Der Dinosaurier lebt

10.01.2007
Von Jörg Lenuweit
Groß, mächtig und bewährt - seit rund einem Jahr erlebt die graue Eminenz des Server-Markts ein Revival.

Neue Marktzahlen zeigen: Großrechnersysteme gewinnen als Multi-Purpose-Systeme immer mehr Anhänger. Gerade in Bezug auf Trends wie SOA, Virtualisierung, Standards, Energieverbrauch und Kühlung verfügt das Server-Urgestein heute über einen beträchtlichen Technologievorsprung.

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Die aktuellen Marktzahlen von IDC vermerken für das dritte Quartal 2006 eine deutliche Belebung des Server-Geschäfts im Vergleich zum Vorjahr: Um fünf Prozentpunkte wuchs der Markt, wobei die positive Entwicklung vor allem durch höhere Umsätze im Bereich der Highend-Maschinen getragen wurde. Rund 854 Millionen Dollar setzten die Hersteller im Herbst mit den Großrechnern um - gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahrs bedeutet das ein Wachstum von rund 14 Prozent.

Besser ausgelastet

Woher kommt das neuerliche Interesse an den Großrechnern, die viele schon gar nicht mehr auf der Rechnung hatten? Sicher, da sind auf der einen Seite ihre Tugenden wie hohe Sicherheit und Verfügbarkeit sowie die multiplen internen I/O-Prozessoren (Input/Output) und die ausgereifte Virtualisierungstechnik. Durch sie bietet der Mainframe im Vergleich zu anderen Server-Plattformen eine sehr gute Auslastung. Laut einem aktuellen Bericht der Robert Frances Group liegt diese bei 85 Prozent - während die Windows-Intel-Plattform durchschnittlich nur zu 15 Prozent ausgenutzt wird. Geringe Personalbetriebskosten und starke Management-Tools sorgen zudem für eine hohe Servicequalität und wirken sich ebenfalls günstig auf die Gesamtkosten aus.

Und wer spezielle Anwendungen auf dem Mainframe betreiben will, der muss dank der "Speciality Engines" nicht mehr tief in die Taschen greifen: Bestimmte Arbeitslasten werden von speziellen Prozessoren erledigt, die bei IBM aus dem kapazitätsabhängigen Preismodell des Mainframes ausgenommen sind. Auf diese Weise kann der Anwender kostengünstig Linux-Anwendungen mit den "Integrated Facilities for Linux" (IFL) beziehungsweise Java-Anwendungen mit den "System z Application Assist Processors" (ZAAP) auf seinem Mainframe betreiben. In jüngster Zeit wurde dieses Modell durch die "System z Integrated Information Processors" (zIIPs ) ausgeweitet. Damit können die Zusatzprozessoren auch Anteile von Datenbank-Workloads etwa für BI-, ERP- oder CRM-Anwendungen übernehmen, was die Rechnerkapazitäten noch effizienter auslastet. All dies zusammen sorgt dafür, dass der Mainframe hinsichtlich der TCO besser dasteht als verteilte Server-Strukturen.

Die Speciality Engines geben einen Hinweis auf einen weiteren Grund für die gestiegene Mainframe-Nachfrage: Der Großrechner verfügt bereits über die Eigenschaften, die im Zeitalter von SOA in aller Munde sind. Heute hat der Mainframe sein Serviceangebot erweitert und kann als zentraler Enterprise-Hub für verschiedene "Realtime"-Anwendungen dienen, sprich als Basis für eine Service-orientierte Architektur.

Positive Energiebilanz

Prädestiniert dafür ist der Mainframe schon allein durch sein hohes Integrationsvermögen. Das IBM-System z9 bietet zum Beispiel eine IT-Plattform, auf der sich durch die DB2-Version 8 sowie durch den zIIP und den IFL eine SAP-Anwendungslandschaft auf nur einem einzigen System konsolidieren lässt. Hinzu kommt die Unterstützung offener Standards wie XML System Services oder von 64-Bit-Java-Virtual-Machines. Zudem wird der Großrechner mehr und mehr für Standardanwendungen geöffnet, etwa durch den Support der Oracle-Datenbank in Linux oder die fortlaufende Entwicklung als Plattform für SAP.

Auch hinsichtlich des Trendthemas Energieverbrauch kann der "Server-Saurier" eine im Vergleich zu anderen Systemen positive Bilanz ziehen. So können auf dem modernen z9-Server mehrere hundert virtuelle Server in einem einzigen physischen System dargestellt werden. Dabei verbraucht ein einzelnes 54-Wege-System nur etwa 35 Kilowatt Strom - bei 80-prozentiger Auslastung. Verteilte Systeme benötigen ein Mehrfaches an Energie. Hier kommt dem Mainframe die frühe Beschäftigung mit geeigneten Kühlsystemen für den Hochleistungsbereich zugute. Andere Hersteller übernehmen erst heute die für den Mainframe entwickelten und bereits seit langem eingesetzten Techniken wie etwa die Wasserkühlung.

Wieder mehr Mainframe lernen

Dass dem Trend zum Mainframe auch in Zukunft nicht die Puste ausgeht, dafür werden bereits jetzt die Weichen gestellt: Weitere Öffnungen für Standardlösungen für viele Branchen und vor allem im Linux-Umfeld sind vorgesehen. Zudem kümmert sich IBM verstärkt um den Mainframe-Nachwuchs an den Universitäten, denn auch hier gilt es, den Großrechner aus der Ecke des großen Unbekannten herauszuholen. IBM bietet hier zum Beispiel spezielle Programme im Rahmen der Summer-University.

Und nicht zuletzt sollen in naher Zukunft auch kleinere und mittelständische Unternehmen mit dem Mainframe - traditionell eher eine Domäne der Großunternehmen - gewinnbringend arbeiten können. Fazit: An Aussterben ist nicht zu denken, der Mainframe präsentiert sich groß, mächtig und äußerst vital. (kk) u