Digital Twins Legal FAQ

Der Digitale Zwilling aus rechtlicher Sicht

19.03.2020
Von    und
Christian Kuss ist Rechtsanwalt der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt auf IT- und Datenschutzrecht.
Kuuya Chibanguza ist Experte in Fragen der Minimierung von (Produkt-)Haftungsrisiken im digitalen Kontext. Er gibt regelmäßig Workshops insbesondere zur Risikominimierung im Einkauf und Vertrieb. Zudem berät der Rechtsanwalt nationale und internationale Mandanten im Handels- und Vertriebsrecht. Besondere Expertise hat er bei der Beilegung von gerichtlichen sowie außergerichtlichen Streitigkeiten erworben. Er ist zudem Direktor des Interdisziplinären Instituts für Automatisierte Systeme e.V.
Digital Twins – oder Digitale Zwillinge – versprechen viele Vorteile für Unternehmen. Allerdings sollten Sie vor deren Einsatz einige rechtliche Fragen bedenken.

Digitale Zwillinge erleichtern die Gestaltung von Produkten und Prozessen. Die Vorteile dieser neuen Technologie sind schier unbegrenzt. Noch nicht abschließend geklärt ist jedoch, welche rechtlichen Herausforderung mit dieser digitalen Neuerung einhergehen. Dieser Artikel gibt Ihnen einen ersten Überblick, welche rechtlichen Fragen zu bedenken sind, wenn Digital Twins zum Einsatz kommen.

Mit Hilfe von Digital Twins können Unternehmen zahlreiche Vorteile erschließen. Dabei sind allerdings einige rechtliche Fragen zu bedenken.
Mit Hilfe von Digital Twins können Unternehmen zahlreiche Vorteile erschließen. Dabei sind allerdings einige rechtliche Fragen zu bedenken.
Foto: Chesky - shutterstock.com

Was ist ein Digitaler Zwilling?

Ein Digitaler Zwilling simuliert ein Objekt oder einen Prozess im virtuellen Raum. Dabei ist es unerheblich, ob das Objekt bereits tatsächlich erschaffen wurde oder nur in der Vorstellung existiert. Es lassen sich im Ergebnis alle Objekte virtuell spiegeln: einfache Bauteile, komplexe Maschinen, Industrieanlagen, Entwicklungs- und Fertigungsprozesse, aber auch menschliche Organe.

Mit Hilfe eines Digital Twin kann untersucht werden, wie sich das Objekt verhält, würde es real existieren. Im virtuellen Raum erhält der Digitale Zwilling die gleichen Eigenschaften, wie sein Pendant in der realen Welt. Auch die virtuelle Umgebung wird so geschaffen, dass sie den Anforderungen im realen Einsatzszenario entspricht. Neben den anwendbaren Naturgesetzen gehören hierzu bestimmte, vom Kontext des geplanten Einsatzes abhängige, Gegebenheiten.

Zum Beispiel kann simuliert werden, wie sich ein Bauteil auf der Erde oder auf dem Mond verhält oder wie sich dieses bei einem Einsatz in einem Flugzeug, einem Auto oder der Eisenbahn verhält, welche spezifischen Belastungen in dem Einsatzkontext wirken und wie das Bauteil angepasst werden muss, um den Anforderungen des konkreten Einsatzzwecks zu genügen.

Voraussetzung dafür, dass ein Digital Twin erschaffen werden kann, ist, dass ausreichend Daten zur Verfügung stehen, um die gewünschten Anforderungen zu simulieren. Zunächst sind hierfür Daten erforderlich, die die konkreten physikalischen Eigenschaften des Objekts wiedergeben, zum Beispiel Maße und Gewicht. Neben diesen statischen Eigenschaften sind aber auch Informationen über die dynamischen Eigenschaften des abzubildenden Objekts relevant. Hierbei geht es um Informationen, die sich aus dem konkreten Einsatz des Objekts ergeben, zum Beispiel das Verhalten einer Flugzeugturbine während des Fluges oder des Herzens, während es Blut durch den Körper pumpt. Diese Informationen müssen in der Regel erst gewonnen oder zumindest von verschiedenen Beteiligten eingesammelt werden, um einen Digitalen Zwilling erschaffen zu können.

Wie schützt man Digital-Twin-Daten?

Die Informationen sind regelmäßig nicht frei verfügbar. Der Datenbesitzer wird die Informationen nur zur Verfügung stellen, wenn eine Vereinbarung mit diesem getroffen wurde. Dies folgt in der Regel aus der Macht des Faktischen: Ohne eine entsprechende Vereinbarung stehen die Daten faktisch nicht zur Verfügung. Eine Rechtsposition im Sinne eines Dateneigentums besteht jedoch nicht. Das aktuelle Recht sieht ein Eigentum an Informationen nicht vor. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber ein solches Dateneigentum schaffen wird.

Allerdings können andere Rechtspositionen als das Eigentum betroffen sein, wenn Informationen im Rahmen eines Digitalen Zwillings verarbeitet werden. Zu denken ist hier zunächst an das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, wenn Informationen verarbeitet werden, die sich auf natürliche Personen beziehen lassen. Dann müssen die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eingehalten werden: Es kann erforderlich sein, dass die betroffenen Personen einwilligen müssen. Zudem sind die besonderen Vorgaben zu beachten, die eingreifen, wenn Gesundheitsdaten verarbeitet werden sollen.

Neben dem Datenschutzrecht können aber auch andere Rechtspositionen berührt sein. Sind die Informationen in einer Datenbank gespeichert, müssen die Rechte des Betreibers der Datenbank beachtet werden. Werden Texte oder Bilder vervielfältigt oder bearbeitet, können auch hier Urheberrechte berührt sein. Spannende Rechtsfragen stellen sich, wenn ein Digital Twin geschützte Objekte über eine Virtual- oder Augmented-Reality-Lösung abbildet. Handelt es sich dann um einen Urheberrechtsverstoß? Geben die Informationen ein Geschäftsgeheimnis wieder? Sind Vertraulichkeitspflichten einzuhalten?

Wie schützt man einen Digitalen Zwilling?

Ist der Digitale Zwilling erschaffen und soll er Dritten zur Verfügung gestellt werden, stellt sich die Frage, ob er rechtlich davor geschützt werden kann, dass er vervielfältigt, weitergegeben oder dass relevante Informationen daraus ausgelesen werden. Die Antwort gestaltet sich nicht ganz einfach: Der dem Digital Twin zugrundeliegende Programmcode ist als Computerprogramm im Sinne des Urheberrechts geschützt. Dieser Schutz erstreckt sich aber nur auf den konkreten Programmcode. Die zugrundeliegenden Ideen, der Algorithmus aber auch das Design sind von diesem Schutz nicht erfasst.

Das bedeutet nicht, dass die grafische Darstellung des Digitalen Zwillings nicht schutzfähig ist. Sie kann jedoch nicht als Computerprogramm geschützt werden. Insoweit kommt ein Schutz als filmähnliches oder lichtbildähnliches Werk nach dem Urheberrecht in Betracht. Ähnlich wie bei Computerspielen und Computeranimationen ist wohl auch bei Digital Twins unklar, in welche Werkkategorie sie einzuordnen sind. Im Ergebnis besteht allerdings die Möglichkeit, dass auch die grafische Darstellung des Digitalen Zwillings im Wege des Urheberrechts geschützt ist.