Der gläserne Dienstleister

02.11.2005
Von Eva-Katharina Kunst
Ein neuer Qualitätsstandard für Serviceunternehmen im Open-Source-Spektrum soll Vertrauen bei den Anwendern schaffen.

Anwender und Unternehmen durch hochwertigen Support von Open Source zu überzeugen ist keine neue Idee. Auf personeller Ebene gibt es bereits diverse Zertifizierungen, mit denen Mitarbeiter von Open-Source-Service-Unternehmen ihre Sachkompetenz ausweisen können. Ein deutsch-niederländisches Projektteam geht noch einen Schritt weiter: Es will einen europäischen Qualitätsstandard entwickeln, der die Dienstleistungseffizienz der Open-Source-Anbieter bewertet.

LOS!NRW e.V.

Das Linux/Open Source-Kompetenzzentrum Nordrhein-Westfalen (www.los-nrw.de) wurde am 27. Mai 2003 mit Sitz in Duisburg gegründet. Der Verein zählt derzeit 22 Mitglieder, von denen 30 Prozent aus dem öffentlichen Bereich (vorwiegend Wirtschaftsförderungsgesellschaften) stammen. Ziel des Zusammenschlusses ist es, den Einsatz von Open Source zu fördern. Der Verein fungiert als Anlaufstelle für Informationen, übernimmt Marketing, arbeitet am Branchenstandard E*OS3 und stellt Kontakte zwischen interessierten Kunden, Entwicklern und Dienstleistern her. Aus Eigenmitteln finanziert LOS!NRW wechselnde Praxisabende, an denen Open-Source-Produkte vorgestellt und getestet werden. Die Teilnahme ist kostenlos und richtet sich in der Hauptsache an Entscheidungsträger.

Inzwischen sorgen vier regionale Kompetenzzentren für eine Ansprache vor Ort: Duisburg-Niederrhein, Düsseldorf-Rheinland Nord, Märkische Region und Mülheim/Ruhr-Essen-Oberhausen. Auch in Baden-Württemberg gibt es eine regionale Initiative mit ähnlicher Ausrichtung: die Open Source Region Stuttgart (http://opensource.region-stuttgart.de).

Zweifel an der Qualität

"Die Projektidee ist aus vielen Gesprächen mit Anwendern entstanden", berichtet Uwe Seidel, Vorstandsvorsitzender von LOS! NRW (siehe Kasten). Auch wenn die geringen Kosten der Open-Source-Lösungen und die Unabhängigkeit von proprietärer Software viel versprechend erschienen, hätten die meisten potenziellen Kunden Zweifel an der Qualität der Open-Source-Anbieter beschlichen. Gewünscht wurde ein Indikator, der dem Dienstleister Verlässlichkeit attestiert.

Nichts anderes soll der geplante Branchenstandard liefern, der unter dem Kürzel E*OS3 (European Open Source Service Standard) firmiert. E*OS3 nimmt sowohl den Aufbau der Organisation als auch den Ablauf der Geschäftsprozesse unter die Lupe. Da der Standard vor allem kleine und mittlere Dienstleister ausweisen soll, ist die Norm im Vergleich zu komplexen Standards wie ISO 9001:2000 auf die für den Kunden wesentli-chen Dienstleistungsprozesse beschränkt.

Das Projekt "Euroquis-LOS" (Europäischer Qualitäts- & Industriestandard für Linux/Open Source) ist auf zwei Jahre angelegt und wird zu 80 Prozent von der Region Euregio Rhein-Waal sowie den Wirtschaftsministerien aus Nordrhein-Westfalen und Gelderland gefördert. Die restlichen 20 Prozent der Mittel haben die Projektpartner unter sich aufgeteilt: Unter Federführung des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Operations Research der Universität Duisburg-Essen sind von deutscher Seite LOS!NRW sowie die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Duisburg mbH beteiligt. Auf niederländischer Seite arbeiten die Vereniging Open Source Nederland (VOSN), die Radboud Universität Nijmegen und die Syntens Vestiging Enschede mit.

Als erster Schritt ist eine Firmenanalyse vorgesehen. Leitfadengestützte Interviews bei jeweils 100 deutschen und niederländischen Open-Source-Dienstleistern aus der Region sollen die Akzeptanz des geplanten Standards in der Wirtschaft abfragen. Der Bedarf und die Erwartungshaltung der Anbieter werden abgegeglichen mit der wissenschaftlichen Evaluation von Dienstleistungskriterien durch die Universitäten.

Parallel dazu wird eine Erhebung über alle Open-Source-Anbieter der Region vorgenommen. Die Ergebnisse werden ab dem 1. September 2006 in einer Branchenübersicht ("LOS! Atlas") dokumentiert. Interessierte Anwender können sich in dem nach Gebiet, Branche beziehungsweise Produkt/Dienstleistung gegliederten Verzeichnis einen Überblick über den Open-Source-Markt verschaffen und Auskunft erhalten, wer für welches Problem eine passende Lösung vor Ort anzubieten hat.

Am Ende ein Zertifikat

Stichtag zur Fertigstellung des E*OS3-Standards ist der 31. März 2007. Bis Juni 2007 soll eine herstellerunabhängige Instanz gebildet werden, die selber keine Dienstleistungen anbietet, sondern die Zertifizierung vornimmt. Ab diesem Zeitpunkt können sich die Open-Source-Dienstleister um den Erhalt des Standards bewerben und sich bewerten lassen. Wie lange eine solche Bewertung vorhält, ist derzeit noch unklar. Realistisch ist eine für drei Jahren gültige Zertifizierung.

Geplant ist, den Standard auf weitere Regionen auszuweiten. Polen, Frankreich und Österreich bekunden bereits Interesse an einer gemeinsamen Weiterentwicklung. LOS!NRW-Leiter Seidel betont: "Ziel ist es, einen echten europäischen Servicestandard zu etablieren." (ls)