Der Amtsschimmel ist offline

04.07.2006
Die Abwicklung behördlicher Dienstleistungen über das Internet ist hierzulande zwar besser geworden, doch trotzdem galoppieren andere EU-Nationen, allen voran Österreich, den Deutschen davon.
Deutschland liegt im europäischen Vergleich in Sachen E-Government nur im hinteren Mittelfeld. Besserung ist nach Einschätzung von Capgemini nur zu erwarten, wenn interne und übergreifende Behördenprozesse überarbeitet werden.
Deutschland liegt im europäischen Vergleich in Sachen E-Government nur im hinteren Mittelfeld. Besserung ist nach Einschätzung von Capgemini nur zu erwarten, wenn interne und übergreifende Behördenprozesse überarbeitet werden.

Österreich, Malta und Estland sind in dieser Reihenfolge die am weitesten entwickelten europäischen Länder in Sachen E-Government. Was die Umsetzung von Online-Projekten angeht, konnte Deutschland zwar um acht Prozent zulegen, ist aber im Ländervergleich erneut zurückgefallen und liegt jetzt auf dem 19. Rang. Die Werte von 74 Prozent Umsetzungsgrad und 47 Prozent vollständig online verfügbarer Dienste reichen nur für einen Platz im hinteren Mittelfeld.

Zu diesem Ergebnis kommt die Management- und IT-Beratung Capgemini, die im Auftrag der Europäischen Kommission zum sechsten Mal in Folge untersucht hat, ob und in welcher Qualität Dienstleistungen der öffentlichen Hand online zur Verfügung stehen. Der Erhebung liegen 20 von der EU definierte Dienstleistungen für Bürger und Unternehmen zugrunde, die über insgesamt 12590 Internet-Adressen angeboten werden. Aktueller Stand ist der April 2006, die vorherige Untersuchung fand im Oktober 2004 statt.

Deutschland tritt auf der Stelle

Deutschland zeigt sich demnach in der jüngsten Untersuchung leicht verbessert, bleibt aber im hinteren Mittelfeld. "Trotz viel versprechender Ansätze tritt E-Government in Deutschland mittlerweile auf der Stelle. Weitere Fortschritte erfordern unter anderem organisatorische Veränderungen in den behördeninternen wie auch behördenübergreifenden Prozessen", sagt Tom Gensicke, Leiter Public Services bei Capgemini in Deutschland. Seiner Auffassung nach betrachtet die Politik E-Government vorwiegend als Kosten-, nicht aber als Wirtschaftsfaktor. Das Thema werde oft nur mit geringer Priorität vorangetrieben.

So verfüge die Initiative "Deutschland Online", die eigentlich die nationalen Initiativen zwischen Bund, Ländern und Kommunen bündeln solle, weder über finanzielle noch personelle Ressourcen. Sie existiere streng genommen nur auf dem Papier.

Im Durchschnitt erreichen die grundlegenden Online-Services der Behörden in den EU-Staaten sowie Island, Norwegen und der Schweiz 75 Prozent des maximal möglichen Online-Umsetzungsgrades. Das bedeutet eine Zunahme von rund zehn Prozentpunkten gegenüber der letzten Untersuchung vom Oktober 2004. Capgemini zufolge konzentrieren sich die am weitesten fortgeschrittenen Länder nicht mehr auf das reine Bereitstellen von Services. Sie entwickeln intelligente Lösungen, die sich an den Bedürfnissen der Nutzer orientieren, weniger an gewachsenen Behördenstrukturen. Mittelfristig sei hier eine neue Dimension in der Qualität der Leistungen zu erwarten, da die behördenübergreifende Bereitstellung von Dienstleistungen erhebliche Synergien ermögliche.

Vorteile für Firmen

Wie in den Vorjahren sind die behördlichen Online-Dienstleistungen für Unternehmen mit einem Umsetzungsgrad von 85 Prozent besser ausgebaut als die für Bürger (68 Prozent). Insbesondere in den alten EU-Mitgliedsstaaten gibt es Anzeichen, dass sich die Lücke zu schließen beginnt: Capgemini misst sieben Prozentpunkte Zuwachs bei den Bürgerdiensten, aber nur vier Prozent bei Services für Unternehmen.

Die Neulinge sind schneller

In den zehn neuen EU-Staaten liegt der Zuwachs in beiden Kategorien mit 17 beziehungsweise 16 Prozentpunkten etwa gleichauf. Capgemini-Manager Gensicke: "Die höheren Zuwachsraten in den neuen EU-Staaten sind natürlich auch auf die niedrigeren Ausgangspositionen zurückzuführen." Es zeige sich aber, dass die neuen Staaten die Bedeutung des E-Governments erkannt hätten und die Zuwachsraten hoch blieben. (hv)