Eine kleine Unix-Anlage für 49 Fruchthändler

Der Computer steuert Strome von Bananen und Orangen

15.11.1991

Wenn im Supermarkt frische Kiwis aus Neuseeland locken, dann steckt hinter dieser logistischen Leistung meist ein ausgeklügeltes Computersystem. Hella Schmieder schildert, wie das bei einer Hamburger Händlervereinigung funktioniert.

Seit vier Jahren vertraut die Cobana/Fruchtring-Gruppe mit ihrer bundesweiten Logistik auf den Kollegen Computer. Der erledigt heute praktisch den gesamten Papierkrieg, und die Mitarbeiter können sich wieder auf ihren eigentlichen Job konzentrieren: exotische Früchte frisch auf den deutschen Tisch zu liefern.

49 selbständige Fruchthandels-Unternehmen sind die Gesellschafter der Cobana/Fruchtring-Gruppe. Von der Zentrale in Hamburg werden frisches Obst, Gemüse und Trockenfrüchte aus aller Welt termingerecht zum Groß- und Einzelhandel gelenkt. Die Warenprogramme stellen die Fruchtexperten nach den Kundenwünschen aus dem umfassenden Angebot zusammen. Auf direktem Weg gehen die Früchte dann von den Produzenten in die Geschäfte. Das "Gehirn" dieser ausgeklügelten Organisation sitzt in Hamburg.

Seit mehreren Jahren Tag und Nacht in Einsatz

Wichtigster Helfer der 22 Mitarbeiter: Ein Unix-Mehrplatzsystem von Altos mit 80386-CPU, 4 MB Hauptspeicher und 170-MB-Platte. Es bedient 22 Terminals, vier Schnelldrucker, zwei Telexdrucker und einen Typenraddrucker - seit Jahren Tag und Nacht "ohne einen echten Break-down", wie DV-Leiter Horst Kotsch zufrieden feststellt. Ein Computerausfall würde den Arbeitsablaut empfindlich stören.

In den letzten vier Jahren konnte man die Mitarbeiterzahl verdoppeln. 1986 arbeitete nur ein Mitarbeiter an einem Einplatzsystem. Heute unterstützt der Computer durchgehend etwa zehn Mitarbeiter. Die übrigen Mitarbeiter nutzen ihn etwa zwei bis drei Stunden am Tag. In der übrigen Zeit sind sie direkt mit dem Verkauf beschäftigt, und der findet hauptsächlich am Telefon statt.

Über den Rechner laufen sämtliche Informationen, die notwendig sind, um die Ware auf die Stunde genau aus der ganzen Welt frisch auf den Tisch zu bekommen. Automatisch werden die notwendigen Telexe erzeugt und verschickt. Sobald der Mitarbeiter einem Auftrag den Status "Freigabe" gegeben hat, schreibt der Computer auch schon die Rechnung. Davon fallen pro Jahr immerhin 23 000 an. Überweisungen und Lastschriften, für die bis vor kurzem noch 100 bis 200 Formulare pro Woche auszufallen waren, gehen heute per Diskette an die Hausbank. Die Finanzbuchhaltung ist komplett in das System eingebunden.

Neben dieser Unterstützung des Alltagsgeschäfts hat der Cobana-Computer eine weitere wichtige Aufgabe als Informationslieferant für das Management. Ständig wechselnde Liefermöglichkeiten und sich immer wieder änderndes Kaufverhalten der Kunden erfordern detaillierte Analysen. Trends frühzeitig zu erkennen, das ist heute überlebenswichtig im Fruchthandel.

So ermittelt man am Ende des Jahres, aufgeschlüsselt nach Artikeln neben den Umsatzzahlen Karton- und Kilogrammzahlen. An jedem Monatsende werden die Umsatzzahlen mit denen des Vorjahrs, des vergangenen Monats oder der Vorperiode verglichen.

Besonders interessant ist dabei die Kartonmenge im Verhältnis zum erzielten Preis. DV-Verantwortlicher Kotsch: "So können wir sehen, ob beispielsweise bei sinkender Preisleistung mehr Kartons verkauft wurden und ob wir den Umsatz halten konnten."

Genaue Informationen über das Kaufverhalten

Aber das System erfüllt auch detailliertere Auskunftsbegehren: "Wir können pro Kunde erkennen, mit welchen Lieferanten er gehandelt hat, welche Früchte er gehandelt hat und in welchen Größenordnungen", erläutert Kotsch. "Man kann aber auch über den Lieferanten oder über den Artikel gehen." Diese Abfragemöglichkeiten werden ständig erweitert und den sich ändernden Erfordernissen angepaßt.

Eine wichtige Rolle dabei spielen Statistiken zur Veränderung des Käuferverhaltens. Ein Beispiel: War die Ananas vor zehn Jahren noch eine exotische Frucht, so ist sie heute nichts Außergewöhnliches mehr. Ähnlich läuft es jetzt mit Mangos oder Papajas. Entsprechend solchen Trends versuchen die Cobana-Leute, neue Märkte zu erschließen. So ergeben sich die Planungen für das folgende Jahr.

Vielleicht wollen Sie lieber Fisch statt Obst

Mit den speziellen Anforderungen des Fruchthandels waren Standardprogramme überfordert. Die bei der Cobana eingesetzte Software "FIS" wurde deshalb für solche Anforderungen maßgeschneidert. FIS steht für "Fruchthandels-Informations-System". Es ist eine Gemeinschaftsentwicklung der Systemhäuser Hans-Peter Krieger Datentechnik, Düsseldorf, und ASS, Schwerte, die bereits seit 1983 daran arbeiten. Im Fruchthandel sind die beiden Unternehmen schon seit über 15 Jahren tätig.

Heute deckt das in Cobol programmierte FIS die Bereiche Finanzbuchhaltung mit Clearing-Verfahren, Kostenrechnung, Controlling sowie Warenwirtschaft für die Anwendergruppen Frucht- und Fischgroßhandel, Agenturen und Zentralen ab. Außerdem unterstützt die Software die Abteilungen Rechnungswesen, Packstation, Fuhrpark und Bananenreiferei sowie allgemeine Logistik im Kommissionierwesen.

Damit ist man jedoch keineswegs festgelegt. Wie es sich für eine moderne Software gehört, ist das Paket modular aufgebaut. Das machte es möglich Varianten für ganz andere Branchen zu erstellen, eine sogar schon für Lederreinigungen Eingesetzt wird das Handelspaket in der Regel in Betrieben ab 30 Millionen Mark Umsatz. Sie wurde bislang mehr als 60mal installiert.