Das IT-Jahr 2012

Der COMPUTERWOCHE Jahresrückblick

22.12.2012
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Börsengang des Jahres

Wie Microsoft auf Windows 8 fieberten die Börsianer ihrem Höhepunkt des Jahres entgegen: dem Börsengang des weltgrößten sozialen Netzwerks Facebook. Die Erwartungen im Vorfeld überschlugen sich regelrecht. Es sollte der größte Börsengang einer Internet-Firma überhaupt werden. Die Phantasien rund um den Firmenwert schraubten sich bis in Höhen von bis zu 100 Milliarden Dollar.

Foto: Alex Mit, Shutterstock.com

Zunächst schienen die Träume wahr zu werden: Facebook legte im Mai 2012 den größten Internet-Börsengang aller Zeiten hin. Die Aktien wurden dem Unternehmen zum Höchstpreis von 38 Dollar aus den Händen gerissen. Insgesamt nahmen das Unternehmen und seine Eigentümer rund 16 Milliarden Dollar ein. Der Börsenwert schoss aus dem Stand auf rund 104 Milliarden Dollar, mehr als die deutschen Schwergewichte Adidas, BMW und die Deutsche Bank zusammen.

Doch die Freude der Börsianer währte nicht lange: Nach nur wenigen Tagen notierte das Papier bei nur noch 33 Dollar. Mehr als 13 Milliarden Dollar Börsenwert hatten sich pulverisiert. Und die Talfahrt ging weiter, der Aktienkurs lag im September 2012 bei nur noch 17,73 Dollar. Finanzexperten berichteten, seit 2007 sei kein Börsengang so schlecht gelaufen wie der von Facebook.

Dazu kamen Querelen wegen technischer Probleme rund um den Börsengang. Händler an der Technologiebörse Nasdaq beschwerten sich über Probleme mit dem Trading-System, so dass sie Papiere nicht rechtzeitig losschlagen konnten. Außerdem mehrten sich Zweifel am Geschäftsmodell von Facebook. Zwar durchbrach das Netzwerk die Grenze von einer Milliarde Nutzer. Experten monierten aber das Fehlen einer mobilen Geschäftsstrategie. Die vielen User, die via Smartphone und Tablet auf das Netz zugreifen - inzwischen weit über 500 Millionen -, brächten Facebook wenig Umsatz. Inzwischen hat sich das Papier wieder berappelt. Die Investoren scheinen nun zu glauben, dass Facebook die richtigen Antworten auf das Geschäft mit mobiler Werbung gefunden hat.

Nicht alles Gold, was glänzt

Dass im Internet längst nicht alles Gold ist, was glänzt, bekam auch Groupon zu spüren. Der Anbieter von Rabatt-Coupons war 2011 mit großen Erwartungen und vielen Vorschusslorbeeren an der Börse gestartet. 2012 folgte die Ernüchterung. Die Geschäfte kamen nicht so ins Rollen, wie es sich die Anteilseigner vorgestellt hatten. Unter dem Strich fielen ein ums andere Mal Verluste an. Darüber hinaus musste das Unternehmen Bilanzzahlen nachträglich nach unten korrigieren. Das kam an der Börse nicht gut an. In der Folge geriet der Kurs der Aktie ins Rutschen - bis auf zuletzt unter fünf Dollar. Zum Börsengang hatte die Aktie noch 20 Dollar gekostet.

Urteile des Jahres

Wie umkämpft die Märkte mittlerweile sind, zeigte sich 2012 auch daran, wie heftig so manche Hersteller ihre Streitigkeiten in Prozessen ausfochten. Im spektakulärsten Fall setzte sich Apple im kalifornischen Patentprozess gegen Samsung durch. Die Geschworenen stellten die Verletzung mehrerer Patente für iPhone und iPad durch zahlreiche Samsung-Geräte fest und sprachen Apple einen Schadenersatz von rund einer Milliarde Dollar zu. Samsung erklärte aber, das letzte Wort in dem Fall sei noch nicht gesprochen. Beide Protagonisten haben sich weltweit an verschiedenen Orten gegenseitig mit Klagen überzogen.

