Das IT-Jahr 2012

Der COMPUTERWOCHE Jahresrückblick

22.12.2012
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Verlierer des Jahres

Zunehmend nervös angesichts des Paradigmenwechsels wird auch so mancher Anbieter - beispielsweise in den Reihen der Chiphersteller. AMD, ohnehin schon lange unter massivem Druck seitens des Marktführers Intel, beklagte in den zurückliegenden Quartalen Umsatzeinbrüche und rote Zahlen. Zuletzt kamen sogar Gerüchte über einen Verkauf des Traditionsunternehmens auf. Wie AMD leidet aber auch Intel darunter, sich mit seinen Prozessoren zu sehr auf das klassische Computing konzentriert zu haben. Der Halbleiterprimus meldete zuletzt stagnierende Umsätze und rückläufige Gewinne. Beide Hersteller haben den Anschluss an das mobile Geschäft verpasst.

In den Smartphones und Tablets arbeiten Chips von Nvidia und Qualcomm. Die Geschäfte der Spezialisten für mobile Chips legten im abgelaufenen Jahr deutlich zu. Das Gros der Prozessoren für mobile Endgeräte basiert auf Entwicklungen von ARM. Gute Rechenleistung bei gleichzeitig niedrigem Stromverbrauch sprechen für die Produkte des britischen Chipdesigners. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider. Quartal für Quartal konnten die ARM-Verantwortlichen zweistellige Zuwachsraten bei Umsatz und Gewinn vermelden.

Während sich das Branchen-Urgestein Intel zumindest noch sicher in den schwarzen Zahlen halten konnte, gerieten andere Schwergewichte deutlich ins Schlingern. Nicht zur Ruhe kam das gesamte Jahr über Hewlett-Packard. Die neue Konzernchefin Meg Whitman, die die undankbare Aufgabe übernehmen musste, den Scherbenhaufen zu kitten, den ihr die Vorgänger hinterlassen hatten, begann zunächst einen Konzernumbau: PC- und Druckersparte wurden zusammengelegt. Böse Zungen behaupteten, diese Maßnahme diene nur dazu, die desaströsen PC-Ergebnisse zu verschleiern. Außerdem hob Whitman eine neue Enterprise Group aus der Taufe, in der die Bereiche Enterprise Server, Storage, Netzausrüstung sowie Technology Services mit dem Großkundenvertrieb zusammengelegt wurden.

Geholfen haben die Maßnahmen wenig. Im dritten Fiskalquartal fiel wegen gigantischer Abschreibungen auf die Servicesparte und rückläufiger Geschäfte in den Kernsparten PCs und Drucker ein Defizit von über 8,8 Milliarden Dollar an. Das Management kündigte daraufhin an, die Produktportfolios aufzuräumen. Doch schon ein Quartal später platzte die nächste Bombe. Wegen "ernsthafter Unregelmäßigkeiten" in den Bilanzen des im Oktober 2011 für über zehn Milliarden Dollar übernommenen Software-Unternehmens Autonomy musste HP weitere 8,8 Milliarden Dollar abschreiben. Man müsse davon ausgehen, dass Autonomy-Führungskräfte bewusst die Bilanzen geschönt hätten, um den Preis in die Höhe zu treiben, hieß es. Der Skandal dürfte den Konzern weit ins nächste Jahr verfolgen.

Als Verlierer des Jahres muss auch Nokia gelten. Der einstige Branchenprimus bei Handys und Smartphones hatte in der Vergangenheit wichtige Entwicklungen verschlafen und war in der Folge klar ins Hintertreffen geraten. Die Trends setzten andere - allen voran Apple, Google und Samsung. Der harte Wettbewerb und hohe Kosten für den Konzernumbau hinterließen tiefe Spuren in den Bilanzen der Finnen. Rückläufige Umsätze und Milliarden-Verluste prägten das Bild der zurückliegenden Quartale. Die Strategie des neuen Firmenlenkers Stephen Elop, ganz auf die Windows-Plattform zu setzen, hat sich bislang nicht ausgezahlt. Die Rating-Agentur Fitch stufte das Nokia-Papier auf Junk-Status herab.

Es bedürfe substanzieller Verbesserungen, sonst drohe eine weitere Herabstufung, hieß es. Nun ruhen alle Hoffnungen der Nokia-Verantwortlichen auf dem im Herbst vorgestellten Windows 8 und neuen "Lumia"-Modellen. Zwar wächst der Absatz dieser Geräte. Das reichte bis dato aber nicht, um das Ruder herumzureißen. Mittlerweile sucht das Management offenbar nach einem Plan B. Konzernchef Elop ließ durchblicken, künftig mehr aus dem Geschäft mit digitalen Karten machen zu wollen. Nokia hatte diesen Bereich vor fünf Jahren mit der acht Milliarden Dollar schweren Übernahme von Navteq gestartet.

Opfer des Jahres

Die Geschäftskrisen rissen tiefe Lücken in die Reihen der Belegschaften. HP kündigte an, bis 2014 rund 29.000 Stellen zu streichen. Das sind über acht Prozent der rund 350.000 Köpfe zählenden Belegschaft. Die Verantwortlichen versprechen sich Einsparungen in Milliardenhöhe. Zunächst kostet der Konzernuzmbau allerdings rund 3,7 Milliarden Dollar. Nokia kündigte an, seine Smartphone-Fertigung aus Europa und Mexiko nach Asien zu verlagern. Im Rahmen des Umbaus strichen die Finnen rund 4000 Stellen in den betroffenen Regionen. Im Sommer hieß es dann, dass bis Ende 2013 etwa 10.000 Arbeitsplätze wegfallen sollen.

Aber auch andere IT-Anbieter setzten bei den Personalkosten den Rotstift an - offensichtlich, um angesichts der schwelenden Wirtschaftskrisen und damit drohender Geschäftseinbrüche rechtzeitig Ballast abzuwerfen. Anfang 2012 sorgte IBM hierzulande für Unruhe. In Berichten hieß es, der Konzern wolle 8000 seiner 20.000 Stellen in Deutschland abbauen. Im Rahmen des "Liquid"-Programms sollten aus festen Jobs freie Tätigkeiten entstehen. Künftig sollen Freelancer in ausgelagerten Projekten Arbeiten übernehmen, die bis dato intern bei IBM erledigt wurden.

Yahoo strich in einer weiteren Runde 2000 seiner noch 14.000 Arbeitsplätze. Die Belegschaft hatte bereits in den vergangenen Jahren empfindliche Einschnitte erleben müssen. Beim japanischen Elektronikriesen Sony fuhr der neue Konzernchef Kazuo Hirai einen harten Sanierungskurs. 10.000 Jobs stehen im laufenden Geschäftsjahr 2012/13 auf der Streichliste. Damit hoffen die Japaner, einen Weg aus den roten Zahlen zu finden, in denen sie seit nunmehr vier Jahren stecken.

Während Zehntausende sich eine neue Arbeit suchen müssen, dürften Roboter künftig gute Jobchancen haben. Auftragsfertiger Foxconn, der unter anderem für Apple, Dell und HP fertigt, kündigte an, bis 2014 rund eine Million Roboter in seiner Fertigung einsetzen zu wollen.