IT & Business Excellence

Prozessgesteuerte Anwendungen mit BPMN 2.0

Der Fachprozess bestimmt die Applikationsentwicklung

20.03.2014
Von 
Dr. Andreas Schaffry ist freiberuflicher IT-Fachjournalist und von 2006 bis 2015 für die CIO.de-Redaktion tätig. Die inhaltlichen Schwerpunkte seiner Berichterstattung liegen in den Bereichen ERP, Business Intelligence, CRM und SCM mit Schwerpunkt auf SAP und in der Darstellung aktueller IT-Trends wie SaaS, Cloud Computing oder Enterprise Mobility. Er schreibt insbesondere über die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen IT und Business und die damit verbundenen Transformationsprozesse in Unternehmen.

Die Idee der prozessgesteuerten Architektur eignet sich übrigens auch hervorragend für unabhängige Software-Hersteller, die auf Basis der BPMN prozessgesteuerte Applikationen, etwa für industrietypische Betriebsabläufe, modellieren können, die sich dann in jede IT-Landschaft implementieren lassen.

Entwicklung nach der Top-Down-Methode

Sie plädieren in Ihrem Buch für ein konsequentes Top-Down-Verfahren bei der Entwicklung prozessgesteuerter Anwendungen. Warum?

Mit BPMN lassen sich Prozesse wie zum Beispiel ein vereinfachter Bestellablauf grafisch modellieren.
Mit BPMN lassen sich Prozesse wie zum Beispiel ein vereinfachter Bestellablauf grafisch modellieren.
Foto: SAP AG

Volker Stiehl: Unternehmen sollen einen geschäftskritischen Prozess, der ihnen Wettbewerbsvorteile bringt, komplett unabhängig von der IT-Landschaft konzeptionieren und aufbauen können. Das geht nur mit einer Top-Down-Methode, die den fachlichen Prozess in den Mittelpunkt stellt. Im ersten Schritt ist die Reihenfolge der Prozessschritte und -rollen festzulegen. Dann müssen die dazugehörigen Nutzeroberflächen gefunden werden, die den Endanwender gemäß seiner Rolle und Berechtigung bestmöglich bei der Prozessabwicklung unterstützen. Und schließlich müssen auch noch die für den Prozess benötigten Daten abgeleitet und die einzelnen Attribute und Felder zu Geschäftsobjekten gebündelt werden. Damit die Struktur so schlank wie möglich bleibt, dürfen nur Daten und Geschäftsobjekte verwendet werden, die zur Prozessabwicklung unbedingt benötigt werden. Auch die Kopplung der Anwendungen mit den Back-End-Systemen durch Schnittstellen ist vom Prozess getrieben. Sie wird in einem Servicevertrag definiert und über eine Implementierungsschicht gesteuert.

Mit welchen Anwendungen und Technologien unterstützt SAP die Modellierung, Implementierung und Integration prozessgesteuerter Anwendungen?

Volker Stiehl: Hierbei leistet unsere Java-basierte Modellierungs- und Laufzeitumgebung SAP NetWeaver Process Orchestration (SAP NetWeaver PO) hervorragende Dienste. In ihr sind die drei Produkte SAP NetWeaver Process Integration, SAP NetWeaver Business Process Management und SAP NetWeaver Business Rules Management in einem einzigen Installationspaket zusammengeführt. Durch diese Kombination werden Unternehmen effizient bei der Umsetzung ihrer speziellen Prozessanforderungen unterstützt.

Welche Aufgaben übernehmen die einzelnen Lösungen?

Volker Stiehl: Die gerade für Schreiboperationen wichtige asynchrone, nachrichtenbasierte Integration aller von einem Soll-Prozess betroffenen Anwendungen sowie der Eigenentwicklungen erfolgt über SAP NetWeaver PI mit der zentralen Enterprise-Service-Bus-(ESB)-Komponente. Der Aufbau eines systemübergreifend einsetzbaren End-to-End-Prozesses und der entsprechenden prozessbezogenen Applikation, deren Oberfläche beispielsweise auf SAP UI5 basiert, wird mit der Lösung SAP NetWeaver BPM ausgeführt, die Teile der aktuellen BPMN-2.0-Spezifikation unterstützt.

Die Entscheidungslogiken für die Prozesse werden zentral in SAP NetWeaver BRM verwaltet. Die Fachanwender können den Prozessen bei Bedarf neue Geschäftsregeln hinzufügen oder bestehende ändern und somit eine veränderte Geschäftsstrategie zeitnah abbilden. Den direkten Zugriff auf die Services im Back-End für synchrone Lesezugriffe ermöglicht SAP NetWeaver Gateway mithilfe des OData (Open Data) Web Protokolls. Nicht zuletzt müssen Firmen, die der Konkurrenz den entscheidenden Schritt voraus sein wollen, auch Schwächen während der Ausführung kritischer End-to-End-Prozesse in Echtzeit erkennen und diese umgehend beseitigen. Dafür eignet sich die Anwendung SAP Operational Process Intelligence, die auf SAP HANA basiert. Schließlich sorgt unsere neueste Technologie SAP HANA Cloud Integration für die nahtlose Integration von On-Premise- und cloudbasierten On-Demand-Anwendungen.

Volker Stiehl: "Prozessgesteuerte Anwendungen entwickeln und ausführen mit BPMN"

Die effiziente Entwicklung neuer, differenzierender fachlicher Prozesse in heterogenen Systemlandschaften ist seit jeher eine der größten Herausforderungen für Unternehmen. Volker Stiehl stellt in seinem Buch "Prozessgesteuerte Anwendungen entwickeln und ausführen mit BPMN" einen Ansatz vor, wie Unternehmen ausgehend von Fachprozessen neuartige, prozessgesteuerte Anwendungen entwickeln können. Prozessgesteuerte Anwendungen sind laut Stiehl eigenständige fachliche Applikationen, die erfolgskritische End-to-End-Geschäftsprozesse über Funktions-, System- und Organisationsgrenzen hinweg unterstützen, mit denen Unternehmen sich vom Wettbewerb differenzieren. Sie können zugleich flexibel an neue Anforderungen angepasst werden.

BPMN unterstützt als grafische Notation und Standard zur Modellierung von Prozessen die Entwicklung prozessorientierter Applikationen, die sich in heterogenen IT-Landschaften direkt ausführen lassen. Diese Ausführbarkeit wurde in der BPMN der neuesten Version 2.0 festgeschrieben. Die Benutzeroberflächen der Anwendungen sind in der Regel webbasiert und die Installation wenig aufwendig. Für Stiehl kann erst durch eine geeignete prozessgesteuerte Architektur und "Methodologie" das Versprechen der BPMN, Geschäftsprozesse so auszuführen, wie die Fachabteilung sie vorgibt, auch wirklich erfolgreich eingelöst werden.

Das Buch ist im dpunkt-Verlag erschienen (ISBN: 978-3-86490-007-5) und kostet 39,90 Euro.