Autisten im Beruf

Der etwas andere Kollege

19.06.2015
Von Lisa Hegemann

Doch es gibt auch Betroffene, die eine Hilfestellung benötigen, um in den Beruf zu kommen. Wegen der Herausforderungen, mit denen Autisten tagtäglich konfrontiert sind. Vogeley fasst das in seinem Vortrag unter "sozial unbeholfenem Verhalten" zusammen. Ein Autist kann etwa Gesichtsausdrücke nicht lesen oder Freude nicht von Ärger zu unterscheiden. Er erlebt eine ständige Reizüberflutung, kann schlecht mit vielen Geräuschen und Eindrücken auf einmal umgehen. Allgemein gelten Autisten auch als direkt, sie können nonverbale Kommunikation schwer oder nicht wahrnehmen und nehmen bildliche Aussagen oft für bare Münze.

"Jeder Jeck ist anders"

Das Wort "oft" ist wichtig, weil es trotz vieler Klischees nicht den einen Typ Autist gibt. Vogeley fasst es so zusammen: "Jeder Jeck ist anders." Das gelte auch für Menschen mit Autismus. Es gebe weder die eine typische Verhaltensweise noch den einen Beruf. Autisten können IT-Spezialisten sein, sie können aber auch Musiker oder Professoren werden. Wichtig ist bei ihnen nur, dass sie in ihrem Job ihrem Interesse nachgehen können.

Weil Autisten in der Arbeitswelt nicht immer zurechtkommen - zum Beispiel, weil sie im Bewerbungsgespräch keine Mimik deuten können -, fangen manche Autisten in Behindertenwerkstätten an. Unter Experten wird dieser Bereich als zweiter Arbeitsmarkt bezeichnet. Das Problem: "Noch nicht einmal ein Prozent der Menschen aus den Werkstätten schafft es auf den ersten Arbeitsmarkt", sagt Wulf Rössler, Professor an der Universität Zürich. Zudem ist das Phänomen Autismus immer noch nicht bekannt genug: "Die Hälfte der Arbeitgeber weiß nicht, was Autismus ist", sagt Vogeley.

Weil die Anforderungen so spezifisch sind, Autisten aber oft großes Potenzial mitbringen, haben sich in den vergangenen Jahren Programme gebildet, die Autisten unterstützen sollen. Die größte Aufmerksamkeit erhielt sicherlich das Programm des IT-Konzerns SAP, der seit 2013 gezielt auf Menschen mit einer autistischen Störung als Mitarbeiter setzt. Das funktioniert mit Unternehmen wie Auticon oder Specialisterne, die autistische Fachkräfte vermitteln. Sie stellen Autisten Berater zur Seite, die ihnen bei der Integration helfen sollen. Die beiden Firmen haben sich allerdings beide auf Autisten spezialisiert, die sich im IT-Bereich auskennen. Das Spektrum der Spezialinteressen, die etwa Menschen mit dem Asperger-Syndrom entwickeln, ist aber deutlich größer.

Dort setzt eine regionale Initiative des Integrationsamts des Landschaftsverbands Rheinland (LVR), der psychologischen Abteilung der Uniklinik Köln sowie des gemeinnützigen Unternehmen Füngeling Router an, die die Fachtagung in Köln organisiert haben. Die Träger wollen in den kommenden drei Jahren ein Netzwerk aufbauen, das Autisten in regionale Wirtschaftsunternehmen bringt. "Wir wollen eine Brücke zwischen Werkstätten und Arbeitsmarkt schaffen", sagt Monika Labruier von Füngeling Router in Köln. 50 Firmen haben bereits Interesse bekundet.