Wie mitteleuropäische Unternehmen die Währungsumstellung meistern

Der Euro ist für viele Firmen ein Teil des Re-Engineering

07.08.1998

Kein Zwang, aber eine Empfehlung: Vom 1. Januar des kommenden Jahres an sollen alle Computer in der Lage sein, Finanzbeträge in Euro zu berechnen. Die Unternehmen in den betroffenen Ländern haben deshalb vor etwa zwei Jahren begonnen, ihre IT-Systeme auf die neue Währung einzustellen. Für viele war das ein Anlaß, ihre komplette IT-Strategie zu ändern, was meist dazu führte, daß sie ihre Informationssysteme - soweit noch nicht vollzogen - auf betriebswirtschaftliche Standardsoftware umstellten. Einige entschieden sich, Euro und Jahr 2000 in einem gemeinsamen Projekt abzuhandeln, andere hielten die beiden Themen streng getrennt.

Die Uzin Utz AG, Ulm, traf 1995 die Entscheidung, mit einer Investition in Höhe von 1,6 Millionen Mark ihre Computersysteme aufzumöbeln - sowohl im Hinblick auf die europäische Einheitswährung als auch auf die Jahrtausendwende. Im Jahr zuvor hatte sich der Hersteller von Klebemitteln für Fußbodenbeläge einem Business Re-Engineering unterzogen.

Mit einer "Big-bang"-Aktion stellte Uzin im Oktober 1996 seine Informationstechnik von einem Bull-Mainframe des Typs DPS 4000 auf eine Client-Server-Architektur mit einem Windows-NT-betriebenen "Primergy-760"-Server von Siemens-Nixdorf um. Gleichzeitig ersetzte die Unternehmenszentrale ihre selbstentwickelten Anwendungssysteme für Buchhaltung, Controlling, Logistik, Produktion und Vertrieb durch die entsprechenden Module der R/3-Software von SAP.

Derzeit spielt Uzin Versuchskaninchen für das neue R/3-Release 4.0B. Wenn der Test positiv verläuft, soll die aktuelle Produktausführung bis Ende dieses Jahres installiert werden. Die R/3-Version 4.0 bietet optional die Möglichkeit, Informationen in zwei unterschiedlichen Währungen anzuzeigen. Außerdem enthält sie Funktionen für die Dokumentation und die Summierung von Rundungsdifferenzen.

Ein bißchen spät ist die Benetton SpA, Ponzano, Veneto, dran. Der Bekleidungshersteller begann erst im vergangenen März damit, Vorkehrungen für die Währungsumstellung zu treffen. Die Vorgehensweise erläutert Bruno Zuccaro, Vice-President für Informationssysteme: "Wir haben ein Euro-Komitee geschaffen, das sich aus Topmanagern sowie einem Professor der Mailänder Bocconi-Universität zusammensetzt. Für die Manager haben wir vier Seminare organisiert und die Auswirkungen der Euro-Einführung auf jeden einzelnen Unternehmensbereich untersucht."

Zuccaro zufolge wird die Benetton-Gruppe nach außen hin schon am 1. Januar 1999 Euro-fähig sein. Für die internen Berechnungen will das Unternehmen aber noch bis Ende des Jahres 2000 die italienische Lira nutzen.

Für die Banco Bilbao Vizcaya (BBV) hat das Euro-Problem eine wesentlich höhere Priorität als der Jahrtausendwechsel - und das aus zwei verschiedenen Gründen: Zum einen ist innerhalb der Finanzbranche der "weiche" Euro-Start am 1. Januar nächsten Jahres ein "harter" Termin; zum anderen fehlt dem spanischen Finanzdienstleister nicht mehr allzuviel bis zur Millennium-Fähigkeit seiner Anwendungen.

