Der CIO muss seine Rolle neu definieren

14.09.2005
Von Stefan Bartsch 
Eine Diplomarbeit untersucht die Position des IT-Chefs nach dem Platzen der Dotcom-Blase.
Die 50 befragten Business-Executives bestätigten den Trend: Strategische Planung ist die wichtigste Aufgabe des CIO.
Die 50 befragten Business-Executives bestätigten den Trend: Strategische Planung ist die wichtigste Aufgabe des CIO.
Der Technikbereich verliert im Arbeitsleben des CIO an Bedeutung, so die Studie der Universität zu Köln.
Der Technikbereich verliert im Arbeitsleben des CIO an Bedeutung, so die Studie der Universität zu Köln.

Nicht nur die Positionsbezeichnung, auch die Aufgaben, die organisatorische Einbindung und die Qualifikation des IT-Verantwortlichen haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage, inwieweit der CIO durch den Einsatz von Informationstechnologie strategische Wettbewerbsvorteile erzielen kann und welche wirtschaftliche Bedeutung ihm zukommt.

Hier lesen Sie …

• wie die Position des Chief Information Officer entstanden ist;

• warum der Stellenwert des CIO in den vergangenen Jahren gesunken ist;

• wie Business-Executives dessen künftige Aufgaben definieren;

• mit welchen Fähigkeiten CIOs ihr Renommee wieder aufpolieren können.

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Die Entstehung der CIO-Position ist teilweise auf technologische Entwicklungen der frühen achtziger Jahre zurückzuführen. Die zunehmende Dezentralisierung der IT und ihr Eindringen in sämtliche Unternehmensbereiche forcierten die Kooperation zwischen IT und Management. Kürzer werdende Innovationszyklen verlangten, dass die unternehmensweite Integration der IT zentral geplant, gesteuert und koordiniert wurde. Deshalb war ein Manager notwendig, der den Überblick über die unternehmensweiten technischen Richtlinien hatte beziehungsweise in der Lage war, hier Standards zu etablieren. Seine Aufgabe bestand in der Hauptsache darin, eine geeignete IT-Infrastruktur aufzubauen, die sich an der Unternehmensstrategie ausrichtete und diese unterstützte. Im Fachjargon wird diese Anpassung Alignment genannt.

Alignment und Enabling

Unter der Leitung eines CIO sollte die IT jedoch nicht nur die Effizienz der Prozesse steigern und damit die Unternehmenskosten senken, sondern auch den Absatz neuer Dienstleistungen und Produkte erhöhen, also zusätzlichen Profit und strategische Wettbewerbsvorteile herbeiführen. So wurde die IT zum Business-Enabler, der unabhängig vom Alignment auch neue wirtschaftliche Potenziale ausschöpft. Damit stieg auch die strategische Relevanz der CIO-Position und dessen Einordnung in die Unternehmenshierarchie.

Zwar variiert die Rolle des CIO unternehmens- und branchenspezifisch, doch lassen sich einige generelle Aufgabenbereiche identifizieren. Sie sind in die Sektoren Business, Technologie und Service unterteilbar (siehe Grafik "Die Aufgabenbereiche des CIO"). Allgemein gesprochen, hat sich die Rolle des CIO von einem ursprünglich technischen Fokus in Richtung einer allgemeinen Management-Aufgabe weiterentwickelt. Insbesondere zeichnet sie sich dadurch aus, dass sie unterschiedliche Interessengruppen miteinander in Einklang bringen muss.

Auf Über- folgt Unterschätzung

Gegenwärtig befindet sich die Rolle des CIO in einer Umbruchphase. Um die Jahrtausendwende wurden die Potenziale der IT deutlich überschätzt. Nachdem die Dotcom-Blase geplatzt ist, stehen nun Kostensenkungsmaßnahmen im Vordergrund; strategische IT-Investitionen werden weitgehend unterlassen. Wie die These von Nicholas Carr ("IT Doesn’t Matter") zeigt, bestreiten Einige den strategischen Nutzen der IT voll und ganz.

Das spiegelt sich wider in einem sinkenden Stellenwert des CIO innerhalb der Unternehmenshierarchie. Der Anteil der CIOs, die direkt an den CEO berichten, lag im Jahre 2002 noch bei mehr als 50 Prozent, aktuell beträgt er gerade noch 40 Prozent. Einige Unternehmen gehen gar dazu über, die Stelle des CIO abzuschaffen.

Stratege und Controller

Der gegenwärtigen und künftigen Rolle des CIO widmete sich eine Diplomarbeit der Universität zu Köln. Darin wurden mehr als 50 Business-Executives namhafter Unternehmen gefragt, welche Bedeutung sie den einzelnen Aufgaben des CIO beimessen und wie sich ihre jeweilige Einschätzung voraussichtlich in den kommenden acht bis zehn Jahre ändern wird.

