Qualität von Datensichtgerät und Umgebung gleich wichtig:

Der Augenarzt kommt wer dem Bildschirm

25.05.1979

MÜNCHEN - "Der Mensch am Datensichtgerät" war das Schwerpunktthema einer Vortrags- und Diskussionveranstaltung des Deutschen Grünen Kreuzes in München, die zahlreiche Beschwerdequellen über diese Art der Mensch-Maschine-Interaktion aufdeckte. Vor allem kommt es demnach auf zweierlei an: Erstens muß das Sehvermögen des Bildschirm-Beschäftigten sorgfältig untersucht und notfalls korrigiert werden, zweitens bedürfen selbst die besten Datensichtgeräte unbedingt einer wohlüberlegten Einpassung in die allgemeine Bürolandschaft.

Das Problem "Bildschirmarbeitsplatz" wird in den nächsten Jahren gewaltig an Dimension gewinnen, schloß H. - W. Köhler von der Augenklinik der Münchner TU aus einer Diebold-Studie, wonach in spätestens sieben Jahren zehnmal soviel Textverarbeitungs-Datensichtgeräte als heute existieren dürften. Beim heutigen Angebot fällt besonders auf, daß die Hersteller auf der Suche nach der optimalen Bildschirmoberfläche offenbar noch immer im Probestadium sind: Beschichtungen, Mattierungen, Vergütungen, "Micro-Mesh"-Filter, Glasfilter etc. wetteifern miteinander und zwingen den Kunden zu sorgsamer Auswahl. Dagegen hat sich als Farbe heute allgemein Grün durchgesetzt.

Da der Bildschirm weiter als ein gewöhnliches Schriftstück vom Auge entfernt ist, muß das Auge sich laufend auf unterschiedliche Entfernungen einstellen, also akkomodieren. (Dies gilt weit weniger für reine Eingabestationen, weil der Blick der "blind tippenden" Mitarbeiter ja auf den Vorlagen ruht [oder ruhen sollte]; das Problem tritt auch nicht auf bei solchen Stationen, die nur zur gelegentlichen Abfrage eines Datenbestandes benutzt werden.) Dieses laufende Akkomodieren ermüdet, anders als gewöhnliches Lesen, die Augen merklich; zudem erschweren die geringen Kontraste in der Umgebung der Schriftzeichen auf dem Bildschirm den beidäugigen Sehvorgang, meinte Professor Hollwich, München. Eine weitere Belastung resultiert oft aus der Beleuchtung des Arbeitsplatzes, die möglichst wenig vom Spektrum des Sonnenlichts abweichen sollte.

Zwei von zehn sind für Bildschirmarbeit ungeeignet

Arbeiter an Datensichtgeräten müssen laut Hollwich deshalb unbedingt über zwei voll funktionstüchtige und harmonisch aufeinander abgestimmte Augen verfügen - was für rund 20 Prozent der Bevölkerung leider nicht zutrifft (ererbte und erworbene Sehfehler). Bei ihnen treten vorzeitige Ermüdungserscheinungen auf und es wäre daher zu wünschen, sie durch entsprechende Tests noch vor den unvermeidlichen Schwierigkeiten und späteren Schäden identifizieren zu können, meinte der Referent. Der Tarifvertrag der DAG beispielsweise berücksichtigt diese medizinischen Erkenntnisse bereits, indem er für Arbeiten am Datensichtgerät eine augenärztliche Voruntersuchung fordert (vergleiche COMPUTERWOCHE Nr. 20 vom 18. Mai 1979).

Manche Geräte sind miserabel

Die besten Augen nützen nichts, setzt einen der Arbeitgeber vor ein miserables Datensichtgerät - und solche gibt es leider noch, betonte Professor Erwin Hartmann vom Institut für Medizinische Optik der Uni München.

Zunächst einmal wären Geräte mit schwarzer Schrift auf weißem Grund zu wünschen, doch der dürfte dann nicht flimmern. Das zu realisieren ist bislang jedenfalls noch zu teuer. Die herkömmliche helle Schrift auf dunklem Grund indes erscheint entweder im Vergleich zur Geräteumgebung viel zu dunkel - das Auge muß sich laufend anpassen - oder bei "heller" Bildschirmeinstellung überstrahlen die Buchstaben einander und die Lesbarkeit sinkt. Als Kompromiß empfiehlt es sich, die Grundleuchtdichte so einzustellen, daß gerade noch keine störenden Überstrahlungen auftreten, meinte Hartmann. Dabei müsse die Schrift wesentlich größer als normaler Text dargestellt werden, denn erstens fordere allein schon das Hellauf-Dunkel-Bild eine vergrößerte Darstellung und zweitens müsse die größere Distanz zum Auge berücksichtigt werden: doppelte Größe von Zeitungsdruck sei annähernd richtig.

