Neuer Arbeitskollege für Berufstätige aller Ränge: Das Terminal

Der Arbeitsplatz-Architekt - eine kooperative Autorität

12.10.1979

MÜNCHEN - Wegen der in die Zukunft reichenden Bedeutung der von Ulrich Kiel angestellten Überlegungen bringt die COMPUTERWOCHE einen Ausschnitt seines Referats zum Thema: Die Stunde des Arbeitsplatz-Architekten. Kiel hielt dieses Referat als Eröffnungsbeitrag zum Symposium A anläßlich der SYSTEMS. Das Symposium stand unter der Leitthematik "Computertechnik im Büro - Die Herausforderung an den Organisator".

Computer Betriebssysteme und Peripherie sind leistungsfähig und preiswert, Datenfernverarbeitung und -übertragung ebenso, aber - insbesondere was die Anschlußeinheiten betrifft - noch zu teuer. Datenverarbeitung und Telekommunikation können heute als technologische Einheit gesehen werden.

Die Aufgabe der kommenden Jahre

-vielleicht eines Jahrzehnts - wird bei den größeren DV-Anwendern darin bestehen,

-diese einzelnen Systeme unternehmensintern zu vernetzen,

-sie aus großen gemeinsamen Datenbanken zu speisen,

-sie mit unternehmensexternen Systeme von Kunden, Lieferanten und Behörden direkt zu verbinden,

-sie durch den Anschluß optimaler Arbeitsplätze zu steuern und das Ganze wirtschaftlich unter Kontrolle zu halten.

Die Zukunfts-Trends für das kommende Jahrzehnt in bezug auf Hardware aller Art, Betriebs- und Datenbank-Software sowie Datenkommunikationssysteme und -verfahren sind positiv:

1989 werden Kosten, Zuverlässigkeit und Leistungsgrenzen der Hardware für uns Anwender sekundäre Themen sein.

Ich glaube, daß ein gewisser Widerspruch in der Praxis erkennbar ist zwischen der Tatsache, daß zwar alle Bautechniken, Instrumente und Baumaterialien für den Arbeitsplatz-Architekten bereits heute verfügbar sind, aber doch relativ wenige Spitzenleistungen dieser Architektur bisher zu sehen sind.

Einzelne Fehlschläge in der Vergangenheit, die zugegebenermaßen vielschichtiger gewordenen technischen, organisatorischen und Umfeld-Probleme, gelegentlich auch der Mangel an qualifizierten Mitarbeiten haben uns hier und da etwas zuviel von unserem Drive genommen, mit dem wir noch vor zehn Jahren an unsere Aufgaben als Datenverarbeiter herangegangen sind.

Der Arbeitsplatz-Architekt, der neue Arbeitsplätze mit Hilfe von Hardware, Software und Telekommunikationselementen gestalten will, muß heute mehr denn je aktiver Verkäufer und kreativer Berater seiner potentiellen Kundschaft sein - und diese Kundschaft ist riesengroß!

Wie groß der Markt für Arbeitsplatz-Architekten ist, kommt erst in jüngster Zeit in unser Bewußtsein. Die Bundesregierung hat erstmals 1979 das ungefähre Volumen des Informationssektors in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht.

Durch Herauslösen der informationsbezogenen Segmente aus den drei klassischen Wirtschaftssektoren Grundstoff, Verarbeitung und Dienstleistung läßt sich als Größenordnung für die in informationsbezogenen Berufen Tätigen, heute der hohe Wert von rund 40 Prozent aller Beschäftigten, feststellen. Und das trotz abflachenden Trends mit in absoluten Zahlen weiter steigendem Wachstum. Wir gehen auf zehn Millionen informationsbezogene Arbeitsplätze in Deutschland zu.

Die Aufgaben für unsere Arbeitsplatz-Architekten sind nicht minder vielfältig wie die der Architekten-Kollegen, die Gebäude für Menschen entwerfen und bauen.

Denken wir vergleichsweise zunächst an die Aufgabenpalette der Architekten vom Bau: Vom einfachen Einfamilienhaus über das Wohnsilo bis zur Trabantenstadt spannt sich die Breite unterschiedlichster Projekte im privaten Baubereich und vom kleinen Einzelhandelsladen bis zum Großbetrieb auf der grünen Wiese auf dem Gebiet des gewerblichen Bauens.

