Der Ausstieg ist riskant und teuer

18.03.2005
Von Prof. Dr.
Anwender lassen sich nur auf Outsourcing ein, weil sie aus dem Vertrag auch wieder aussteigen können. Allerdings ist ein solcher Wechsel mit erheblichem Aufwand verbunden.

Die zeitliche Befristung von Outsourcing-Verträgen und mehr oder weniger umfangreiche Kündigungsklauseln suggerieren eine mögliche Trennung zum Laufzeitende. Rücknahmen der IT in den Eigenbetrieb (Backsourcing) wie bei Porsche und Smart und der eine oder andere Fall, in dem Auslagerungs-Dienstleister von Konkurrenten abgelöst wurden (etwa bei der Hybernia Bank oder dem Royal Automobil Club), zeigen, dass eine Trennung prinzipiell praktikabel ist. Dieses Signal ist wichtig, denn kaum ein Interessent würde eine Outsourcing-Partnerschaft ohne eine Ausstiegsperspektive eingehen. Gerade deutsche Anwender fürchten die Abhängigkeit von einem Anbieter. Die Aussicht, den Vertrag kündigen zu können, betrachten die Outsourcing-Kunden hier als ein Korrektiv.

Die Aussicht auf eine potenzielle Trennung ist also Grundvoraussetzung für den Beginn einer Partnerschaft. Auch die zunehmende Verkürzung von Vertragslaufzeiten in den letzten Jahren weist in diese Richtung. Im Kampf um Verträge versuchen die Anbieter dem Nachfrager zu signalisieren, dass er ihm schon nach relativ kurzer Zeit die Option einräumt, seine Entscheidung zu revidieren.

Aber unabhängig davon, ob eine Kündigung stattfindet oder ein Vertrag ausläuft, geht der Kunde bei einem Anbieterwechsel oder einem Backsourcing erhebliche Risiken ein: Es entstehen Transferrisiken, die denen zum Vertragsbeginn kaum nachstehen. Dies gilt insbesondere in Hinsicht auf die betroffenen Mitarbeiter: Die Bereitschaft der ehemaligen IT-Angestellten, erneut den Arbeitgeber zu wechseln und zum alten Unternehmen zurückzukehren, dürfte sich in Grenzen halten. Besonders abgeneigt sind Mitarbeiter, die mittlerweile für andere Kunden des Outsourcing-Anbieters tätig oder ins Management aufgestiegen sind, sowie solche, die erst nach der Übergabe begonnen haben, für den Kunden zu arbeiten.

Die betroffenen Mitarbeiter rechtzeitig ins Boot holen

Diese Probleme gewinnen an Bedeutung, je weiter ein Outsourcing-Projekt fortgeschritten ist. Wenn zu viele Mitarbeiter dem Übergang widersprechen, ist die reibungslose Übernahme des Betriebs gefährdet. In der Folge kann auch die Motivation der auf Seite des Anwenderunternehmens involvierten Manager und Mitarbeiter leiden, weil die Arbeitslast zu groß wird.

Konfliktdämpfend könnte sich auf den Verlauf des Übergangsprojekts auswirken, dass bei einer Trennung die Reputation des Dienstleisters auf dem Spiel steht. Das Management des alten Outsourcing-Anbieters wird im eigenen Interesse alles unternehmen, um in dieser Situation einen kooperativen Eindruck zu erwecken. Um nicht mögliche andere Kunden zu verschrecken, wird der IT-Dienstleister im günstigsten Fall sogar über den vertraglich vereinbarten Einsatz hinausgehen, um das Beziehungsende für alle Seite unproblematisch zu gestalten.

Auch die Anbieter wollen ein reibungsloses Vertragsende

Wie wichtig Outsourcing-Anbieter ein reibungsloses Vertragsende nehmen, zeigt exemplarisch der IT-Dienstleister EDS, der diesem Thema eigens einen Artikel in einem vom damaligen Geschäftsführer herausgegebenen Buch widmete. Dort wird ein erfolgreicher Backsourcing-Fall unter dem Titel: "There is a life after Outsourcing" von einem Verantwortlichen des Kunden Porsche dokumentiert. Helmut Dorfmüller, damals DV-Chef bei Porsche, betont darin, dass diese Rückabwicklung mit einem "innerhalb der IT-Branche weit verbreiteten Vorurteil" aufräumt: "Outsourcing muss nicht abhängig machen."

Doch es gibt auch Begleiterscheinungen, die selbst bei gutem Willen sich dem Einfluss des Dienstleisters entziehen. Während er auf die Mitarbeiter, die nicht zu ihrem früheren Arbeitgeber zurückkehren beziehungsweise zu einem neuen Dienstleister wechseln wollen, einwirken kann, ist er machtlos, wenn solche Leute kündigen. Auch auf die Loyalität und die Motivation der zum zweiten Male verschobenen Mitarbeiter kann der gekündigte Outsourcing-Anbieter nur bedingt Einfluss nehmen. Hier sind vor allem der Outsourcing-Kunde oder der neue Anbieter gefordert, den betroffenen Angestellten Perspektiven zu eröffnen.

