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Der elektronische Handel bestimmt die IT-Route 2000

07.01.2000
CW-Redakteure blicken in die Kristallkugel (2)

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Selten zeichneten sich die künftigen Anforderungen an die Informations- und Kommunikationstechnik deutlicher ab als zu Beginn des Jahres 2000. Unternehmen müssen ihre Anwendungen und Prozesse auf den elektronischen Handel ausrichten. Doch auf welche Technologien und Standards können sie dabei bauen? CW-Redakteure wagen einen Blick in die Zukunft...

Im zweiten Teil unserer IT-Prognose geht es um die Bereiche Communications, Hardware sowie Karriere. Teil 1 (Software, Internet) finden Sie an gleicher Stelle am vergangenen Mittwoch - falls Sie ihn verpasst haben sollten.

Communications: Zeit zur Revision im Netz

Jetzt ist es endlich da, das besonders von den IT-Verantwortlichen im Vorfeld so gefürchtete Jahr 2000. Die Datumsumstellung ist Schnee von gestern, der Kopf wieder frei für neue Aufgaben. Stellt sich also die Frage, was das neue Millennium in Sachen Telekommunikation und Vernetzung bereithält.

Im Bereich der Telekommunikation stehen jedenfalls einige Weichenstellungen an, die für den Anwender nicht ohne Wirkung bleiben dürften. Anhängig ist zum Beispiel die Entscheidung über ein stärker kostenorientiertes Modell für die Interconnection-Tarife. Die noch Ende 1999 vom Regulierer kurzerhand verordnete Senkung der Gebühren von durchschnittlich 2,7 auf 2,4 Pfennige ist nur provisorisch. Spätestens im Herbst sollten sich alle Beteiligten auf einen neuen Modus Vivendi verständigen. Die neuen Interconnection-Gebühren dürften für die Verbraucher zu moderaten Preissenkungen führen, denkbar ist auch, dass Bandbreite per se erschwinglicher wird. Unterstützung findet dieser Trend durch eine Vielzahl von Glasfasernetzen, die derzeit quer durch Europa gezogen werden. Die Folge: Bandbreite satt.

Spannung verspricht auch der Verkauf des Kabelnetzes der Telekom. Es wird nicht nur interessant sein zu verfolgen, wer in den jeweiligen Regionen den Zuschlag bekommt, sondern auch, ob sich daraus neue Anwendungen generieren lassen. Als Hindernis für den Durchbruch der Kabelmodems könnte sich vorerst jedoch der fehlende Rückkanal des Telekom-Kabelnetzes erweisen.

Wesentlich konkreter und praxisnäher erscheinen hingegen zwei andere Übertragungsverfahren im Local Loop. Die Rede ist vom Richtfunk (Point-to-Multipoint) sowie Asynchronous Digital Subscriber Line (ADSL). Beide Technologien stellen attraktive, breitbandige Alternativen dar, die in 2000 den Kinderschuhen entwachsen sollten. Sie werden im Ortsnetz jedenfalls für eine deutliche Belebung des Wettbewerbs sorgen.

Noch keine unmittelbare Auswirkung für den Anwender hat Universal Mobile Telecommunications System (UMTS). Dennoch wirft der Mobilfunkstandard der Zukunft in diesem Jahr seinen Schatten voraus. Im Frühjahr werden nämlich die UMTS-Lizenzen für Deutschland versteigert. Experten rechnen mit einer großen Nachfrage, gilt UMTS doch als Lizenz zum Gelddrucken. Finanzminister Eichel wird sich freuen. Unternehmen sollten die Technologie in ihren langfristigen TK-Planungen schon berücksichtigten. Für konkrete Maßnahmen ist es aber noch zu früh. Relevanter sind dagegen im Augenblick schon das Wireless Application Protocol (WAP) zur Übertragung und Darstellung von Internet-Inhalten auf Handies sowie die GSM-Weiterentwicklungen General Packet Radio Service (GPRS) und Enhanced Data Rates for GSM Evolution (EDGE), die einen Datentransfer von 115 Kbit/s beziehungsweise 384 Kbit/s erlauben und in diesem Jahr angeboten werden sollen. Ihr Handicap: Ebenso wie UMTS erfordern sie den Austausch von Endgeräten.

Langsam, aber sicher können sich Unternehmen in diesem Jahr auch schon mal mit der Integration ihrer Sprach- und Datennetze auf Basis der Internet Protocol (IP) vertraut machen. Erste Produkte sind mittlerweile verfügbar. Für Installationen in großem Stil ist die Zeit jedoch noch nicht reif. Allerdings spricht nichts dagegen, das Jahr 2000 für erste Pilotanwendungen zu nutzen.