Ähnlich bei uns, den Arbeitsplatz-Architekten: Von der Gestaltung einzelner Schreibplätze bis hin zur Planung und Realisierung internationaler Kommunikationsnetze mit Hunderten oder Tausenden von Endgeräten kann die gestellte Aufgabe reichen. Dazwischen die vielfältigen Aufgabenstellungen mittleren Kalibers, sozusagen das tägliche Brot des Organisators.

Wir müssen zum Teil noch lernen, den Ausgleich zwischen der Idealvorstellung und der bezahlbaren Lösung zu finden, insbesondere auf dem Gebiet der Software. Hier müssen und können wir heute mehr Bereitschaft zeigen, marktgängige Software-Elemente bei der Konstruktion unserer Informationssysteme einzusetzen als früher üblich.

Preis Leistungsumfang und Anpassungsfähigkeit einzelner standardisierter Pakete, bestehend aus Rechner und individualisierbarer Anwendungssoftware, haben in den letzten zwei/drei Jahren beachtliche Fortschritte gemacht. Heute gibt es sicher viele zigtausend Anwendungsfälle in Deutschland, wo in einem Optimierungsprozeß der Anpassung von Betriebsorganisationen einerseits und Softwarepaket andererseits wesentliche Anwendungsbedürfnisse kleinerer Unternehmen oder auch Einzel-Anwendungsbedürfnisse in großen Unternehmen besser befriedigt werden können als mit einer individuellen Einzellösung.

Was müssen wir Arbeitsplatz-Architekten heute tun, um unsere Rolle, gesellschaftspolitisch anerkannt, unternehmensintern umfassend und technologisch fortschrittlich, in Zukunft zu spielen?

In erster Linie - meine ich - Unternehmer sein!

Wir müssen unseren Markt analysieren und konsequent bearbeiten.

Wir müssen unser Angebot konkurrenzfähig gestalten.

Wir müssen für hohes Qualitätsniveau unserer Mitarbeiter sorgen.

Wir müssen für wirtschaftliche Fertigungsverfahren sorgen und eine klare Politik des Make or Buy verfolgen.

Der Markt für den Organisator ist zunächst sein Betrieb. Von besonderer Bedeutung ist, daß der Organisationsbereich alle informationsbezogenen Arbeitsplätze eines Unternehmens als Ganzheit sieht und als seinen Markt betrachtet.

Innerhalb der Unternehmen werden mehr und mehr ressortgrenzenübergreifende Informationssysteme geschaffen. Die Datenvernetzung steht unter der Devise "Informationen für das Unternehmen - nicht für die Abteilung" und erfordert zwangsläufig eine starke zentrale, jedoch hochgradig kooperative Instanz.

Die kreative Leistung des Arbeitsplatz-Architekten liegt darin, ein für sein Unternehmen optimales Informationsgefüge zu entwickeln, das mit einem Kosten-Minimum betrieben werden kann. Alte und neue Hardware-Komponenten wie Fernkopierer und Mikrofilm sind hierbei wie eh und je nur Mittel zum Zweck.

Natürlich kann es für viele Unternehmen eine sinnvolle Strategie sein, die Verbilligung und Verbesserung der technischen Elemente Schritt für Schritt und von Fall zu Fall für die Rationalisierung einzelner Arbeitsplätze und Arbeitsplatz-Gruppen zu nutzen.

Die beste Orientierung für den Organisator, den für die jeweilige Aufgabe angemessenen Integrationsgrad zu finden, liegt auch künftig darin, zunächst den Aufwand für alle informationsbezogenen Tätigkeiten zu ermitteln.

Die Aufwandsdifferenz zwischen altem und neuem Verfahren ist zwar nicht immer der wichtigste Parameter für Systementscheidungen; bei zahlreichen Projekten spielt diese Größe sogar eine absolut untergeordnete Rolle. Aber kennen muß sie das Unternehmen, ehe die Realisierung beginnt, auch dann, wenn andere Projektziele wie Zeitgewinn oder Verbesserung des Kapitalumschlags im Vordergrund stehen.

Ferner: Die in Analogie der Fertigungsprozesse immer weiter getriebene Zergliederung von Arbeitsinhalten auch im administrativen Bereich, die noch verstärkt wurde durch die Datenverarbeitungsverfahren der ersten und zweiten Generation - nämlich Input/Batch/ Output -, stößt heute auf zunehmenden Widerstand, den der Arbeitsplatz-Architekt beachten muß.

Er kann nicht sozusagen einfach drauf los konstruieren, allein die wirtschaftlichste Lösung vor Augen die vordergründig oft in fließbandähnlicher Aufgaben-Zergliederung liegt.