Due Diligence: Dem Konkurrenten in die Karten schauen

Neben den Risiken entstehen auch erhebliche Kosten. Ein faires Kündigungsverfahren umfasst Regeln zum Schutz der Investitionen der Anbieter, der Kunde ist daher in der Pflicht, einen Teil der Transferkosten zu zahlen, die dem bisherigen Partner entstehen. Je nach Vertrag sind sogar entgangene Gewinne zu ersetzen. Dies hat auch schon zu der bizarren Situation geführt, dass sich die Auflösung des Vertrags für den Anbieter weitaus profitabler darstellte als seine Fortführung. Darüber hinaus fallen neue Transferkosten an. Kommt ein Anbieterwechsel zustande, ist erneut der gesamte Prozess vom Informationsaustausch bis zum Vertragsabschluss zu durchlaufen. Pikant dabei ist, dass der neue Anbieter die Due Diligence nur mit Unterstützung des alten Dienstleisters betreiben kann.

Auch verlieren alle spezifischen Investitionen in den bisherigen Partner wie Netzverbindungen und das Organisations- und Prozesswissen ihren Wert, der neue Partner muss dieses Know-how erst wieder aufbauen. Zusätzlich ist es unter Umständen erforderlich, Verträge mit bisherigen Lieferanten und Dienstleistern aufzulösen oder zu verändern, Abfindungen zu zahlen, Lizenzen zu übertragen sowie neue Hard- und Software zu beschaffen. Auch die Übergabe und finanzielle Bewertung vorhandener Ressourcen sollte einvernehmlich geregelt werden. Besonders schwierig wird es, wenn der alte Partner Rechenzentren konsolidiert oder weitere Synergiemöglichkeiten ausgeschöpft hat.

Die Erkenntnis, dass dies eine spätere Trennung erschweren kann, hat bereits Eingang in einige Outsourcing-Verträge gefunden, in denen der Kunde seinem Anbieter explizit untersagt, das Synergiepotenzial zu heben. Damit bleibt der Weg für eine problemlose Rückabwicklung zwar frei, doch solche Einschränkungen können keine Basis für ein erfolgreiches Outsourcing-Projekt sein.

Der Anbieterwechsel bereitet Probleme und ist daher selten

Außerdem kommt es geradezu zwangsläufig zu einem weiteren Problem: Statt mit dem Kunden beschäftigen sich Mitarbeiter und Organisation wieder eine Zeitlang mit sich selbst. Damit entstehen zwar keine direkten finanziellen Verluste, doch hierin liegt oftmals das größte Problem der sich über mehrere Monate hinziehenden Rückabwicklungsprojekte.

Die aufgezählten Risiken und Kosten führen dazu, dass Anbieterwechsel und Backsourcing eher selten sind. Selbst beim Auslaufen eines Vertrages hat der langjährige Outsourcing-Partner Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz, denn sein spezielles Wissen ist nicht ohne weiteres zu ersetzen. Ein neuer Dienstleister benötigt Zeit, um sich dieses Know-how anzueignen. Ebenso schwer wiegt, dass ein neuer Vertragspartner zunächst in eine betriebsbereite IT-Installation investieren muss, während der alte Partner ohne umfangreiche Zusatzkosten auf eine lauffähige IT verweisen kann.

Manchmal wünschen sich Anbieter das Ende herbei

Trotzdem gibt es natürlich Gründe, den Partner zu wechseln. Outsourcing lebt vom Vertrauen. Ist das Verhältnis zerrüttet, sollten sich die Vertragspartner trennen. Auslöser muss nicht immer ein handfester Streit sein, oft sind einfach nur enttäuschte Erwartungen Grund für ein Vertragsende. Auch grundsätzliche Zweifel in die Entwicklung des Partners oder gar die Befürchtung eines Konkurses könnten dazu führen, dass Anwender die teure und anstrengende Alternative eines Anbieterwechsels wählen.

Einen weiteren Grund für das Backsourcing zeigen die Beispiele Hartmann & Braun oder J.P. Morgan. In beiden Fällen ergaben sich auf Kundenseite infolge von Akquisitionen beziehungsweise Mergers neue Konstellationen, so dass das IT-Management die IT wieder selbst betreiben wollte. Aber auch die teilweise schon erfolgte (T-Systems/ Debis oder HP/Triaton) und weiterhin erwartete Konsolidierung auf Anbieterseite kann zu Wechselbereitschaft führen. Zum Anbieterwechsel ist es in der Vergangenheit auch dann gekommen, wenn zwei verschmolzene Unternehmen zuvor an unterschiedliche Partner ausgelagert hatten.

Nicht nur der Kunde, sondern auch der Dienstleister kann die Zusammenarbeit beenden, weil er unzufrieden ist. Einige Verträge im hart umkämpften Markt haben dazu geführt, dass die Anbieter mit dem Kunden kaum Geld verdienen beziehungsweise ihn teilweise sogar subventionieren. Auch die wirtschaftliche Leistungskraft mancher Kunden und deren Zahlungsmoral können dafür sorgen, dass Anbieter eine Trennung anstreben.

Insgesamt gilt: Der Anbieterwechsel oder das Backsourcing sind möglich. Je weitreichender die Bindung, desto schwieriger ist die Trennung. Dies ist ein wesentlicher Vorteil des partiellen Outsourcings, da hier die Bande zwischen den Partnern weniger fest geknüpft sind. Bei Komplett-Oustourcing-Vorhaben ist die Trennung hingegen besonders teuer und riskant. Hier helfen auch ausgefeilte Kündigungsklauseln wenig, da die Bindung in solchen Projekten eher ein ökonomisches als ein vertragliches Problem ist. Gerade unter diesem Gesichtspunkt sollte jede Entscheidung für eine langfristige Partnerschaft sorgfältig überprüft werden. Dies gilt insbesondere für die zurzeit viel diskutierte Form der Wertschöpfungspartnerschaften. Hier sind noch engere Bindungen und damit noch schmerzhaftere Trennungen zu erwarten. (jha)