Endgültig keine Zukunftsmusik mehr sollte ab März das Netzbetriebssystem Windows 2000 samt seinem Verzeichnisdienstes Active Directory sein. Die Einführung dürfte aus Sicht der Netzwerker mit Sicherheit eines der Highlights des Jahres darstellen, tritt doch Microsoft damit nicht nur gegen den Platzhirsch Novell mit seinen Novell Directory Services an, sondern auch gegen das eigene bisherige Domain-Modell von Windows NT. Dem Markführer Novell wiederum droht nicht nur durch Bill Gates, sondern auch durch die Meta-Directories Gefahr. Diese Überverzeichnisse könnten insbesondere durch den Trend zum E-Commerce und E-Business einen ungeahnten Boom erleben, weil sie am besten in der Lage sind, die komplexen und weitreichenden Geschäftsprozesse in IT-Umgebungen abzubilden.

Der Trend zum Online-Business drückt auch dem System-Management seinen Stempel auf. Die Reichweite der angebotenen Lösungen kann nicht mehr an den Unternehmensgrenzen enden. Viel mehr müssen die Tools künftig auch die IT-Infrastruktur externer Handelspartner abbilden, sofern sie Teil der für den elektronischen Handel definierten Prozesskette sind. Erste Lösungen in Form von Agenten, die als Java-Applets auf externen Rechnern residieren, gibt es bereits.

Wenig Neues tut sich hingegen im LAN. Dort hat sich Ethernet in all seinen Schattierungen eingenistet. Fast Ethernet ist mittlerweile die Norm, Gigabit Ethernet im Kommen und mit 10-Gigabit-Ethnernet zeichnet sich bereits eine weitere Steigerung ab. Ganz anders sieht es beim Token Ring aus, der nun definitiv out ist. Stark im Kommen sind dagegen funkbasierte Übertragungsverfahren wie zum Beispiel Hyperlan von Lucent. Der Grund dafür liegt in den wesentlich höheren Transferraten (11 Mbit/s) und einer zunehmenden Akzeptanz der Anwender für mobile Techniken. Außerdem dürfte die endgültige Standardisierung der Wireless-Technologie Bluetooth für eine weitere Belebung sorgen.

Insgesamt steht in ominösen Jahr 2000 also eine Reihe von Neuerungen an. Allerdings sind sie nicht von solcher Tragweite, dass sie zum sofortigen Umkrempeln der Netze zwingen. Vielmehr bietet sich Administratoren vielleicht die Gelegenheit, in Ruhe und ohne Jahr-2000-Stress eine Revision ihrer Netzwerke vorzunehmen und schon heute die Weichen für 2001 zu stellen.

Peter Gruber, leitender Redakteur Communications und Internet

Hardware: Das Ende der PC-Ära lässt auf sich warten

Als IBM-Chef Louis Gerstner im Februar 1999 einmal mehr das Ende der PC-Ära beschwor, erntete er vielerorts nur ein müdes Lächeln. In der "neuen Ökonomie", so der Chef des weltgrößten Computerunternehmens, würden die hergebrachten Rechner allmählich durch sogenannte Appliances ersetzt. Deren Zweck bestehe einzig darin, Anwendern den Zugang zum weltumspannenden Netz zu verschaffen. Auf Druck seiner eigenen PC-Sparte beschwichtigte der CEO zwar später: Er habe nicht gemeint, die PCs würden verschwinden. Sie stellten künftig aber nur eines von vielen Geräten für den Netzanschluss dar.

Für diese These lassen sich schon jetzt Belege finden. Das Jahr 2000 könnte zum Testfeld für neue Geräteklassen werden - vom Internet-fähigen Handy bis hin zum Multimedia-tauglichen Handheld-Rechner. Selbst Microsoft einer der größten Nutznießer des tradierten PC-Modells, kann sich dieser Entwicklung nicht verschließen. Im November 1999 kündigte Bill Gates den "Web Companion" an. Dieser tragbare Rechner, im wesentlichen ein Internet-Terminal unter dem Betriebssystem Windows CE (jetzt: "Windows-powered"), soll von mehreren Herstellern in unterschiedlichen Varianten gefertigt und vermarktet werden. Erste Geräte kommen Mitte 2000 auf den Markt.

Setzen sich die neuen Devices durch, bedeutete das auch einen Schub in Richtung eines Server-zentrischen IT-Modells mit entsprechend steigendenden Anforderungen an die Maschinen im Backend. Die Server-Hersteller, darunter auch Gerstners IBM, dürften davon profitieren.

Für ein Ende der PC-Ära gibt es jedoch noch kaum konkrete Hinweise. Die roten Zahlen von IBM oder Compaq im PC-Segment zeugen von härteren Wettbewerbsbedingungen, die zum großen Teil auf den Internet-basierten Vertrieb von Konkurrenten wie Dell oder Gateway zurückzuführen sind, nicht aber auf eine sinkende Nachfrage.

Die großen Hersteller reagieren dennoch mit einer Produktoffensive auf das vermeintliche Ende des PC-Booms. Eines der scheinbar neuen Konzepte heißt Internet-PC. Compaq ("Ipaq"), Hewlett-Packard ("E-PC") oder Dell ("Web-PC") wollen solche Rechner im Markt etablieren. Ebenso wie die Protagonisten der Appliances führen die Marketiers die angebliche einfachere Bedienung als Verkaufsargument ins Feld. Mit dem Verzicht auf PC-typische Altlasten ("Legacy-free PC") gaukeln die Anbieter eine neue Geräteklasse vor: die besseren Appliances eben. Auch Intel-Konkurrent AMD geht im Jahr 2000 mit seinem "Easy-Now"-PC auf Werbetour. Der Rechner kommt ohne Diskettenlaufwerke und serielle oder parallele Schnittstellen aus.

