Der "freundliche" Weg

09.07.1982

Als Mainframe-Alternativen für technisch-wissenschaftliche und kommerzielle Aufgaben klassifizieren die Anbieter ihre 32-Bit-Superminis (CW-Spotlight-Berichte auf den Seiten 15 bis 20). Neutrale Gutachter monieren freilich, daß es mit der Anwendungssoftware für die Kraftpakete nicht sehr weit her sei. Es darf in der Tat nicht übersehen werden, daß den Produzenten traditioneller Minicomputer die Erfahrung im sogenannten "Geschäftsbereich" fehlt - die administrative Datenverarbeitung ist nun mal eine Domäne von IBM & Co. DV-Experten nehmen jedoch an, daß die Minis ihre Prozeßlastigkeit bald verlieren werden. Wie auch immer, die Software bleibt das Sorgenkind - nicht nur bei den Minis.

Allerdings setzte in den vergangenen Jahren eine Entwicklung ein, die das Kernproblem der Computerbranche überwinden könnte - die Abhängigkeit von Spezialisten. Diese Entwicklung ist dadurch gekennzeichnet, daß man nicht mehr von Expertensystemen, sondern von "freundlicher" Software spricht und "Ease-of-Use"-Funktionen meint - verpackt in Systemen, die auch Nichtfachleute bedienen können.

Wer die wichtigsten Software-Ereignisse der vergangenen zwölf Monate nennen soll, stößt allerdings schnell auf einen Komplex, der diese Behauptung Lügen straft: das Announcement der komplexen XA-Software (Extended Architecture) für die 308X-Zentraleinheiten - IBMs Abkehr von den zählebigen "Principles of Operations /370".

IBM-Nachahmer halten zwar nichts von der These, daß mit XA ein dramatischer Wechsel in der Systemarchitektur vollzogen wird. Die PCMs (Plug Compatible Manufactures), so jedenfalls die veröffentlichte Meinung, gehen vielmehr davon aus, daß "Big Blue" seine breite Softwarebasis im 370- und 4300-Feld nicht durch inkompatible Releases entwerten will. Die hektischen Aktivitäten der PCMs, sich der allerneuesten Informationen über XA zu bemächtigen - wenn's sein muß, mit den Mitteln der Industriespionage -, lassen eher das Gegenteil vermuten. So sehr IBM auch bedacht sein mag, die eigenen Kunden nicht zu verschrecken - um neue Märkte zu erschließen und die Steckerkompatiblen abzuschütteln, ist ein Quasi-Neubeginn unausweichlich.

Doch zurück zur Software-Chronik, zu Erfreulicherem. Welche Programmpunkte waren es denn, die den "freundlichen" Weg markierten?

Da wäre zunächst der unbestrittene Erfolg von Cincoms "Mantis" oder "Natural" von der Software AG zu nennen, Supertools für die "programmiererlose" Programmierung, Werkzeuge für Manager und Sachbearbeiter, die Ihre Anwendungsprobleme selber lösen wollen. Das Vordringen derartiger Jedermann-Hilfen muß a la longue zu einem Strukturwandel Innerhalb der Softwarebranche führen, die heute nahezu ausschließlich Expertensysteme anbietet.

Für IBM ist dieses Thema längst gegessen, wie der Erfolg des Datenbankcomputers System /38 zeigt, vor allem auch bei den eigenen Mitarbeitern. Es ist noch gar nicht so lange her, daß sich VBs des ehemaligen IBM-Geschäftsbereiches Datenverarbeitung über den lahmen Schrägstrichhobel lustig machten. Angesichts des Benutzerkomforts der DB-Maschine kommen heute selbst gestandenen 370-Leuten die Tränen.

Weniger zufrieden dürfte die IBM-Softwerker das Vordringen von Betriebssystemen wie Unix oder CP/M stimmen, die immer mehr Nicht-IBM-Hersteller zur Unterstützung ihrer Hardware verwenden. So ist Programmportabilität sichergestellt, der Anwender nicht mehr auf bestimmte Gerätetypen fixiert. Und das ist doch schon etwas.