Persönlichkeiten gesucht

Der Beruf des SAP-Beraters birgt ein hohes Konfliktpotenzial

16.03.2017
Von Jens Basan
Im Zuge der Digitalisierung verändert sich auch das Berufsbild des SAP-Beraters. Sechs Tipps geben Hinweise, worauf es künftig ankommt, wenn man auf diesem Gebiet erfolgreich sein will.
  • Es gehört heute zum normalen Alltag eines Beraters, dass er mit Anforderungen konfrontiert ist, die er noch nie gesehen und gelöst hat.
  • Gefragt sind heute Persönlichkeiten, die die digitale Transformation begrüßen, begreifen und mitgestalten wollen.

Die digitale Transformation verändert viele Jobs - aber zuerst jene, die maßgeblich an der Digitalisierung und der aktiven Gestaltung des Wandels beteiligt sind. SAP-Berater müssen in ihrer anspruchsvollen Rolle seit jeher technologische und geschäftliche Anforderungen miteinander in Einklang bringen und über eine hohe Kompetenz in der Branche, in der sie tätig sind, verfügen. Heute, im Zuge der Digitalisierung wird der Job viel umfassender - und gleichzeitig viel spannender.

In der Vergangenheit ging es vereinfacht gesagt darum, vorhandene Prozesse zu begreifen, zu digitalisieren und damit zu rationalisieren. Nun, in der Digitalen Transformation, geht es verstärkt darum, neue Prozesse aufzubauen und das Design von Geschäftsmodellen zu überarbeiten: Wie kann ich die Wertschöpfung unterstützen? Welche Prozesse kann ich ändern, verbessern, hinzufügen oder eliminieren?

Gefragt sind heute Persönlichkeiten, die die digitale Transformation begrüßen, begreifen und mitgestalten wollen.
Gefragt sind heute Persönlichkeiten, die die digitale Transformation begrüßen, begreifen und mitgestalten wollen.
Foto: Pressmaster - shutterstock.com

Die technische Umsetzung überspringt die Grenzen einzelner Technologien und einzelner Hersteller. Viele Geschäftsabläufe lassen sich heute ganz neu gestalten, weil wir neue Technologien zur Verfügung haben. Dazu gehören vernetzte Sensoren, internetfähige Maschinen, SaaS, mobile Geräte oder die Echtzeitfunktionen von HANA. Es reicht nicht länger, nur auf einen Teilbereich zu schauen. Die horizontale Integration zählt. Alles muss zueinander passen. Die Konsequenz: Das gewohnte Customizing in einem vorgegebenen Framework allein ist nicht mehr ausreichend.

Neue Anforderungen

Auch die Vorstellung, dass ein Berater ein eng abgegrenztes Feld vollständig beherrscht, wird nicht mehr lange dem Kern des Beraterbilds entsprechen. Die Spezialisierung auf ein, zwei SAP-Module ist nicht mehr zukunftsweisend. Es gehört heute vielmehr zum normalen Alltag eines Beraters, dass er mit Anforderungen konfrontiert ist, die er noch nie gesehen und gelöst hat. SAP-Berater müssen sich auf eine neue Karrierewelt vorbereiten, wenn sie in den nächsten Jahren den Anschluss behalten wollen.

Zu den zentralen Fähigkeiten, die ein SAP-Berater in der Zukunft beherrschen sollte, gehören die folgenden sechs Tugenden: Präsentationsfähigkeit, Branchenwissen, agiles Projektmanagement, Tool-Wissen, vernetztes Arbeiten und Konfliktfähigkeit. Wie können sich angehende und erfahrene SAP-Berater dieser Herausforderung stellen? Vorbedingung ist zunächst einmal eine Offenheit für die Veränderungen und eine grundsätzlich hohe Trainings- und Ausbildungsbereitschaft. Einige Tipps:

Präsentationsfähigkeit

Präsentations-Skills waren schon immer gleichermaßen wichtig, um sowohl in den verschiedenen Situationen überzeugend Ideen einzubringen, Konzepte verständlich zu entwickeln als auch deren Umsetzung greifbar darzustellen. Ein Präsentationstraining mit Videokontrolle und Feedback kann dafür sorgen, sich auf die eigenen Fähigkeiten zu konzentrieren, aber auch zu verstehen, was der Gegenüber in der verfügbaren Zeit aufnehmen kann. Zusätzlich hilft das aufmerksame Beobachten im eigenen Umfeld, was eine mittelmäßige von einer großartigen Präsentation unterscheidet, um das nötige hohe Niveau zu erreichen. Grundsätzlich sollte man Spaß am Präsentieren und Erläutern von Ideen haben.

