Staatsbürgschaften in Höhe von 400 Millionen Euro

Der Bund hilft Mobilcom

20.09.2002
MÜNCHEN (CW) - Beim krisengeschüttelten Telefonkonzern Mobilcom haben sich die Ereignisse erneut überschlagen. Nach der Entscheidung des Großaktionärs France Télécom, sein Engagement bei Mobilcom zu beenden, drohte dem Unternehmen die Insolvenz. Zur vorläufigen Rettung der rund 5500 Arbeitsplätze gewährten der Bund und das Land Schleswig-Holstein Bürgschaften in Höhe von insgesamt 400 Millionen Euro.

Nach monatelangem Tauziehen vor und hinter den Kulissen mit Mobilcom-Gründer und -Mehrheitsaktionär Gerhard Schmid zog der Verwaltungsrat von France Télécom am Donnerstag vergangener Woche einen Schlussstrich: Das oberste Aufsichtsgremium des französischen Carriers beschloss den Rückzug aus seinem Engagement bei den Norddeutschen und stellte alle Zahlungen an Mobilcom ein. Gleichzeitig trat France-Télécom-Chef Michel Bon aufgrund der katastrophalen Verschuldung des eigenen Unternehmens mit rund 70 Millionen Euro von seinem Amt zurück.

Für Mobilcom bedeutete diese Entscheidung de facto die Zahlungsunfähigkeit. Seit Monaten war der deutsche UMTS-Lizenznehmer aufgrund seines enormen Schuldenbergs und Verlusten aus dem operativen Geschäft von den laufenden Zuwendungen seines französischen Gesellschafters abhängig. Allein im zweiten Quartal waren aus Paris 290 Millionen Euro in die Kasse der Büdelsdorfer geflossen. Mobilcom-Vorstandschef Thorsten Genz stellte daraufhin für Anfang dieser Woche die Beantragung eines Insolvenzverfahrens in Aussicht, um ein Überleben des "gesunden Kerns" des Unternehmens zu sichern. Ein Großteil der gut 5500 Arbeitsplätze bei Mobilcom stünden dann aber zur Disposition.

Eine Krisensitzung des Mobilcom-Vorstands mit Bundeswirtschaftsminister Werner Müller und Vertretern der schleswig-holsteinischen Landesregierung brachte dann aber noch am vergangenen Wochenende eine überraschende Wende: Kredite in Höhe von 320 Millionen Euro der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sowie 80 Millionen Euro der schleswig-holsteinischen Landesbank, die jeweils mit entsprechenden staatlichen Bürgschaften abgesichert sind, sollen den Fortbestand des Mobilcom-Konzerns bis auf weiteres sichern helfen.

Während Bundeswirtschaftsminister Müller den offensichtlich unter dem Eindruck der bevorstehenden Bundestagswahl mit heißer Nadel gestrickten Rettungsplan als "geeigneten Rahmen für die Restrukturierung des Kerngeschäfts und die Fortführung des UMTS-Geschäfts" bei Mobilcom bezeichnete, äußerten sich Analysten kritisch. Das nun bereitgestellte Geld reiche Mobilcom gerade zum Durchatmen bis zum Jahresende, meinen viele Branchenkenner. Werde das UMTS-Netz wie geplant ausgebaut, kämen auf die Norddeutschen weitere Ausgaben von mindestens zwei Milliarden Euro zu. "Mobilcom wählt am Sonntag Rot-Grün", brachte Klaus Baumann von SES Research die Bedenken vieler Fachleute im Hinblick auf das wahltaktische Manöver der Bundesregierung auf den Punkt. Eine notwendige Marktkonsolidierung werde mit dieser Art von Beihilfe verhindert. Mobilcom müsse, so der Analyst, vor allem in seinem Mobilfunk-Kerngeschaft profitabel werden, um auf Dauer überlebensfähig zu sein.

Auch die Wettbewerber zeigten sich reserviert. Sprecher von O2 und E-Plus bezeichneten die staatliche Hilfe für Mobilcom als "ordnungspolitisch gewagt". Es müssten für alle Marktteilnehmer die gleichen Regeln gelten, hieß es. Offiziell übt man sich derzeit jedoch eher in Zurückhaltung, weil man die weitere Entwicklung bei Mobilcom abwartet. Ein Überleben der Gesellschaft in ihrer bisherigen Form gilt auch bei der Konkurrenz als längst noch nicht ausgemacht. Käme es doch noch zu einer Insolvenz, sind die 4,9 Millionen Mobilcom-Kunden, darunter 3,3 Millionen mit Festverträgen, unter Umständen auf einen neuen Service-Provider angewiesen. (gh)