Drei-Minirechner-Netzwerk hilft Gießener Uni-Medizinern, Patientendaten im Griff zu haben:

Der dritte Mini betreut die Blut-Datenbank

21.08.1981

Ist von Computern in der Medizin die Rede, so mag mancher Laie immer noch an einen "blechernen Dr. Eisenbart" denken, der - zumindest irgendwann in ferner Zukunft - den vertrauten Doktor überflüssig machen könnte (in Science-Fiction-Stories spielen solche Visionen bekanntlich eine große Rolle). In der Praxis indes ist die Rolle der EDV in den Bereichen Arzt und Krankenhaus weit bescheidener, nämlich vor allem auf das Verwalten der Patienten-, Behandlungs- und Labordaten etc. beschränkt. Doch wie man das effizient macht, ist auch ohne futuristische Visionen interessant genug.

Ein Beispiel für eine moderne, schrittweise gewachsene "Medizin-DV" ist das Drei-Rechner-Netzwerk am Institut für Medizinische Statistik und Dokumentation der Justus-von-Liebig-Universität in Gießen. Nicht daß die Ärzte etwa das Diagnostizieren dort nun dem Rechner überlassen wollten - sie sind schon froh, wenn ihnen Routinearbeiten wie

- das Abspeichern aller wichtigen Patientendaten bei der Aufnahme,

- die korrekte Erfassung und Zuordnung der jeweiligen Labordaten,

- das Aufbauen und korrekte Führen einer Blut-Datenbank

- und die irrtumssichere Koordinierung der einzelnen, aufeinander bezogenen Dateien

von Automaten abgenommen werden und ihnen per Saldo - zumindest in der Theorie - mehr Zeit für Beratung und Behandlung ihrer Patienten bleiben kann.

In Gießen übernimmt ein Netz von drei ATM-Computern diese Aufgaben, wobei die Installateure des Systems großen Wert darauf legten, allen befugten Stellen bequeme Zugriffsmöglichkeiten zu den verteilt auf Platten und Bändern gespeicherten Daten an die Hand zu geben. Auch ist gerade in einem so sensiblen Bereich wie der ärztlichen Behandlung von Menschen ein hoher Grad an Ausfallsicherheit anzustreben gewesen, mußten also zuverlässige Backup-Techniken angewandt werden.

Die heutige Gießener Installation geht auf Anfänge aus den Jahren 1976/77 zurück; damals wurden zunächst Modcomp-lV-Rechner installiert. Inzwischen kam am genannten Institut ein ATM 78-62 mit 256 KB und zwei 50-MB-Platten dazu.

Von den jetzt drei Rechnern ist jeder von Haus aus Spezialist für einen ganz bestimmten Bereich, nämlich erstens die Führung der Patientendaten zweitens die Erfassung und Zuordnung der Labordaten und drittens den Aufbau und Betrieb der Blut-Datenbank.

Bei der Verwaltung der Patientendaten an einer Klinik ist es eine der wichtigsten Aufgaben, jedem Patienten gewissermaßen durch alle einzelnen klinischen Stationen, die er während seines Klinikaufenthaltes etwa zur Diagnose durchläuft, "nachzufolgen", mit dem Datenbestand also stets auf dem aktuellen Stand zu bleiben und dafür zu sorgen, daß alle nötigen Abfragen und Ergänzungen unter möglichst einheitlichem Zugriff erfolgen können.

Gerade bei größeren Kliniken mit einer Vielzahl von Fachabteilungen und einem großen Durchsatz an Patienten pro Tag bedeutet das bereits bei der Systemanalyse intensive und vorausschauende Vorarbeiten. Zumal heute auch mehr denn je Wert auf strikte Zuverlässigkeit in puncto Datensicherung und Datenschutz (Arztgeheimnis) gelegt wird.

Im medizinischen Bereich sind die von einem Labor ermittelten Daten manchmal gleichbedeutend mit Entscheidungen über Leben und Tod, weshalb zumindest wichtige Daten vom Gießener Labor-Rechner stets auf zwei getrennten Massenspeichern abgelegt werden. Alle Daten werden über eine Identifizierungsnummer eindeutig dem entsprechenden Patienten zugeordnet.

Um die Sicherheit noch weiter zu steigern, werden die kritischen Daten nicht nur auf getrennten Speichern gehalten, sondern man sorgt dafür, daß diese beiden Speicher jeweils zwei verschiedenen Rechnern zugeordnet sind, wobei natürlich bei Ausfall des einen Systems das andere immer noch Zugriffsmöglichkeiten besitzt.

Mehr noch: Zum dritten Rechner, dem ATM 78-62 des Instituts für Statistik, bestehen von jedem der anderen Rechner aus schnelle Datenleitungen mit 9600 Baud, wodurch dieser gewissermaßen als koordinierendes Informationssystem fungieren und mithin jede einzelne Datenendstation, so ist einer technischen Erläuterung zu entnehmen, auf die Informationen aller drei Rechner zugreifen kann.

Auch ein Sicherheits-Plus, was die Verwechslungsgefahr angeht, ist die Verwendung von OCR-Etiketten in Verbindung mit den Laborproben: Sie werden mit der Patientennummer sowie einer weiteren laufenden Nummer versehen (OCR-Drucker) und mit Klarschrift-Lesepistolen abgefragt.

Gerade weil das Netzwerk in Gießen von jeder Datenendstation aus den Zugriff gestattet, kommt den implementierten Identifikationsroutinen eine große Bedeutung im Sinne des Datenschutzes zu. Sie sorgen dafür, daß nur der an die Informationen herankommt, der das wirklich darf.

Beim Systemlieferanten ATM betont man, daß der schrittweise Aufbau des jetzigen Netzwerks mit Minicomputern beziehungsweise Prozeßrechnern der Uni nicht nur finanzielle Vorteile bot, auch in puncto Leistungsfähigkeit biete dieses Vorgehen ein hohes Maß an Flexibilität. Im übrigen haben die Gießener primär Wert auf hohe Effektivität ihres Systems gelegt, um den - sonst leicht ins Riesenhafte wachsenden - Aufwand für die Eigenverwaltung der Rechnersysteme in sinnvollen Grenzen zu halten.