Eine kurze Geschichte des IT-Chefs

Der CIO - totgesagt und alle Hände voll zu tun

20.06.2013
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Eine schizophrene Situation

Der CIO bezieht Schmerzens- und Schweigegeld.
Der CIO bezieht Schmerzens- und Schweigegeld.
Foto: Michele Piacquadio; mkabakov /Shutterstock

Wie sollen die IT-Chefs mit dieser schizophrenen Situation umgehen? Schließlich sind die Unternehmen nach wie vor an die Prinzipien gebunden, die sie schwerfällig machen. Sie komplett aufzugeben, wäre wirtschaftlicher Selbstmord. Doch das "Immunsystem" weiter zu stärken, wäre ebenfalls töricht, so warnt Resch: "Der CIO hat sich keineswegs geirrt, als er seine Grund-sätze entwarf, aber er darf deren Beibehaltung nicht zum Lebensprinzip machen." Damit ließe er sich auf einen Mehrfrontenkrieg ein, den er nur verlieren könne. "Ein CIO, der überleben will, muss versuchen, zu befrieden", empfiehlt der Berater. Das bedeute, die Prinzipien so aufzuweichen, dass sie die innovative Hardware und Software aufnehmen können.

Vielleicht kann sich die Unternehmens-IT ja ab und an den Grundgedanken der Apps zu eigen machen und erst implementieren, um dann zu integrieren. Das sei für den CIO ein Balanceakt, räumt Resch ein. Aber dessen Gehalt schließe sicher ein wenig Schmerzensgeld ein. "Und auch einen Teil Schweigegeld", schmunzelt der Berater, "dafür, dass er es sich verkneift, später zu sagen, er habe es ja von Anfang an gewusst …"

Die ureigensten Aufgaben des CIO

Gegen Privatisierung und Schatten-IT sind zwei Kräuter gewachsen: eine solide Architektur und eine Governance, die sich auf das Wesentliche konzentriert. Unter Architektur verstehen Fachleute wie der IDC-Analyst Spies ein von der IT-Abteilung und der Business-Seite gemeinsam getragenes Modell als Basis für die Zusammenarbeit beider Seiten. "Ohne eine tragfähige Architektur sind ByoD und Mobile, Big Data etc. nicht zukunftsfähig in eine bestehende IT-Landschaft integrierbar", konstatiert er. Allerdings gebe es eine solche Architektur nicht von der Stange: "Hier geht es schließlich darum, abstrakte Konstrukte und konkrete Business-Anforderungen in Einklang zu bringen."

Mit ähnlichen Argumenten bricht Peters eine Lanze für die IT-Governance, sprich: für flexible, aber verbindliche Regeln, denen Beschaffung und Einsatz von IT-Komponenten folgen. Der BTO müsse die Bereichsleiter und Top-Executives im Unternehmen sanft, aber bestimmt "erziehen".Aber dabei dürfe er nicht das Prinzip "Command and Control" anwenden: "Am Ende des Tages lassen sich die Business-Leute nicht diktieren, was sie machen sollen." Wichtig sei deshalb, dass der BTO als Diskussionspartner "ernst genommen" werde.

Rüdiger Spies: "Nicht der CIO, die Aussagen von Carr sind obsolet."
Rüdiger Spies: "Nicht der CIO, die Aussagen von Carr sind obsolet."
Foto: IDC

"Dazu ist es aber absolut notwendig, dass der BTO direkt an den CEO berichtet", empfiehlt Peters. Wenn er dem CFO unterstellt ist, wirft dieses Miss-Alignment-Probleme auf." Das Thema Kosteneinsparungen sei immer noch auf dem Tisch. Deshalb sei es notwendig, dass der Vorgesetzte verstehe, wo die Technik dem Unternehmen etwas bringe: "Und das ist einfacher, wenn der CIO mit dem CEO spricht."

Seit die IT beim Vorstand in Ungnade gefallen ist, haben viele CIOs mehr denn je versucht, ihre Rolle neu zu definieren. Im Zuge dessen haben sie sogar ihre Berufsbezeichnung wieder und wieder geändert:

  • Da die CIOs diejenigen sind, die den besten Überblick über alle Unternehmensprozesse haben, wollen einige von ihnen gern Chief Process Officer genannt werden.

  • Andere fanden sich plötzlich in die Rolle des Chief Efficiency Officer gedrängt.

  • Wieder andere lehnten diese Beschränkung ab und sahen sich mehr als Chief Innovation Officer.

Dies sind nur einige der Aufgaben, die dem CIO anvertraut werden und die er meist ohne Murren übernimmt. Die immer wieder gestellte Frage, ob der CIO überflüssig ist, entbehrt also jeglicher Relevanz. Davon sind nicht nur die Betroffenen überzeugt. Marktbeobachter wie Spies wissen: "Jemand muss die Lufthoheit über die Architektur behalten. Nicht der CIO, sondern die Aussagen von Nicholas Carr sind obsolet. Den CIO angesichts der ubiquitären IT für überflüssig zu erklären, wäre so, als ob man sagte, Sales Force Automation könne den Vertrieb ersetzen."