Die Initiativen für Rechner, die sowohl hinsichtlich der Funktionen als auch der Ein- und Ausgabemöglichkeiten unterschiedliches Benutzerverhalten berücksichtigen, sind überfällig. Auch die am Körper tragbaren Wearable PCs zeigen in diese Richtung. Trotz dieser Bemühungen steht zu befürchten, dass der wirklich einfach bedienbare PC auch im neuen Jahr ein nicht eingelöstes Versprechen bleibt.

Die Hersteller drehen statt dessen weiter an der Leistungsschraube: Im Jahr 2000 werfen AMD und Intel voraussichtlich erstmals x86-Prozessoren mit mehr als 1000 Megahertz Taktfrequenz auf den Markt. Intels IA-64 CPUs, ebenfalls für das neue Jahr angekündigt, werden zwar innerhalb der nächsten zwölf Monate kommerziell noch keine Rolle spielen. Sie versprechen aber zumindest mittelfristig einen weiteren Leistungsschub. Für die PC-Anbieter ist deshalb auch im neuen Millennium die richtige Kommunikationsstrategie unverzichtbar: Sie müssen erklären, was Anwender mit soviel Performance anfangen sollen.

Wolfgang Herrmann, leitender Redakteur Hardware

Karriere: Die Cappucino-Worker kommen

Das neue Jahr hat erst gerade begonnen. Aber die ersten Begriffe, die die Arbeitswelt in der Informationsgesellschaft charakterisieren, sind bereits da. So spricht Christian Scholz, Professor an der Universität Saarbrücken, von "Darwiportunismus", wenn er das neue Szenario im Berufsleben beschreibt. Die Generation Y, also die erste, die mit dem PC aufgewachsen ist und die es "voll mit der virtuellen Hightech-Welt zu tun bekommt" trifft auf Unternehmen, die "durch das Feuer des globalen Wettbewerbs und des Reengineerings" gehen.

Die Y-Generation ist laut einer Charakterisierung aus den USA "optimistisch, multikulturell, risikobereit, experimentierfreudig, erlebnishungrig, hochinformiert und will per Eigenerfahrung und nicht über traditionelle Wege lernen". Sie scheint aber vor allem eins zu sein: opportunistisch, denn, so der Professor: "Immer steht ganz klar der persönliche Vorteil im Mittelpunkt". Solche Mitarbeiter verfolgten nicht die Ziele ihres Arbeitgebers, sondern nur die eigenen.

Diese Beschäftigten treffen auf Unternehmen, die immer weniger bereit sind, soziale Zugeständnisse zu akzeptieren. Getreu dem darwinistischen Motto vom "survival of the fittest" werden die Schwachen aussortiert, dem "Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt" oder in Frührente geschickt. Scholz´ harte Schlussfolgerung: Überleben wird nur der, der eine eindeutige Kernkompetenz aufweist, also etwas hat, was er besser als andere kann und wofür ein Markt vorhanden ist. "Wer plötzlich ohne Kernkompetenz dasteht, wird aussortiert", so der Saarbrücker Wissenschaftler.

Eine Konsequenz der Entwicklung, wie wir sie bereits heute gelegentlich erleben ist, dass der Mitarbeiter seinen Arbeitgeber dann verlässt, wenn es Letzterem am wenigsten passt - nämlich mitten im Projekt.

Die Bindungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden loser. Das bedeutet, dass es immer mehr Cappuccino- und Portfolio-Worker gibt. Max Zuberbühler, Professor an der Schweizer Fachhochschule Solothurn, meint mit Cappuccino-Beschäftigten solche, die einen festen Arbeitgeber haben, aber nebenbei auf weiteren "Baustellen" tätig sind und ihr Know-how auch anderen Betrieben zur Verfügung stellen. Damit vermindert sich die Abhängigkeit vom festen Arbeitsplatz. Als Portfolio-Beschäftigte bezeichnet der Professor Personen, die "in virtuellen Unternehmen zeitlich befristete Aufträge" übernehmen. Sie kennen keine feste Anstellung, sondern nur das Auftragsverhältnis, verhalten sich im Prinzip also wie die Freiberufler von heute.

Sicher scheint nur, dass sich der Arbeitsmarkt radikal ändern wird. Einer immer kleiner werdenden Stammbelegschaft werden Mitarbeiter in flexiblen Arbeitsverhältnissen gegenüberstehen. Aus fixen Unternehmensorganisationen werden ablauforientierte Projektstrukturen, und der einzelne Mitarbeiter muss danach trachten, seine Kernkompetenzen zu erhalten und auszubauen.

Hans Königes, leitender Redakteur Karriere