"Der Boersengang bringt unseren Investoren mehr als der Verkauf"

02.06.1995

CW: Der klassische Anwendungsbereich fuer objektorientierte Datenbanken ist CAD. Wie gross ist der Umsatzanteil, den Sie in diesem Marktsektor generieren?

Atwood: Engineering-Design macht 20 bis 30 Prozent unseres Geschaeftes aus. Etwa 40 Prozent tragen die Telekommunikations- Anbieter zu unseren Einnahmen bei. Darueber hinaus werden objektorientierte Datenbanken fuer Applikationen eingesetzt, die als unternehmenskritisch gelten, beispielsweise fuer Boersensysteme.

CW: Es handelt sich also in jedem Fall um Anwendungsbereiche, die sich mit relationalen Datenbanken einfach nicht abdecken lassen.

Atwood: Das ist im Augenblick sicher richtig. Aber auf die Dauer wird sich das einfachere Datenmodell auch in ganz alltaeglichen Anwendungen bewaehren. Ein gutes Beispiel dafuer ist unser Kunde North-West Natural Gas aus Portland, Oregon, der sein Abrechnungssystem auf einer objektorientierten Datenbank aufgebaut hat.

CW: Was passiert dann mit der Fuelle von Informationen, die bereits in anderen Datenbank-Management-Systemen gespeichert sind?

Atwood: Dasselbe wie nach der Markteinfuehrung der relationalen Datenbanken. Die neuen Anwendungen werden auf der Basis der modernen Datenbanken implementiert, die alten bleiben, wo sie sind. Wir investieren viel Arbeit in Gateways, die es erlauben, Daten aus IMS oder Oracle in objektorientierte Datenbanken hineinzuziehen, zu verarbeiten und wieder zurueckzuschicken.

CW: Welche Rolle spielt Ihre enge Beziehung zur IBM im Umgang mit den Kunden?

Atwood: Wir kommmen auf diese Weise in Unternehmen hinein, die sich ansonsten wohl vor der Objekttechnologie fuerchten wuerden.

CW: Diese Medaille hat eine Kehrseite. Die meisten Unternehmen, an denen sich IBM beteiligt hat, sind ueber kurz oder lang in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Haben Sie keine Angst, dass es Ihnen genauso ergehen koennte?

Atwood: Ja, ja. Dasselbe hoeren wir auch von unseren Konkurrenten. Merkwuerdigerweise haben sie sich aber alle maechtig ins Zeug gelegt, um unseren Platz einzunehmen. Aber im Ernst: Wir haben mit der IBM eine sehr ausgewogene Vereinbarung getroffen.

CW: Trotzdem besteht die Gefahr, dass IBM irgendwann ein eigenes objektorientiertes Datenbanksystem auf den Markt bringt.

Atwood: Tatsaechlich gab es auf diesem Gebiet zwei IBM-interne Projekte, eins in San Jose und ein anderes in Deutschland. Beide wurden eingestellt. Die deutsche Gruppe arbeitet jetzt an einem Werkzeugkasten fuer die Administration unseres Produkts Objectstore.

CW: Wieso ist Ihr Mitbewerber Versant eher als Sie selbst in der Lage, Schnittstellen zu IBMs Smalltalk-Werkzeugen bereitzustellen?

Atwood: Object Design versucht normalerweise, die Dinge richtig zu machen, und das dauert oft ein bisschen laenger.

CW: Wann kommt denn die Smalltalk-Version von Objectstore auf den Markt?

Atwood: Sie wird bereits seit neun Monaten getestet. Und spaetestens im kommenden Juli geht sie in Produktion.

CW: Oracle hat kuerzlich versucht, Object Design zu uebernehmen. Was hatte Larry Ellison mit Ihnen vor?

Atwood: Nun, fuer Oracle macht es Sinn, den Marktfuehrer der naechsten Datenbankgeneration zu kaufen, bevor er das eigene Geschaeft beeintraechtigen kann. Aber eigentlich war dies schon der dritte Versuch, uns zu uebernehmen.

CW: Wer waren denn die beiden anderen Interessenten?

Atwood: Novell und IBM.

CW: Und warum haben Sie bislang immer abgelehnt?

Atwood: Wir wollen im kommenden Jahr an die Boerse gehen. Das wird auch unseren Investoren mehr einbringen, als wenn wir das Unternehmen jetzt verkaufen.

CW: Wuerden Sie Oracle eine Minderheitsbeteiligung einraeumen?

Atwood: Wissen Sie, was wir wirklich wollen, sind Distributionsabkommen. Aber das endet oft damit, dass der Partner uns eine Uebernahme vorschlaegt.

CW: Mit anderen Worten: Oracle wuerde sich nicht mit ein paar Prozent zufriedengeben.

Atwood: Ja, das nehme ich an. Schliesslich ist Oracle ein ganz schoen aggressives Unternehmen.

Thomas Atwood ist Chairman und Gruender der Object Design Inc. (ODI), Burlington, Massachusetts. Das Interview fuehrte CW- Redakteurin Karin Quack.