Verloren hat auch Oracle, und zwar die erste Runde im Itanium-Rechtsstreit mit HP. Ein US-Gericht hat entschieden, dass Oracle vertraglich verpflichtet sei, weiterhin Software für HP-Server mit den Itanium-Prozessoren von Intel zu entwickeln. Oracle kündigte indes Berufung an und beharrte weiter auf dem Standpunkt, hereingelegt worden zu sein. Der Rechtsstreit geht zurück auf eine Ankündigung von Oracle vom März 2011, keine neuen Versionen seiner Software mehr für die Itanium-Server von HP zu entwickeln. HP seinerseits verklagte Oracle daraufhin mit der Begründung, eine Klausel aus der Einigung in einem anderen Prozess verpflichte Oracle dazu, seine Datenbank weiter für Itanium anzubieten.

Ein anderes Urteil könnte Softwarehersteller wie Oracle noch ziemlich beschäftigen. Gebrauchte Softwarelizenzen dürfen nach einem EU-Urteil generell weiterverkauft werden. Auch dann, wenn Kunden die Software aus dem Internet herunterladen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden.

Ware des Jahres

Angesichts der vielen Prozesse waren 2012 wie schon im Vorjahr Patente ein gefragtes Handelsgut. Facebook hatte sich beispielsweise im Vorfeld seines Börsengangs für einen nicht genannten Betrag rund 750 Patente von IBM gesichert. Ein Schutz gegen Klagen war dies allerdings nicht. So zerrte Yahoo die Verantwortlichen des sozialen Netzwerks wegen angeblicher Patentrechtsverletzungen vor den Kadi. Der Internet-Pionier beansprucht für sich, eine ganze Reihe grundlegender Funktionen sozialer Netzwerke erfunden zu haben. Facebook indes schlug zurück und verklagte Yahoo - ebenfalls wegen angeblicher Patentverletzungen. Der insolvente Fotopionier Kodak versuchte sein Patentportfolio zu versilbern, um Kapital für einen Neuanfang zu bekommen. Allerdings brachte eine Auktion im Sommer nicht das gewünschte Ergebnis. Aktuell sind wohl Apple und Google an den Rechten interessiert.

Unterdessen wurden im Lauf des Jahres Stimmen lauter, die forderten, den Patentkriegen Einhalt zu gebieten. Cisco-CEO John Chambers sprach sich für eine grundlegende Reform aus. Er würde das bestehende US-Patentsystem am liebsten "über den Haufen werfen und ganz von vorn anfangen". Es sei ein einziges Durcheinander. "Patent-Trolle" würden der Wirtschaft enorme Kosten aufbürden. Zuvor hatte Amazon-Gründer Jeff Bezos an die Gesetzgeber appelliert, das Patentrecht auf den Prüfstand zu stellen. Die Schlachten seien nicht gut für die Gesellschaft.

Skandal des Jahres

Während Firmen wie Apple mit ihren Produkten Milliarden verdienten, ging es bei Fertigung und Produktion in Fernost nicht immer mit rechten Dingen zu. Gerade die chinesischen Werke von Foxconn standen immer wieder wegen Missständen in der Kritik. Eine Serie von Selbstmorden hatte verschiedene Arbeitsschutzorganisationen alarmiert. Berichte über Kinderarbeit lösten weltweit Empörung aus. Für weitere Negativ-Schlagzeilen sorgten die chinesischen Foxconn-Werke, als Mitte des Jahres hunderte Mitarbeiter randalierten und die Produktion tagelang stillstand.

Apple reagierte: Zu Jahresbeginn trat das Unternehmen der Fair Labor Association (FLA) bei und versprach mehr Transparenz in seiner Zulieferkette und faire Beschäftigungsverhältnisse. Vor wenigen Wochen kündigte das Unternehmen dann überraschend an, bestimmte Produkte künftig in den USA produzieren zu wollen.