Jobkiller-Syndrom treibt Betriebsräte auf die Barrikaden:

Der Bildschirm wird zum Zankapfel

07.11.1980

MÜNCHEN - Betriebsräte zwingen Datenverarbeiter in die organisatorische Defensive. Heftige Kontroversen, insbesondere bei der Einführung von Bildschirm-Arbeitsplätzen, prägen inzwischen in vielen Unternehmen das Verhältnis zwischen Gewerkschaftern und DV-Management. Während die Arbeitnehmer-Vertreter den DV-Leuten Rationalisierungswut vorwerfen, monieren diese vor allem die Inkompetenz ihrer Gesprächspartner. Unkenntnis in Sachen DV führe entweder zu "totalen Mißverständnissen" oder münde nicht selten in "blinde Polemik".

"Unser Problem ist heute", beklagt sich ein DV-Chef aus dem westfälischen Gladbeck, "daß Betriebsratsmitglieder meist aus dem unteren Angestellten-Verhältnis kommen und für uns als Gesprächspartner völlig inkompetent sind." Fehlendes DV-Wissen sei einer der Gründe, warum Betriebsräte meist nur "wie besessen auf der Ergonomie herumreiten", jedoch am Kern der Sache vorbeigingen. Der Westfale, der selbst einige Jahre aktiv in der DAG tätig war, veranschaulicht seinen Frust an der Situation seiner eigenen Abteilung: "Infolge von Personalmangel arbeiten wir seit Monaten streßgefährdet zwischen zwölf und 15 Stunden am Tag - dafür hat sich der Betriebsrat jedoch noch nie interessiert."

Der DV-Chef der Hamburger Messe- und Kongreß GmbH, Günter Stelling, will indessen festgestellt haben, daß Gewerkschaftler verstärkt versuchen, sich auf dem DV-Sektor zu profilieren. Der Computer sei als Buhmann und Jobkiller in aller Munde und biete somit zahlreiche Angriffspunkte, die nur darauf warteten, ausgeschlachtet zu werden. Nachdem vom Urlaubsgeld über Sozialleistungen bis hin zur Pausenregelung vieles zum Vorteil der Arbeitnehmer geregelt worden sei, suche man nunmehr nach einem neuen Betätigungsfeld.

Grund zum Ärgern hat der DV-Leiter eines Berliner Kompressoren-Werkes: Seit Monaten läuft der Betriebsrat Sturm, weil die "völlig veraltete Datenerfassung per Lochkarte" durch Bildschirm-Arbeitsplätze ersetzt werden soll. "Wir versuchen immer wie der, die Probleme sachlich mit dem Betriebsrat zu diskutieren", mokiert

sich der Berliner DV-Mann, "trotzdem läuft jedes Gespräch auf totale Konfrontation hinaus." Inzwischen hätte man durch Androhung einer 50000-Mark-Klage seine gesamte Planung blockiert und er habe schwer zu kämpfen, daß nicht auch noch der eigene Stuhl ins Wanken gerate. Ein Betriebsratsmitglied lehnte hierüber jede Stellungnahme ab: "Bei uns gibt es keine Kontroversen."

Ottmar Witt, DV-Chef bei den Condor Versicherungen in Hamburg, ist vor allem über die "Verzögerungstaktik" der Betriebsräte vergnatzt: "Durch permanente Diskussionen über völlig sekundäre Probleme können geplante Projekte meist nur mit erheblichen Verzögerungen realisiert werden. Allein über die Frage, ob grüne, gelbe oder bernsteinfarbige Bildschirme eingesetzt werden sollen würde wochenlang lamentiert.

Auch bei der Aumund Förderanlagen GmbH in Rheinberg löste die Einführung von Bildschirm-Arbeitsplätzen erhebliche Diskussionen aus. Für DV-Chef David Schlächter sei nach seinen eigenen Worten klar erkennbar gewesen, daß vor allem die Regenbogenpresse das geistige Unterfutter für die Betriebsrats-Argumentation geliefert habe. Schlächter: "Die Medien wühlen im Bewußtsein der Mitarbeiter, indem sie den Computer als Jobkiller anprangern." Fehlendes Detailwissen werde dann in den Diskussionen meist durch Polemik kompensiert.