Die Diskussionen um Endgeräte und ihre ergonomische Optimierung werden sehr bald vergessen sein, ganz einfach deshalb, weil die hier erhobenen Forderungen entweder schon realisiert worden sind oder in aller Kürze im Rahmen von Normen realisiert sein werden.

Die Software des Informationssystems jedoch muß so gestaltet sein, daß Mitarbeiter unterschiedlicher Qualifikation Aufgabenstellung und Hierarchie-Ebenen sinnvoll und vor allem auch wirtschaftlich Dialog führen können mit ihrem System.

Wir müssen die Informationssysteme so konstruieren, daß der einzelne Mitarbeiter sich im Lauf seiner Betriebszugehörigkeit höher qualifizieren kann, ohne unbedingt zu einem anderen System zu wechseln. Er muß sozusagen an seinem System Karriere machen können.

Das Netzwerk eines modernen Informationssystems verbindet verschiedene Unternehmensfunktionen und unterstützt alle betrieblichen hierarchischen Ebenen. Damit dringt das äußere Symbol moderner Systeme - das Terminal - unaufhaltsam auch in die Chefetagen vor.

An unsere Systeme, die horizontale und vertikale Teamarbeit unterstützen, ja zum Teil in neuer Dimension erst ermöglichen sollen, werden dementsprechend auch hohe Akzeptanz-Anforderungen gestellt.

Schon bei der Planung und während der Realisierung und Einführung neuer Systeme müssen die individuellen und sozialen Bedürfnisse derjenigen, die später mit dem System zu arbeiten haben, in kooperativer Beratung berücksichtigt werden. Der Star-Architekt, der diese Regel verletzt, kann selbst mit besten Systemen scheitern.

Nun noch ein Wort zu den Arbeitsplätzen der Zukunft, wie sie sich sozusagen auf den ersten Blick präsentieren werden.

Das Arbeitsumfeld des Büroangestellten der Zukunft - seine Umwelt - sind Arbeitsräume voll Terminals. Daran gibt es keinen Zweifel. Weit über die Hälfte der Mitarbeiter in größeren Arbeitsgruppen arbeitet 1989 intensiv mit Terminals und weitere zehn Jahre später so gut wie jeder Angestellte im Büro.

Das jeweilige Gruppen-Einkommen der Hilfskräfte, Sachbearbeiter und Manager mittlerer Ebene wird sich von Unternehmen zu Unternehmen nicht wesentlich unterscheiden. Die Hauptattraktion wird der Arbeitsplatz.

Diejenigen Unternehmen, die Raum, Klima, Terminals und Terminal-Funktionen zu einem Optimum kombinieren, werden mit Sicherheit die besten Mitarbeiter dieser Ebenen anziehen.

Die Hersteller von Büromaschinen und Terminals aller Art haben in den letzten Jahren erheblich dazugelernt, ergonomisch geeignete Arbeitsgeräte zu schaffen, die die physische Belastung des Menschen, seine Informationsaufnahme und seine Wahrnehmungsfähigkeit berücksichtigen.

Uns Anwendern fällt die wohl noch schwierigere Aufgabe zu, durch geeignete Zuordnung von Arbeitsinhalten auf die einzelnen Arbeitsplätze die Leistungsfähigkeit unserer Mitarbeiter durch Zufriedenheit mit einem akzeptierten Aufgabeninhalt zu sichern.

Wie der Architekten-Kollege vom Bau als Manager Fachleute verschiedenster Disziplinen zu koordinieren, zu führen hat, so müssen auch wir Organisatoren Systeme in Kooperation mit Fachleuten verschiedenster Provenienz entwickeln.

Spezialisten auf dem Gebiet der Strukturorganisation, der Arbeitswissenschaft, der Systemanalyse, der System- und Anwendungsprogrammierung, der Datenbank-Organisation, der Hardware-Technik und der Datenkommunikation mit hoher fachlicher Kompetenz müssen zusammenwirken, um Arbeitsplätze im Bereich der Informationsbearbeitung zu schaffen, die sowohl wirtschaftlich als auch den Ansprüchen der kommenden Jahre gewachsen sind.

Wie immer die volkswirtschaftlichen technischen und soziologischen Trends der Zukunft aussehen mögen, eines ist sicher für mich:

Die Aufgabe des Arbeitsplatz-Architekten ist heute und in Zukunft ein überwiegend kreativer Beruf. Der Arbeitsplatz-Architekt hat eine hervorragende Zukunft.