Raus aus der Komfortzone

Der CIO muss sich mehr um die Fachbereiche kümmern

04.05.2014
Von 
Bettina Dobe war bis Dezember 2014 Autorin für cio.de.
Scheitern teure Projekte, wird oft der IT die Schuld gegeben. Projektmanager und Berater Mario Neumann hat einige Ideen, wie CIOs aus der Kostenfalle rauskommen und auf Augenhöhe mit den Fachabteilungen wahrgenommen werden können.

Obwohl eine gute Zusammenarbeit von IT und Fachbereichen noch nie so wichtig war wie heute, knirscht es oft zwischen den Abteilungen. Scheitern teure Projekte (oder werden diese aus Zeitmangel gar nicht erst angefangen), wird dies häufig der IT angelastet. Als echte Business Partner angesehen zu werden, wünschen sich etliche CIOs. Projektmanager und Berater Mario Neumann hat ein paar Ideen, wie ein CIO auf Augenhöhe agieren kann und was zu tun ist, um endlich aus der leidigen Kostenfalle auszukommen.

COMPUTERWOCHE.de: Die IT wird oft nicht als Business Partner ernst genommen. Woran liegt das?

Mario Neumann: Als CIO ist man oft in einem Fahrwasser, in dem man nur als Kostencenter gesehen wird und nicht als jemand, der das Unternehmen voranbringen kann. Der CIO steht unter ständigem Rechtfertigungsdruck für die Kosten, die er verursacht. Gleichzeitig ist der ständige Ressourcenmangel ein Problem. Da wird der Ruf nach Outsourcing laut, wenn die IT überfordert ist. Aber das ist auch kein Wunder: Die IT hat nicht die besten Leute.

Coach Mario Neumann möchte CIOs als Business Partner etablieren.
Coach Mario Neumann möchte CIOs als Business Partner etablieren.
Foto: Privat

COMPUTERWOCHE.de: Das hören unsere CIOs aber nicht gern und einige widersprechen da vehement.

Neumann: Nun, was das Fachwissen angeht, stimmt es häufig. Die IT hat eher Mittelfeldleute, denn die Topleute sind in der Unternehmensberatung oder auf dem freien Markt. Jemand, der sich ein spezialisiertes Fachwissen angeeignet hat, wird nicht in den IT-Bereich eines Unternehmens gehen, wo er höchstens ein Projekt zu seinem Thema betreuen kann. Wer sich intensiv mit einer Thematik befassen will, geht nicht in die IT-Abteilung eines Unternehmens. Das merkt man einigen IT-Abteilungen auch an. Zudem fehlt oft ein Überblick über das Projektportfolio im gesamten Unternehmen oder dessen Strukturen.

COMPUTERWOCHE.de: Wie kann man das Problem lösen?

Neumann: Vor allem müsste sich die IT intensiver um die Fachbereiche kümmern. Wenn ich als CIO Business Partner werden will, muss ich raus aus der Komfortzone und mir Gestaltungsspielräume erarbeiten.

Es kann so schön sein in der Komfortzone... Allerdings sollte man sich dann nicht wundern, wenn die Karriere immer in den gleichen Bahnen verläuft.
Es kann so schön sein in der Komfortzone... Allerdings sollte man sich dann nicht wundern, wenn die Karriere immer in den gleichen Bahnen verläuft.
Foto: alessandrozocc - Fotolia.com

COMPUTERWOCHE.de: Und wie soll das gehen? Dafür ist doch kein Budget da.

Neumann: Eben aus diesem Kostendruck muss der CIO raus. Normalerweise ist es so, dass alle Fachbereiche die IT für Support, Maintenance und Applikations-Betreuung bezahlen. Die IT wird deshalb wahrgenommen als diejenigen, die dafür sorgen, dass die Emails ankommen. Für Projekte bleibt meist nur wenig Luft, alle Wünsche kann ein CIO nicht erfüllen. Oft bekommt derjenige Fachbereich, der am lautesten schreit, den Zuschlag. Nicht jedes Projekt, das der Fachbereich will, funktioniert - wegen des Kostendrucks. Das ist nicht ideal. Schöner wäre es doch, zu den Fachbereichen zu sagen: Der Support ist gesichert - alles, was on top kommt, muss gezahlt werden.

COMPUTERWOCHE.de: Das klingt jetzt so einfach ...

Neumann: Man kommt nur aus dem Kostendruck raus, wenn man Bedarf generiert. Der Fachbereich muss denken, dass er die IT braucht, um ein Projekt zu stemmen. Oft konzentrieren sich CIOs zu sehr auf das Grundrauschen. Die IT sollte aber als internes Beratungsunternehmen auftreten und die Fachbereiche ganz anders betreuen. Sie muss sich für die Fachbereiche attraktiv machen und sich so aufstellen, als wären jene die Kunden.

