branchenverband Bitkom hatte bereits im August das Thema Online-Wahlen auf die Agenda gehievt. "Fast die Hälfte der Deutschen würde online wählen", meldete sich der IT-Fachverband zu Wort. Grundlage dieser Behauptung ist eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa, die vom Bitkom bezahlt wurde. Demnach können sich 47 Prozent der Bundesbürger eine Stimmabgabe über das Internet vorstellen. Von den 18- bis 29-Jährigen, die mit dem Heim-PC groß geworden sind, würden sogar 57 Prozent der Befragten online wählen. Doch das wird dauern.

Quelle: Fotolia, N. Sorokin
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Keine Frage, die Online-Wahl wäre bequem. Doch selbst die Befürworter, die sich beruflich mit dem Thema befassen, sehen derzeit keine Chance auf Bundestagswahlen am Heim-PC - auch in vier Jahren nicht. Zwar attestiert ein Forschungsprojekt des Bundeswirtschaftsministeriums einem Internet-Wahlverfahren die Vereinbarkeit mit den fünf Grundsätzen der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl, doch die Betreiber fürchten die Bedenken der Bevölkerung. "Das System muss sich erst bewähren. Man darf den Wähler nicht überfordern", betont Klaus Diehl, Experte für Online-Wahlen bei der Telekom-Tochter T-Systems.

Deshalb vertreibt die Telekom-Tochter ihr Produkt "voteremote" zunächst als Lösung für nichtpolitische Abstimmungen wie Betriebsrats-, Aufsichtsrats-, Personalrats- und Sozialversicherungswahlen. Später könnten politische Bürgermeister- und Kommunalwahlen hinzukommen.

Online-Wahlen: Die Kritikpunkte

Sicherheit: Die Stimmen werden doppelt verschlüsselt und bis zur Auszählung mehrfach signiert. Offen ist jedoch die Frage, wie Online-Wahl-Systeme etwa auf Denial-of-Services-Attacken reagieren. Solche Angriffe könnten die Lösung zum Erliegen bringen.

Vertrauen in das Wahlergebnis: Die Sicherheit der Wahlen muss nicht nur technisch gewährleistet sein, sie muss die Bürger überzeugen. Zweifelten zu viele Wähler die Richtigkeit des Wahlergebnisses an, könne das die Legitimation der Wahl untergraben, selbst wenn die Bedenken technisch unbegründet seien, warnt der Politikwissenschaftler Hubertus Buchstein. Dann könne die Demokratie Schaden nehmen.

Spaßwähler: Buchstein sieht zudem die Gefahr von "Junk-Votes". Online-Wahlen erleichtern die Stimmabgabe und verführen dazu, leichtsinnig und unreflektiert abzustimmen. Die verbesserte Wahlbeteiligung könnte dann das Bild vom wirklichen Zustand der politischen Kultur verfälschen.

Privatisierung: Die Online-Wahl verlagert die Stimmabgabe von einem öffentlichen Ort in die Privatsphäre, damit verliere der Wähler den Bezug zum Gemeinwesen. Die Wahlentscheidung werde dadurch stärker aufgrund privater, egoistischer Interessen gefällt. Somit drohe die "Erosion der öffentlich orientierten Staatsbürgerschaft", gibt Buchstein zu bedenken.

Private Betreiber: Die Durchführung der Wahl ist eine hoheitliche Aufgabe. Da die öffentliche Hand die für eine Online-Wahl erforderliche Infrastruktur kaum selbst aufbauen und betreiben kann, wird sie privatwirtschaftliche Unternehmen damit beauftragen. Damit gibt sie die Kontrolle teilweise aus der Hand.