Tool-Wissen

Die Kenntnis neuer Hardware- und Software-Tools gehört zum Handwerkszeug eines heutigen Beraters. Welche neuesten Technologien sind vorhanden und können sinnvoll miteinander kombiniert werden? Welche Cloud-Dienste helfen vielleicht, auf einfache Weise komplexe Probleme zu lösen? Welche mobilen Technologien könnten Prozesse beschleunigen? Welche vorkonfigurierten Branchenlösungen könnten Projektzeiten verkürzen? Welche Internet-of-Things-Devices sind verfügbar, die möglicherweise beim eigenen Kunden Prozesse vereinfachen können? Welche Echtzeit-Daten könnte ich heranziehen, um bessere oder schnellere Entscheidungen zu ermöglichen? - SAP Professionals in großen Beratungshäusern finden viele solcher Informationen in systematischer Form auf Informations- und Trainingsportalen vor. Aber auch in öffentlich zugänglichen Fachmedien, in E-Books, elektronischen Classrooms, öffentlichen sozialen Medien oder auf YouTube finden Berater Inhalte, die helfen können. Dieses Wissen hat angesichts der heutigen Innovationszyklen eine kurze Halbwertszeit und muss ständig aufgefrischt werden.

Vernetztes Arbeiten

Eng mit vielen anderen angesprochenen Themen verbunden ist der Aspekt der persönlichen Vernetzung. Der Berater braucht die Bereitschaft und Fähigkeit, über digitale Medien im Team zu arbeiten, Informationen schnell aufzusaugen, zu filtern und zu validieren, um die Herausforderungen zu meistern. Zum Beispiel muss man in der Lage sein, die Vermutung, dass ein bestimmter Lösungsansatz in einem Projekt hilfreich sein könnte, anhand von Experten schnell zu erhärten oder zu verwerfen. Ebenso könnte es hilfreich sein, sich in der Vorbereitung einer Präsentation eine kompetente zweite Meinung im eigenen Haus einzuholen. Dazu gehört die Bereitschaft, notfalls weltweit in internen Social Networks nach erfahrenen Kollegen zu recherchieren und mit diesen die wichtigen Fragen zu klären. Gerade weil das Anforderungsprofil eines SAP-Beraters so breit geworden ist und ein einzelner Berater nicht jedes Thema in aller Tiefe beherrschen kann, muss er in der Lage sein, die Intelligenz seiner Organisation voll abzuschöpfen.

Agiles Projektmanagement

Im Gegensatz zu noch vor ein paar Jahren sterben die großen Mammutprojekte aus, in denen über Monate oder Jahre auf das Roll-out einer Lösung hingearbeitet wurde. Man muss sich darauf einstellen, dass Projekte in einer extremen Geschwindigkeit vorangetrieben werden. Kunden erwarten dabei regelmäßig Ergebnisse, die in die Nutzung übergehen. Das heißt, Berater müssen in der Lage sein, große Projekte in kleine Blöcke zu spalten, die jeweils einen klaren Kundennutzen erzielen. Die Grundprinzipien agiler Projektmethoden lassen sich anhand von Büchern und Fortbildungen lernen. Wie man aber konkrete Projekte im SAP-Umfeld agil gestaltet, müssen sich Berater von erfahrenen Kollegen abschauen. Auch wenn es noch nicht ihr Aufgabenfeld ist, sollten sie sich für das Projektmanagement interessieren, Fragen stellen und sich aktiv in Entscheidungsprozesse einbringen, welche Ziele in welcher Reihenfolge verfolgt werden sollen.

