Die Verschmelzung findet auf der Anwendungsseite statt:

Der Bund zwischen DV und PBX heißt CIT

21.04.1989

Die Idee, die fast unerschöpfliche Rechenleistung moderner DV-Anlagen mit dem größten Netzwerk der Erde - dem Telefonnetz - zu verbinden, ist nicht neu. doch erst die Standardisierungsbemühungen der Hersteller auf der Computer- wie auf der Telefonanlagenseite schaffen heute die Basis für die Entwickung moderner Applikationssoftware. Olaf Ihlowe *beschreibt am Beispiel des "Computer Integrated Telephony"-(CIT-)Ansatzes, welche neue Möglichkeiten sich für den Anwender am Horizont auftun.

Die CIT-Technologie (siehe Bild 1) ermöglicht die Verbindung von Computern mit PBX: Private Branch Exchange, Telefonnebenstellenanlage). Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologie sind heute noch kaum zu überblicken, mit ihr können Prozesse in einer Vielzahl von Branchen und Betrieben optimiert werden. Die Integration heute bestehender Hard- und Software zusammen mit komfortablen Applikationsprogrammen in ein Rechner-PBXSystem gibt künftigen Benutzern ein mächtiges Arbeitsmittel in die Hand.

Es erhebt sich die Frage, warum sich die Computerintegration im Bereich der Telekommunikation so spät etabliert. Telekommunikation ist unbequem! Aufgabenstellungen aus diesem Bereich werden leicht unterschätzt; ein aus der Sicht der kommerziellen Datenverarbeitung kleines und überschaubares Programm entwickelt sich rasch zu einem gewaltigen Softwaresystem, wenn auf einmal Faktoren wie Echtzeitverarbeitung und Ausfallsicherheit berücksichtigt werden müssen. In der Bundesrepublik sind die Anforderungen, die von Telekommunikationssystemen hinsichtlich dieser Kriterien erbracht werden müssen, sogar besonders hoch. In liberaleren Märkten hat sich daher ein Entwicklungs- und Know-how-Vorsprung aufgebaut, der rein deutschen Softwarehäusern einen Einstieg heute noch schwer macht. Es gibt in diesem Bereich derzeit kaum Anbieter, die leistungsfähige Applikationsprogramme für CIT-Anwendungen anbieten können. Der "Nur"-Informatiker hat oft auch nicht das notwendige Knowhow zur Erstellung von Telekommunikationssoftware; hier sind sowohl computerspezifisches Wissen, als auch fundierte nachrichtentechnische Grundlagen unabdingbare Voraussetzungen.

Schließlich erfordern die Besonderheiten von (stets kniffligen) Telekommunikationsprojekten ein spezielles Projektmanagement, das den spezifischen Anforderungen dieses Bereiches Rechnung trägt: Besondere Phasenpläne, gut geplante und gesteuerte Entwicklungs- und Testmethoden, sowie sichere Rückfallstrategien sind Voraussetzungen für eine erfolgreiche Projektdurchführung.

Diesem Markt haben sich in jüngster Vergangenheit namhafte Hardwarehersteller zugewandt. Durch die Gründung von Kooperationen zwischen den einzelnen Hardwarehäusern ist es Softwareanbietern heute möglich, Applikationssoftware herzustellen. Die für eine solche Entwicklung notwendige definierte Schnittstelle zwischen PBX und Computer ist der CIT-Link, eine Verbindung zwischen den beiden Einheiten PBX und Computer. Ein Softwarehaus kann jetzt wie in einem normalen Softwareprojekt die Kundenanforderungen analysieren und seine Anwenderlösungen entwickeln.

Für diesen CIT-Link bedient man sich genormter Schnittstellen und Protokolle, lediglich auf der Ebene des Nachrichtenaustauschs sind noch Absprachen notwendig, aber hier genügt schon die Beschränkung auf wenige einfache Kommandos, um auch komplexere Aufgabenstellungen bearbeiten zu können.

Die Einführung neuer Technologien ist stets mit einem gewissen Aufwand verbunden. Ist diese Schwelle aber erst einmal überschritten, so können die nachfolgenden Problemlösungen relativ einfach und billig realisiert werden. Die Schaffung spezieller Entwicklungsumgebungen für CIT-Softwareprojekte sowie die Entwicklung vorgefertigter, anwendungsunabhängiger Standardsoftware, die den jeweiligen Kundenanforderungen nur noch angepaßt werden muß, sind Vorleistungen der Softwarehäuser, die heutigen Kunden den Schritt zu einem CIT-System leicht machen. Genau an diesem Punkt stehen wir heute.

