Neue Speichertechnologien/Speicherhersteller blockieren sich und den Markt

Der DVD-RAM-Krieg findet auf dem Rücken der Anwender statt

28.08.1998

Längst könnten billige und gute Laufwerke des Typs Digital Versatile Disc-Random Access Memory (DVD-RAM) auf dem Markt sein, doch die Mitglieder der etablierten Liga der Speicherhersteller stehen sich gegenseitig im Weg, so daß noch kein gemeinsamer Standard in Sicht ist. Im Gegenteil: Der Anwender sieht sich einer immer verwirrenderen Formatvielfalt gegenüber. Alle DVD-Vorschläge sind zudem noch inkompatibel zueinander.

Dabei hatte man sich Ende letzten Jahres nach langen Verhandlungen auf einen gemeinsamen Nenner geeinigt und das DVD-RAM-Konsortium seine Ergebnisse der European Computer Manufacturers Association (ECMA) zur Standardisierung vorgelegt. Dieser Vorschlag, heute allgemein als DVD-RAM-Standard bezeichnet, stellte, so argumentieren jedenfalls die ECMA-Vertreter, den besten Kompromiß zwischen den verschiedenen Herstellervorschlägen dar.

Damals stimmten auch solche Unternehmen für den DVD-RAM-Standard, die nur wenige Wochen später dem Rest des Konsortiums die Zustimmung versagten. Offenbar hatten sie bereits zum Zeitpunkt der Abstimmung Gegenentwürfe in den Taschen. Es konnte der Eindruck entstehen, daß es schon längst nicht mehr um die Technologieentwicklung an sich ging, sondern um den größten Einfluß auf den Speichermarkt.

Eine Schlacht der Formate

Sony und Philips waren die ersten, die den Fehdehandschuh warfen, sich vom gerade verabschiedeten DVD-RAM-Standard distanzierten und bei der ECMA einen Gegenvorschlag namens DVD+RW einreichten. Kurz danach schlossen sich dem auch HP, Yamaha, Ricoh und später Mitsubishi an und beteiligten sich ebenfalls an dem Gerangel um DVD-RAM, den Standard, den sie zuvor mitgetragen hatten.

Kurz darauf stieg NEC aus und verkündete seine eigene DVD-Weisheit namens Multi Media Video File (MMUF). Die NEC-Technologie unterscheidet sich hinsichtlich Modulation, Bitlänge und Spurabstand am meisten vom bisherigen DVD-RAM-Standard und soll einmal, wenn denn der Theorie die Praxis folgt, die doppelte Kapazität pro Scheibe bieten.

Im Spätherbst folgte dann auch Pioneer mit einem weiteren Gegenentwurf namens DVD/RW. Schade, daß sich auch dieses Unternehmen auf den Krieg einläßt, denn gerade die Japaner waren schon sehr früh federführend bei der Entwicklung des DVD-RAM-Standards und hatten wichtige Innovationen und viel Know-how beigesteuert.

Allen vier Formaten ist eines gemeinsam: sie müssen kompatibel zu CD-ROM, DVD-ROM und DVD-Video sein. Das erzwingt gewisse Gleichförmigkeiten. So sind Aufzeichungsmedium, physisches Aufzeichnungsverfahren (Phase-change, PD) sowie Substrat und Substratdicke (0,6 Millimeter) bei allen Konkurrenten gleich. Doch gerade bezüglich des für den Anwender interessantesten Parts unterscheiden sich die Verfahren deutlich. Die markantesten Unterschiede finden sich nämlich in der maximalen Speicherkapazität: DVD-RAM liegt mit beidseitig 5,2 GB am niedrigsten, gefolgt von DVD+RW mit 6 GB, DVD/RW mit 7,9 GB und MMVF mit 10,4 GB.

Die scheinbar vorteilhaft hohen Speicherkapazitäten sind jedoch nur Augenwischerei, denn bis die ersten Geräte gemäß den neuen Vorschlägen auf dem Markt sind (frühestens Anfang nächsten Jahres), könnten die DVD-RAM-Vertreter inzwischen die zweite Generation mit nahezu doppelter Schreibdichte beziehungsweise Zwei-Ebenen-Technik fertig haben (9,4 GB).

Ansonsten unterscheiden sich die vier Verfahren, was die Anwendung angeht, nur unwesentlich. Sicher gibt es bezüglich Modulation, Speicherdichte, Spurschema, Fehlerkorrektur und Tracking technologische Unterschiede, doch haben diese keinen Einfluß auf die Leistungsfähigkeit.

Wesentlicher sind die Unterschiede hinsichtlich der Schreib-Lösch-Zyklen. So sollen die DVD+RW-Scheiben von Sony und Philips zunächst nur etwa tausendmal beschreibbar sein. Danach ist der Datenträger Müll. Das ist kaum eine für die Zukunft vertretbare Technologie! Auch Pioneer bietet mit DVD/RW nicht mehr. Hundertmal häufiger läßt sich hingegen die DVD-RAM beschreiben. Deren 100 000 Zyklen dürften für jede Anwendung ausreichen, auch wenn das Medium täglich als Online-Massenspeicher verwendet wird. Noch eins drauf setzt NEC. Dessen Verfahren erlaubt die Nutzung einer MMVF-Disk bis zu 500 000mal, was jedoch nur für spezielle Profianwendungen relevant ist. Nicht einmal Jukebox-Hersteller gehen von solch hohen Zugriffszahlen aus.

Nur tausendmal beschreibbar

Anwendungsbezogene Unterschiede gibt es auch bezüglich der Schubladentechnik der verschiedenen Vorschläge. DVD-RAM und MMVF verwenden eine Cartridge, was besonders im mobilen Betrieb und bei senkrechter Montage erhebliche Vorteile hat. DVD+RW und DVD/RW hingegen werden die Disk "nackt" aufnehmen. Dadurch lassen sich zum Beispiel schon aus konstruktiven Gründen keine PD-Speichermedien, die mit Cartridge kommen, verwenden. DVD-RAM hingegen bietet von Anfang an mit dem Panasonic-Laufwerk eine PD-kompatible Lösung an, die auch ältere PD-Archive nutzen kann.

Angeklickt

Die DVD-RAM-Standardisierung verläuft bisher nicht anwenderfreundlich: Vier Konzept konkurrieren, die sich jedoch ihrem Nutzen für den Benutzer nicht in allen wichtigen Punkten stark unterscheiden. Nachdem sich die Hersteller bereits auf eine gemeinsame Norm geeinigt hatten, wird nun aus kleinkariertem Egoismus ein Zukunftsmarkt blockiert.

Michael Funk ist freier Journalist in Partenheim bei Mainz.