IT-Nachwuchs binden

Der erste Eindruck zählt

15.05.2012
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.
Die deutschen Unternehmen buhlen um den IT-Nachwuchs. Für eine dauerhafte Beziehung ist es entscheidend, dass die Integration systematisch abläuft und der neue Kollege nicht allein gelassen wird. Das "Baggern" um den Nachwuchs beginnt daher schon in der Hochschule.
Ein informelles Essen mit dem IT-Chef gehört bei Adidas dazu. CIO Jan Brecht nimmt sich regelmäßig Zeit, um mit Young Professionals zu sprechen.
Ein informelles Essen mit dem IT-Chef gehört bei Adidas dazu. CIO Jan Brecht nimmt sich regelmäßig Zeit, um mit Young Professionals zu sprechen.
Foto: Image Source IS2 - Fotolia.com

In Zeiten des vermeintlichen Fachkräftemangels geht es nicht nur darum, möglichst schnell und effizient die passenden Absolventen zu finden, um diese zur Unterschrift unter den Arbeitsvertrag zu bewegen. Auch die richtige Integration neuer Mitarbeiter ist wichtig für deren langfristige Bindung und Motivation. Die Begrüßung an Bord entscheidet maßgeblich über die Zukunftsfähigkeit der Beziehung - es reicht in der Regel nicht aus, wenn der Kapitän und die Offiziere nur kurz winken und dann für immer auf der Brücke verschwinden. Ein strukturiertes "Onboarding", wie es mittlerweile neudeutsch heißt, soll dem Neuling helfen, sich auf dem Schiff zu orientieren, seine ungeschriebenen Gesetze zu lernen und die erste Phase der Ernüchterung heil zu überstehen.

Einblick durch Praktika

Carolin Unger, Rohde & Schwarz: "Wir vertrauen unseren Mitarbeitern von Anfang an und bieten darum flexible Arbeitszeiten an."
Carolin Unger, Rohde & Schwarz: "Wir vertrauen unseren Mitarbeitern von Anfang an und bieten darum flexible Arbeitszeiten an."
Foto: Rohde&Schwarz

Der klassische Weg fängt in der Regel vor dem festen Arbeitsvertrag an: "Studentische Nachwuchskräfte und Absolventen haben bereits während des Studiums die Möglichkeit, uns und unsere Themenvielfalt kennen zu lernen", sagt Carolin Unger, Leiterin Personal-Marketing und Rekrutierung beim Technologiekonzern Rohde & Schwarz. Pro Jahr bietet das Unternehmen allein in der Zentrale in München rund 250 Werkstudenten-Stellen oder Praktika an, um den Einblick in mögliche Arbeitsfelder zu öffnen. Auch betreuen Experten von Rohde & Schwarz in Absprache mit den Hochschulen Bachelor-, Master- und Diplomarbeiten. Der Nachwuchs aus technischen Universitäten kann zudem sein Wissen in einem Fallstudienwettbewerb mit technischen Aufgabenstellungen aus dem Entwickleralltag in die Praxis umsetzen. Ist das Studium absolviert, "bekommt jeder Mitarbeiter vom ersten Arbeitstag an den Freiraum, um kreative Lösungswege selbst zu finden", sagt HR-Managerin Unger. "Es ist also eine Portion Eigenverantwortung und Selbständigkeit gefragt." Neuen Mitarbeitern steht bei Rohde & Schwarz in den ersten Monaten ein Mentor zur Seite, der bei der Einarbeitung hilft.

Eine Stärke des Unternehmens liegt laut Unger darin, die familiäre Atmosphäre mit ihren flachen Hierarchien auch in einem großen und internationalen Konzern zu bewahren. Dies sei besonders wichtig für Absolventen, denen aufgrund ihrer geringen Berufserfahrung der Start in die Arbeitswelt nicht leicht falle. "Wir vertrauen unseren Mitarbeitern von Anfang an und bieten daher auch flexible Arbeitszeiten an - in unserer Firmenzentrale arbeiten wir mit Gleitzeit und haben keine Kernarbeitszeiten." Abgerundet wird das Paket durch Weiterbildungsmaßnahmen, die bereits von Absolventen zum Einstieg in Anspruch genommen werden können: "Ein individueller Plan zur Weiterentwicklung mit einer großen Auswahl an internen und externen Schulungen soll sicherstellen, dass wir in unseren Geschäftsbereichen Innovationstreiber bleiben."

Förderprogramm für Bachelors

Bei Audi, einem ebenfalls gefragten Arbeitgeber unter IT-Absolventen, beginnt das Onboarding früh: "Einen Großteil der Hochschulabsolventen, die bei uns starten, haben wir bereits im Rahmen von Praktika oder Abschlussarbeiten kennen gelernt", sagt Audi-CIO Mattias Andree Ulbrich. Dies habe den positiven Effekt, dass auch umgekehrt der Bewerber die Arbeitswelt bei Audi kennt und weiß, was ihn erwartet. "Uns ist wichtig, dass sich die Mitarbeiter mit ihren persönlichen Stärken und Wertevorstellungen einbringen können", sagt CIO Ulbrich, und er verweist auf ein "Welcome-Programm für die erste Zeit im Unternehmen". Neuen Mitarbeitern steht ein Pate für die Einarbeitung zur Seite, und nach sechs Monaten findet ein Feedback-Gespräch mit dem Vorgesetzten statt, in dem beide Seiten ihre Eindrücke widerspiegeln. "Und wer sich weiterbilden möchte, kann sich unter anderem für das ‚Audi Mitarbeiter-Stipendium’ bewerben", so Ulbrich. Mit dem Förderprogramm können beispielsweise Bachelor-Absolventen ihren Master-Abschluss erwerben.