COMPUTERWOCHE.de: Wie funktioniert diese Aufstellung?

Neumann: Dafür brauche ich als CIO Mitarbeiter, die dezidiert für einen Fachbereich zuständig sind. Ein solcher Mitarbeiter muss die Prozesse des Fachbereichs verstehen und beherrschen, und in den relevanten Meetings sitzen. Vom Typ Mensch her sollte es ein Berater sein, der in der Lage ist, mitzudiskutieren. Es dauert sicherlich ein paar Monate, bis der Fachberater sich etabliert hat. Aber meist ist der Fachbereich ihm gegenüber sehr offen. Die Fachbereiche sind typischerweise dankbar, denn häufig haben sie keinen IT-Ansprechpartner. Gemeinsam werden IT-Projekte erarbeitet. Die bringt der Fachberater zurück in die IT, die sie plant und eine Kostenaufstellung macht. Will der Fachbereich dann zum Beispiel SAP einführen, dann kostet das. So tritt die IT wie ein gleichberechtigter Partner auf. Und der Fachbereich wird das Projekt zahlen.

COMPUTERWOCHE.de: Das hat sicherlich Konsequenzen für die Aufstellung im Team. Wie würde so ein IT-Team aussehen?

Neumann: Die IT muss sich so aufstellen, dass sie in der Lage ist, viele Projekte zu stemmen. Aber der CIO kann nicht die komplette Mannschaft vorhalten, das wäre zu teuer. Stattdessen bräuchte er eine "atmende Mannschaft", wie ich es nenne: Je nach Bedarf stellt man Externe ein, die meine Stammmitarbeiter ergänzen. Und eine entscheidende Rolle spielen die Fachbetreuer, die den Bedarf erst schaffen. Trotzdem ist so eine Aufstellung ein unternehmerisches Risiko: Wenn die IT keine Projekte an Land zieht, dann müssen Leute entlassen werden.

COMPUTERWOCHE.de: Wie funktioniert das in der Praxis?

Neumann: Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel, wo wir das umgesetzt haben: Ein großer Anlagenbauer aus dem Mittelstand mit ein paar tausend Mitarbeitern hat die IT derartig umgestellt. Die Firma hatte das Problem, dass Anlagenbau und IT noch nicht miteinander verschmolzen waren. Die IT wurde zweigeteilt: Etwa 30 Leute waren für Support und Maintenance zuständig, bis hin zur Applikation-Betreuung. Die anderen 20 wurden wie eine Beratungsmannschaft aufgebaut. Vier Fachbereichsbetreuer wurden über mehrere Wochen eingearbeitet und machten ein "Shadowing" mit verschiedensten Leuten. Dazu gab es noch einige Führungskräfte, sechs Projektmanager und vier Lösungsarchitekten. Die Projektmanager und Lösungsarchitekten beherrschen bestimmte Technologien. Genau dafür findet man übrigens auf einmal auch als Unternehmen die Top-Leute. Denn das Arbeitsumfeld ist motivierend.

COMPUTERWOCHE.de: Was sagte die Firma dazu? Wie ist das in den Fachbereichen angekommen?

Neumann: In der Firma hatte die Idee einen positiven Effekt. Weil die Fachbereiche für eine konkrete Leistung zahlten, von der sie auch etwas hatten, und nicht nur die Flatsumme X. Das fühlt sich für den Fachbereich gerechter an. Damit steigt auch die Qualität: Die IT kann ein Projekt so besetzen und kalkulieren, wie es gebraucht wird und nicht mit zu wenig Ressourcen arbeiten.

COMPUTERWOCHE.de: Eignet sich das Modell für jedes Unternehmen?

Neumann: Bedingt. Damit es funktioniert, gibt es mehrere Voraussetzungen: Der CIO muss dahinter stehen und die Mannschaft muss beraten können. Wenn der CIO eine Mannschaft hat, die nur IT-Betreuung macht und ambitionslos ist, sollte er sich das gut überlegen - oder sich vorher eine passende Mannschaft zusammen bauen. Daneben braucht der CIO auch Risikobereitschaft, denn das muss er sich auch trauen. Außerdem muss die Geschäftsführung dahinter stehen. Wird die IT als Nebenkriegsschauplatz gesehen, die keinen Beitrag leistet, dann kann man die Diskussion abbrechen. Wenn aber die Geschäftsführung und der CIO zusammenarbeiten, dann kann das System funktionieren. Und der CIO ist ein Business-Partner.