Das Anwendugsspektrum reicht von einfachen Statistikfunktionen , die abgehende und ankommende Telefongespräche nach bestimmten Kriterien auswerten, bis zu hochentwickelten Auskunftssystemen, bei denen der Anrufer über eine komfortable Schnittstelle einen Dialog mit dem Computer führt. Dieser schaltet ihn dann je nach Bedarf weiter zu einem hausinternen Sachbearbeiter oder auf automatische Spracherkennungs- und Sprachausgabesysteme. Im folgenden zwei Beispiele.

1) User Consulting Service für ein Rechenzentrum

Diese Inhouse-CIT-Anwendung steigert die Effektivität eines UserConsulting-Teams (siehe Bild 2). Typischerweise haben Benutzer von Terminals öfter Probleme mit ihren Endgeräten, der Rechnerleistung oder mit der Bedienung ihrer Anwenderprogramme. Hier bietet sich eine CIT-Kopplung an, die eine PBX mit dem Großrechner verbindet. Der Benutzer sowie der beratende Spezialist sind an das Rechner-PBXSystem angeschlossen.

Die Vorteile dieser Kopplung: Der hilfesuchende Benutzer ruft im Rechenzentrum an und benötigt zum Beispiel eine Auskunft zu seinem Endgerät. Anhand der im Rechner gespeicherten Daten wird er automatisch zu demjenigen Spezialisten geschaltet, der für diese Endgeräte zuständig ist. Gleichzeitig mit der Durchschaltung des Telefonanrufs werden erste Benutzerdaten am Terminal des Spezialisten angezeigt, weitere Daten stehen zum Abruf bereit. Der Spezialist sieht schon jetzt, wer anruft und in welchem Bereich das Problem liegt.

Sollte der Anschluß des zuständigen Spezialisten gerade besetzt oder dieser vorübergehend nicht erreichbar sein, schaltet das System automatisch zu der Sprachausgabeeinheit um und reiht den Anrufenden in eine Warteschlange ein oder gibt ihm eine Information, wann der zuständige Berater wieder erreichbar ist.

Bestimmte Auskünfte des Spezialisten, wie zum Beispiel Rufnummern, werden nicht von ihm selbst, sondern - nach Weiterschaltung - von der Sprachausgabeeinheit "vorgelesen". Die Benutzerdaten werden im Sinne einer Historie fortgeschrieben. Das System ermöglicht statistische Aussagen über die Zuverlässigkeit einzelner Endgeräte oder über die Belastung des User Consulting Service in einzelnen Bereichen.

2) Informationssystem für eine Fluggesellschaft

Eine verbesserte Abwicklung von Kundenauskünften und Buchungsvorgängen bei einer Fluggesellschaft ermöglicht die CIT-Kopplung zwischen PBX und dem Computer der Gesellschaft (siehe Bild 3): Ein Kunde ruft bei der Fluggesellschaft an und benötigt einige Informationen über Abflugzeiten, Service an Bord oder verfügbare Plätze. Er kann dem System Daten wie zum Beispiel Zielflughafen oder gewünschte Startzeiten entweder über eine automatische Spracherkennungseinheit, das Tastenfeld seines Telefons oder einen "natürlichen-- Mitarbeiter des Kundenservice mitteilen. Eine Sprachausgabeeinheit liest ihm die von ihm gewünschten Informationen vor. Anschließend wird er vom Informationssystem zu einem freien Sachbearbeiter weitervermittelt, bei dem er weitere Informationen einholen und sein Ticket bestellen kann. Kunden schätzen diesen Service besonders, da die lange Wartezeiten auf einen freien Operator entfallen. Die schlechte Akzeptanz verschiedener neuer Technologien ist in der fehlenden frühzeitigen und sensiblen Marktbeobachtung begründet. Die heutige Innovationsgeschwindigkeit läßt es normal erscheinen, daß neue Technologien nur deshalb enstehen, weil sie technisch gerade "machbar" sind. Die Erfordnisse künftiger Anwender bleiben dabei aber oft genug auf der Strecke. Beispiele hierfür sind Projekte wie Btx oder ISDN der Deutschen Bundespost; erst nach ihrer Einfürung wurden die eigentlichen Nutzer dieser neuen Dienste analysiert. Beim Computer-Integrated-Telephony-Ansatz dagegen stehen weniger die Neuentwicklung von Hard-und Software im Vordergrund als vielmehr die Bedürfnisse des Marktes, der mit den Mankos heutiger Telekommunikations- und Informationsdienste seine erstzunehmenden Probleme hat . Gerade der weniger technische, sondern mehr organisierende/ integrierte Denkansatz von CIT behält stets auch den Anwender im Blick, der heute integriete Systeme als Arbeitswerkzeuge sucht.