Insgesamt legen die Ergebnisse eine wieder steigende Wertschätzung des CIO nahe. Der Umfrage zufolge sind im Zuständigkeitsportfolio des CIO die strategischen Aufgaben mit Abstand am wichtigsten. Ein Großteil (87 Prozent) der Befragten sieht deren Umfang künftig noch zunehmen, entsprechend gehen knapp drei Fünftel (58 Prozent) von einer Abnahme operativer Aufgaben aus. Dabei wird dem Alignment ein hoher Stellenwert beigemessen, wobei aber drei von vier Umfrageteilnehmern auch der Identifizierung strategischer Wettbewerbsvorteile, also dem Enabling, eine wachsende Bedeutung beimessen. 77 Prozent vertreten die Ansicht, dass der CIO zukünftig deutlicher in die Mitbestimmung der Geschäftsstrategie involviert sein wird als bisher.

Damit einher geht eine positive Prognose für die hierarchische Eingliederung des CIO. 47 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass der CIO künftig häufiger im Vorstand zu fin- den sein wird als bisher; 45 Prozent vermuten einen gleich bleibenden Anteil an Vorstands- mitgliedern mit IT-Verantwortung. 62 Prozent glauben, dass zumindest der Anteil der CIOs steigt, die direkt an den CEO berichten.

Auch die Controlling-Aufgaben des CIO werden deutlich an Bedeutung gewinnen, so die Umfrageteilnehmer. Derzeit nimmt dieser Kompetenzbereich allerdings noch keine herausragende Stellung ein. Das legt den Schluss nahe, dass er von den IT-Chefs bislang nicht hinreichend berücksichtigt wurde.

Outsourcing-Manager

Stark unterschiedlich bewerteten die Teilnehmer den Stellenwert des Outsourcing-Managements. Als Ursachen dieser Diskrepanz kommen zum einen die stellenweise schon hinreichend ausgelagerte Prozesslandschaft in Frage, zum anderen die Sichtweise, dass Aufgaben des Outsourcing-Managements an anderer Stelle, etwa bei einem Chief Process Officer (CPO) verankert werden sollten.

Im Gesamtbild zeichnet sich jedoch eine steigende Bedeutung des Outsourcing-Managements ab. Wichtig wird dabei vor allem die Teilaufgabe der Identifizierung einer Sourcing-Strategie für das Portfolio an IT-Dienstleistungen.

Nicht ganz so relevant ist für die Umfrageteilnehmer erstaunlicherweise das Sicherheits-Management als Tätigkeitsfeld des CIO. Im Aufgaben-Ranking belegt es nur einen Mittelfeldplatz. Auffällig ist hier, dass das Risiko-Management und die IT-Sicherheit in ihrer Bedeutung, so die aus der Umfrage abgeleitete Prognose, stärker wachsen werden als die Sicherstellung des Datenschutzes.

Geschäftsprozess-Management, Service-Delivery und Relationship-Building sind für die Befragten bereits heute sehr wichtig, was das Steigerungspotenzial naturgemäß beschränkt. Stark wachsende Bedeutung verzeichnen der Umfrage zufolge jedoch das Messen und Steigern der Kundenzufriedenheit sowie die Definition von Service-Level-Agreements (SLA).

Technik spielt eine Nebenrolle

Unverändert in seiner Bedeutung bleibt das frühere Kernaufgabengebiet des IT-Chefs, das Management der IT-Funktion. Die einzelnen Aufgaben dieses Verantwortungsbereichs werden in dieser Hinsicht auch sehr homogen bewertet. Eine positive Bedeutungsveränderung betrifft immerhin das Personal-Management.

Die Relevanz des Technologie-Managements hingegen nimmt ab. Es wird insgesamt als das unwichtigste Aufgabenfeld für den CIO eingestuft. In den Hintergrund treten vor allem das Management der Rechner und Netze sowie die Auswahl von Hard- und Softwarekomponenten, zunehmen werden einzig die Analyse und Bewertung technologischer Innovationen.

Neue Anforderungen

In dem Maße, wie sich die Aufgaben des CIO ändern, wer- den auch neue Anforderungen an seine Qualifikation gestellt. Folglich muss er künftig weni- ger über technologische Kenntnisse verfügen als über allgemeine Management-Kompetenz. Eine der spannendsten Fragen wird sein, inwieweit der CIO künftig den Zwiespalt zwischen Kostensenkung und strategischen IT-Investitionen überbrücken kann. (qua)