Logistik und DV-Infrastruktur müssen Hand in Hand gehen

Der einfache Web-Shop reicht für den Handel längst nicht mehr aus

08.12.2000
BERLIN - Für den Weg ins Web benötigen Handelsbetriebe einen klaren Fahrplan. Mit der schnellen Installation einer Shoplösung ist es in den wenigsten Fällen getan. Adrian Schuster* beschreibt, wie E-Retailing das gesamte Prozessgefüge des Unternehmens beeinflusst und warum es eine individuelle Internet-Strategie voraussetzt.

"Hohe Lagerbestände sind stets ein Ausdruck für ein akutes Informationsdefizit", stellt Axel Kuhn, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik in Dortmund, klar. Wüsste ein Händler genau, was die Kunden wünschen, läge keine Ware im Lager brach. Mit Blick auf ad hoc realisierte Web-Shops warnt Kuhn vor einer "logistischen Atomisierung", bei der viele Aspekte des Warenhandels außer Acht gelassen werden. Doch die Verzahnung der Zulieferkette ist unabdingbare Voraussetzung für funktionierenden E-Commerce. Zu einer erfolgversprechenden Lösung gehört weit mehr als ein Warenkorb im Web - nämlich die Anbindung an eine leistungsfähige Infrastruktur. "Je schneller die Informationsströme fließen, desto schneller müssen auch die Waren- und Güterströme werden", so Kuhn.

Warenverfügbarkeit muss sich erhöhenGefragt sind demnach integrierte Anwendungen mit enger Anbindung an die ERP-Systeme eines Unternehmens. Doch damit nicht genug: Klassische Logistikaufgaben müssen effektiver als bisher gelöst werden. Das Ziel heißt maximale Warenverfügbarkeit bei minimalen Lagerbeständen und deutlich beschleunigten Geschäftsabläufen. Dafür ist es zum Beispiel erforderlich, in Echtzeit auf den Lagerbestand eines Lieferanten zugreifen zu können. Die Prozessintegration über die eigenen Unternehmensgrenzen hinweg wird also zu einer wesentlichen Voraussetzung für umfassendes E-Retailing.

Hier sieht die SAP eine Chance, die hartnäckige Zurückhaltung des Handels in puncto Standardisierung aufzubrechen und die eigene Software an den Retailer zu bringen. Dabei spielt das spät entdeckte Internet eine zentrale Rolle. "Die Internet-Plattform Mysap.com ist für die SAP ein ebenso bedeutsamer Schritt wie der Übergang von R/2 zu R/3", betont SAP-Vorstand Peter Zencke. Zencke fordert zusätzliche Kommunikationsstandards, die es ermöglichen, Transaktionen entlang der kompletten Supply Chain inhaltlich zu interpretieren.

Doch gerade klassische Handelsunternehmen wollen gar nicht so tief in den Netzhandel eintauchen. Die Kaufhof Warenhauskette zum Beispiel wird auch künftig den stationären Filialhandel gegenüber dem Internet als Vertriebskanal favorisieren. "Unser oberstes Ziel bleibt es, möglichst viele Kunden in unsere Kaufhäuser zu locken", erklärt Lovro Mandac, Vorstandsvorsitzender der Kaufhof Warenhaus AG. Entsprechend steht der Internet-Auftritt ganz im Zeichen der Einstimmung auf den Besuch in einer der deutschlandweit 134 Filialen.

Ganz anders die Situation der so genannten Pure Player: Hier werden traditionelle Vertriebswege vollständig gemieden, und der Kundenkontakt verläuft ausschließlich online. Zwischen diesen beiden Polen müssen sich Handelsunternehmen positionieren. In vielen Fällen ist der Mittelweg die beste Wahl: der richtige Mix aus alten und neuen Vertriebskanälen. Dafür ist ein individuelles Multichannel-Konzept vonnöten, das die jeweiligen Sortimentsspezifika ebenso erfasst wie die besonderen Bedürfnisse der avisierten Kundengruppen.

*Adrian Schuster ist freier Journalist in Berlin.