Nach Auffassung des Bankhauses gilt es im Zusammenhang mit der europäischen Einheitswährung, zwei unterschiedliche Probleme zu bewältigen. Das eine besteht darin, die Applikationen auszubessern, das andere darin, die mit diesen Programmen betriebenen Vorgänge anzupassen. Wie Francisco Castillo, Mitglied des Informationssysteme-Managements, erläutert, beschäftigt sich die BBV derzeit nur mit der technischen Adjustierung. Erst wenn diese Arbeit bewältigt sei, werde die Bank ihre Geschäftsprozesse verändern.

Um die bestehenden Anwendungen Euro-fähig zu machen, müssen die Spanier zunächst für alle Daten Nachkomma-Stellen einrichten. Daneben ist es nötig, innerhalb der Systeme die Möglichkeit für eine Koexistenz von Pesete und Euro zu schaffen. "Das bedeutet eine Menge Arbeit", klagt Castillo. Bei der Datenumwandlung verschiebe sich das Dezimalkomma, und das Hinzufügen von Code sei keineswegs trival.

Da die BBV keine geeigneten Werkzeuge für die Euro-Umwandlung auf dem Markt fand, hat sie einige der Jahr-2000-Tools an ihre Bedürfnisse angepaßt. Um die beiden Umstellungen rechtzeitig auf die Reihe zu bekommen, arbeiten derzeit zwischen 150 und 190 IT-Spezialisten fulltime daran.

Die französische Staatsbahn Société Nationale des Chemins de Fer (SNCF) hat die Weichen in Richtung Euro bereits 1996 gestellt und befindet sich derzeit auf direktem Weg zu diesem Ziel. Allerdings ist ihr Zeitplan nicht so gedrängt wie beispielsweise der des spanischen Finanzdienstleisters BBV. "Die Hälfte der Arbeit wird Ende März des kommenden Jahres getan sein", erläutert Jean-Marie Fanìois, seines Zeichen Kommunikationsdirektor für den Euro bei der SNCF.

Schon zu Beginn des kommenden Jahres will die französische Staatsbahn ihre Abteilungen für Schuldverschreibungen, Darlehen und Finanzhaushalt auf den Euro umstellen. Auf diese Weise hofft sie, im neuen Euro-Bond-Markt ausländische Investoren anziehen zu können, die bislang vor möglichen Kursverlusten bei der fälligen Währungsumrechnung zurückschrecken.

Der nördliche Nachbar Deutschlands zählt zwar nicht zu den ersten elf Ländern, die der Europäischen Währungsunion angehören werden. Aber einige dänische Unternehmen bemühen sich trotzdem, ihre Systeme sobald wie möglich fit für den Euro zu machen. Zu ihnen zählt der Finanzdienstleister Real Kredit Danmark, der schon seit zwei Jahren an diesem Problem arbeitet - parallel zur, aber keineswegs gemeinsam mit der Umstellung auf die vierstelligen Jahreszahlen.

"Wir nutzen die Erfahrungen aus unserem Jahr-2000-Projekt, um den Euro effektiver anzugehen", berichtet die Projekt-Koordinatorin Irene Rasch. "Die Inhalte der beiden Vorhaben sind tatsächlich sehr verschieden, auch wenn sich die beiden Projekte hinsichtlich ihres außergewöhnlichen Umfangs sowie des Struktur- und Logistikprofils ähneln."

Während sich die Jahr-2000-Arbeit in zeitraubenden, aber unkomplizierten Korrekturen erschöpft, begreift Real Kredit den Euro als eine Herausforderung, der mit der Entwicklung neuer, komplexer Systeme begegnet werden sollte. Datenkorrekturen und Neuentwicklungen miteinander zu mischen birgt nach Meinung der Verantwortlichen aber unkontrollierbare Risiken; wenn das Unglück es wolle, gingen beide Vorhaben den Bach hinunter. Deshalb wurden die zwei Probleme unterschiedlichen Teams anvertraut. Damit die Truppen einander nicht in die Quere kommen, hat das Unternehmen ein Versionskontroll-System eingeführt.

