"Grooming"

Der böse Onkel mit den Bonbons lauert nun im Internet

01.07.2009
Nach den Internetsperren gegen Kinderpornographie startet Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen weiteren Feldzug gegen den sexuellen Missbrauch Minderjähriger.

Das Einschleichen erwachsener Täter in Schüler- und Kinder-Chatforen im Internet mit dem Ziel der späteren Kontaktaufnahme auch in der realen Welt soll stärker bekämpft werden. Was früher der böse Onkel mit den Bonbons in der Nähe des Spielplatzes war, ist für internationale Polizeiexperten inzwischen das sogenannte Grooming im Internet geworden. Bei dieser Strategie geben sich die Täter gegenüber den Minderjährigen in den Chats diverser Netzwerke zunächst als Gleichaltrige aus. Nach einer Anwärmphase und dem Ausfragen intimer Details suchen die Täter dann ein reales Treffen mit dem Opfer, berichteten Kinderschützer am Dienstag auf einer europäischen Fachkonferenz. Thema war die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Heranwachsenden und die Kinderpornographie im Netz.

Das Internet ist öffentlicher Raum - und kein verschließbares Tagebuch, dem man die privatesten Gedanken anvertrauen könne, warnt von der Leyen die Jugendlichen. In Deutschland steht laut Bundesjustizministerium das Grooming bereits seit 2003 unter Strafe. Von der Leyen möchte mehr öffentliche Aufklärung. In der von ihr und mehreren Kinderschutzorganisationen unterzeichneten Abschlusserklärung der Berliner Konferenz wird eine stärkere Sensibilisierung der Kinder und Jugendlichen "hinsichtlich des Gewaltpotenzials" verlangt, das mit den neuen Medien einhergeht.

Dass von der Leyen ähnlich wie mit den Internetsperren erneut mit einer begeisterten Internetszene anecken kann, die jeden staatlichen Eingriff ins Netz ablehnt, nimmt sie in Kauf. Bei Jugendlichen populäre Netzwerke wie SchülerVZ haben die Abschlusserklärung nicht mitgezeichnet. Doch gerade solche sozialen Netzwerke sollten ein Eigeninteresse an mehr Sicherheit haben, wirbt die Ministerin um Unterstützung. Von der Leyen: "Kinder sind oft sorglos. Sie ahnen nicht, wie das missbraucht werden kann, was sie voller Vertrauen ins Netz stellen." Bei SchülerVZ setzt man bisher auf einen eigenen Verhaltenskodex mit 13 Geboten, den jeder Neuanmelder zunächst akzeptieren muss.

Europol-Direktor Rob Wainwright setzt im Kampf gegen Kindesmissbrauch und auch gegen Kinderpornographie im Internet vor allem auf einer besseren internationalen Informationsaustausch. Allerdings gibt es immer noch in 95 der weltweit knapp 200 Staaten keine gesetzlichen Verbote von Kinderpornographie. Nach Deutschland will auch künftig Frankreich Sperrseiten einführen, wenn Internetnutzer Seiten mit kinderpornographischen Inhalt anwählen. Insgesamt verfügen dann 14 Staaten über Sperrmaßnahmen, darunter die skandinavischen Länder, Belgien, Italien und Großbritannien.

Kinderschutzorganisationen wie Unicef, Save the Children und Innocence in danger verlangten in Berlin eine bessere internationale Zusammenarbeit zur einheitlichen Strafbewehrung und zur Strafverfolgung. Auch müsse die Opferidentifizierung und ihre Nachbetreuung verbessert werden. Kathrin Wieland von Save the Children Deutschland nannte dazu Zahlen. Danach sind bei Interpol inzwischen weltweit eine Millionen Bilder mit vergewaltigten oder misshandelten Kindern gespeichert. Von den rund 50.000 Opfern seien aber erst 900 identifiziert. (dpa/tc)