Branchenwissen

Es ist heute jedenfalls empfehlenswert, sich entweder Wissen in sehr breiten Branchen wie im Automobilbereich oder im Maschinenbau anzueignen oder - noch besser - in mehreren Branchen. Dieses Wissen lässt sich leider nur sehr wenig in Kursen erlernen, man kann es primär nur in der Praxis erlangen. Das heißt, SAP-Berater sollten auch schon in den ersten Berufsjahren darauf hinarbeiten, dass sie eine ausreichend breite Basis erhalten. Dabei kann Branchenwissen, das man vor Beginn der SAP-Beratungskarriere gesammelt hat, sehr gut als Fundament nutzen. Es gehört aber auch das Bemühen dazu, gerade in den Anfangsjahren mit den Vorgesetzten zu diskutieren, in wieweit die Möglichkeit besteht, bei länger laufenden Projekten in ein Projekt einer anderen Branche zu wechseln, oder parallel in einem Zweiten mitzuarbeiten.

Konfliktfähigkeit

Die neue Rolle des SAP-Beraters schlägt sich auch in einem neuen beruflichen Umfeld nieder: Die Ansprechpartner bei den Kunden gehören zukünftig öfters der Geschäftsführung oder Fachabteilungen an als der IT-Abteilung. Diese Kontaktpersonen muss der SAP-Berater verstehen und begleiten können. Er muss in der Lage sein, diesem Klientel Ideen zu präsentieren und es zu überzeugen. Dabei gilt es nicht zuletzt, entstehende Interessenkonflikte auszuhalten. Die SAP-Beratung birgt grundsätzlich ein hohes Konfliktpotenzial. Es geht um Veränderungen, Entscheidungen und oft auch um Rationalisierung. Das ist oft mit Ängsten und Widerständen verbunden. Diese muss ein Berater annehmen können, ohne sich ihnen einfach zu beugen. Von den sechs genannten "Tugenden" dürfte die Konfliktfähigkeit jene sein, die sich am schwierigsten lernen oder entwickeln lässt. Wer nicht von Natur aus ein bisschen Lust mitbringt, Konfliktlinien aufzudecken, Druck standzuhalten und Streitfälle ohne Verletzungen durchzustehen, wird Jahre brauchen, bis er alle Situationen souverän meistert. Einen Tipp kann man dennoch geben: Selbstreflektion. Es hilft, sich immer wieder Fragen zu stellen wie: "Was macht der Konflikt mit mir?", "Welche Rolle spiele ich im Konflikt?", "Habe ich mich im Gespräch konstruktiv verhalten?", "Lasse ich mich von der gereizten Stimmung anstecken?", "Wie kann ich zu einer zielführenden Diskussion beitragen?" In welcher Form ein Berater diese Selbstreflektion am besten durchführt - mündlich, schriftlich, als Ritual oder ad hoc, alleine oder im Gespräch mit anderen - muss jeder für sich herausfinden.

Angesichts all dieser hohen Anforderungen könnte man sich fragen, ob ein Berater nicht auch Schwächen haben darf und dazu stehen sollte. Doch, so hart es klingt: Dafür wird er vom Kunden nicht bezahlt. Wenn bei einem SAP-Berater mit einigen Jahren Berufserfahrung größere Schwächen auch nur in einem dieser Bereiche offenkundig werden, wird dies im Markt kaum geduldet.

Gefragt sind heute Persönlichkeiten, die die digitale Transformation begrüßen, begreifen und mitgestalten wollen. SAP-Technologie bleibt ein Core-Bereich der Digitalisierung, aber die Fähigkeit, technologische Chancen darüber hinaus zu erkennen und zu nutzen, wird für den SAP-Berater immer wichtiger. Sofort, wenn sich ein paar Minuten Zeit finden, etwa auf Reisen, gilt es, sich neue Skills anzueignen. Die Praxis zeigt: Wer den Willen hat, findet auch einen Weg. Und der wird belohnt mit einem sehr spannenden Job.