Auch das Vereinigte Königreich wird sein Pfund zunächst nicht gegen den Euro eintauschen. Aber ein international tätiges Unternehmen wie die Cable & Wireless Group muß sich diesem Problem trotzdem stellen. "Unsere Niederlassungen in den Euro-Zone-Ländern müssen die Übergangsfristen der ersten Welle im Auge behalten", bestätigt der für die europäische Währungsunion (European Monetary Union = EMU) zuständige Programmdirektor Jo Baktis.

Im vergangenen Jahr richtete die Unternehmensführung ein Vollzeit-Team ein, das den Währungsübergang für die gesamte Firmengruppe koordinieren soll. Gleichzeitig begannen einige Geschäftseinheiten mit der konkreten Arbeit an diesem Problem.

"Eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Gruppenprogramm ist aus meiner Sicht, daß alle Niederlassungen die Analyse der Auswirkungen vollständig abgeschlossen haben", stellt Baktis fest. Der Programmdirektor äußert die Zuversicht, daß die gesamte Gruppe schon im Januar 1999 in der Lage sein werde, Euro-Transaktionen zumindest auf einer sehr niedrigen Ebene handhaben zu können. Die volle Euro-Fähigkeit, die es dann ermöglicht, die betriebswirtschaftlichen Chancen der Gemeinschaftswährung zu nutzen, solle später folgen.

Als große Herausforderung empfindet Baktis die Tatsache, daß Kunden- und Zulieferunternehmen zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf den Euro umstellen werden. "Ich begreife es als Teil meiner Aufgabe, dieses Problem bewußt zu machen und das Zusammenspiel über die gesamte Auftragskette hinweg zu regeln.

Europäische Uneinheit

Anfang des kommendenden Jahres führen Belgien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal, Spanien und die Niederlande die europäische Einheitwährung ein. Aber nicht alle Unternehmen werden ihre Abrechnungssysteme sofort umstellen, denn verbindlich ist die neue Währung nicht vor dem 1. Januar 2002. Wer die Vorteile des Euro frühzeitig ausschöpfen will, muß seine Systeme in die Lage versetzten, drei Jahre lang jeden Rechnungsbetrag in zwei Währungen zu führen.

Diese Übergangszeit - von den Regierungen vereinbart, um Währungsspekulanten das Handwerk zu legen - ist für die IT-Abteilungen eine wirkliche Herausforderung. Es dürfte unmöglich sein, alle Teilnehmer einer Zulieferkette auf einen gemeinsamen Umstellungstermin zu verpflichten. Schlimmer noch: Es könnte durchaus vorkommen, daß die Bereiche ein und desselben Betriebs einem unterschiedlichen Zeitplan für die Konvertierung folgen, wobei die für Löhne und Gehälter zuständigen Personalabteilungen voraussichtlich das Schlußlicht bilden. Folglich müssen auch innerhalb des Unternehmens ständig Beträge umgerechnet und schließlich zu einer einheitlichen Bilanz konsolidiert werden.Hinzu kommt, daß viele Betriebe nicht nur aktuelle, sondern auch historische Daten umstellen werden, weil sie sie in übergeordnete Systeme integrieren wollen. Dabei müssen alle Ebenen der Buchhaltungssysteme konsistent bleiben.

Ein Euro-spezifisches Problem ist die Handhabung von Rundungsbeträgen. Auch wenn es für die Buchhaltungen bereits verbindliche Regeln gibt, so gelten kleinere Rundungsdifferenzen bereits heute als unvermeidbar. Das macht es beinahe unmöglich, einen Währungsumwandler für alle Unternehmensbelange zu entwickeln. Die Frage, wie unter diesen Umständen fixe Kosten und Abschreibungssummen berechnet werden sollen, wird die Köpfe von Buchhaltern und IT-Managern noch eine Weile rauchen lassen.