Weitere wichtige - und auch nach dem Kauf der Geräte noch beeinflußbare - Punkte sind das Abschirmen aller Leuchten (und Fenster), die sich im Gerät spiegeln könnten, eine um etwa zwölf Grad nach unten geneigte Blickrichtung auf den Bildschirm (höhenverstellbare Stühle und Tische ermöglichen sie) und, sehr wesentlich für die Entlastung der Augen, die Anordnung von Mattscheibe und Papierbeleg in gleicher Distanz vom Auge: So muß es wenigstens nicht auch noch laufend akkomodieren.

Licht sorgsam planen

Von den Geräteherstellern forderte Hartmann schließlich, sie sollten bei ihren Apparaten Grundhelligkeit, Kontrast und Schärfe voneinander unabhängig regelbar machen: So könnte man ihre Produkte unterschiedlichen Verhältnissen erheblich besser anpassen.

Gute Augen und gute Geräte sind immer noch keine Garanten ermüdungsfreien Arbeitens am Bildschirm, oft stört die Raumbeleuchtung das Betrachten der Daten. Noch immer werden dennoch viele Fehler bei der Installation der Bürobeleuchtung gemacht, bemerkte C. - H. Herbst aus Zürich (Bräuchli & Arnstein AG). Nach seiner Erfahrung sind die meisten Leuchten zu klein und zu hell, weshalb sie auf den Bildschirmen, Tastaturen und beispielsweise auch Klarsichthüllen der Vorlagen störende Glanzlichter und Reflexe erzeugen - Kopfschmerzen, tränende Augen, Bindehautentzündung und allgemeine nervöse Ermüdung können dann, selbst bei gesunden beziehungsweise mit entsprechenden Sehhilfen versehenen Augen die Folge sein. Auch provozieren solche Reflexe ein "gewisses" Schielen, da die Augen ihre Einstellung anzupassen versuchen - der Lampen-Reflex erfordert ja eine Akkomodation auf "weit" der Videotext aber eine auf "nah". Die daraus folgende Dauerbelastung des Sehapparats kann man sich ausmalen.

Herbst plädierte deshalb kompromißlos für die indirekte Beleuchtung durch Deckenstrahler, eine heute dank moderner Lichtquellen auch keineswegs mehr teure Lösung. Nach ihrer Installation seien Seh-Beschwerden in aller Regel schlagartig verschwunden, den Mitarbeitern also das Leben offenbar merklich erleichtert worden.

Nicht jede Brille taugt was

Stichwort Reflexe - dazu gehört auch, daß Brillenträger sich eine reflexfreie Brille zulegen sollten; unter Umständen wird wohl der Arbeitgeber sie bezahlen. Im übrigen aber, erinnerte Dr. J. Reiner, Direktor der Höheren Fachschule für Augenoptik in Köln, sind keineswegs alle Brillen mit modisch großen oder mit Mehrstärke-Gläsern für das Datensichtgerät geeignet. Vor allem bei Dioptrienwerten über etwa 4 sollte man lieber kleinere, zwar nicht so elegante, dafür aber bestens abbildende Gläser wählen, die natürlich perfekt angepaßt und zentriert werden müssen. Dagegen dürfte die Wirkung getönter Gläser, die zwar die kurzwelligen Strahlen ein wenig mildern können, in den meisten Fällen eher psychologischer Natur sein, meinte Reiner.

Bleibt als Fazit: Erst zum Augenarzt, dann an den Bildschirm - und jener muß per se ebenso gut konstruiert sein, wie seine Installation in eine gut beleuchtete Umgebung bedacht sein will. Dann sollte sich Æs, meinten die in München versammelten Fachleute einhellig, mit den Bildschirmen durchaus leben lassen. - Aber auch nur dann

* Egon Schmidt ist Wissenschaftsjournalist in München