HR der Zukunft

Denken und Kommunizieren werden die beiden wichtigsten Fähigkeiten

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Warum Thomas Sattelberger HR für eine lebende Leiche hält und wie diese zu neuem Leben erweckt werden kann, diskutieren der IDC-Analyst Matthias Zacher und der Berater Armin Trost mit Praxisvertretern.
Matthias Zacher von IDC stellt gewisse Spannungen zwischen Abteilungsleitern und Personalern fest.
Matthias Zacher von IDC stellt gewisse Spannungen zwischen Abteilungsleitern und Personalern fest.
Foto: IDC

Thomas Sattelberger hat es mal wieder geschafft. Der Ex-Personalvorstand der Telekom ruft mit "HR ist seit vielen Jahren eine lebende Leiche" bei Xing zu einer heftigen Diskussion auf. Mehr als 23.000 Reaktionen erzielte er binnen einiger Wochen. Dagegen schlägt Matthias ZacherMatthias Zacher vom Analystenhaus IDC leisere Töne an. Er stellte Mitte Juni in München die Studie "Mitarbeiter der Zukunft" vor, für die IDC im Auftrag von Cornerstone europaweit mehr als 1.300 Entscheider befragt hat. Die Befragten vertreten sowohl HR als auch Line of Business (LOB) und IT. Profil von Matthias Zacher im CIO-Netzwerk

Zwar widerlegt Zacher Sattelbergers Aussage nicht. Die Studie dokumentiert "gewisse Spannungen zwischen Abteilungsleitern und Personalfachkräften", wie IDC es ausdrückt. In Zahlen: Nur gut jeder zweite Abteilungsleiter sagt, er habe die Freiheit, autonome Entscheidungen zu treffen. Und 43 Prozent erklären, dass HR-Prozesse "eine bedeutende Quelle der Frustration sind".

Personalabteilung muss sich neu erfinden

Ein Requiem will Zacher trotzdem nicht anstimmen. Er appelliert jedoch an HR-Manager, sich an ihre internen Kunden besser zu verkaufen. Durch die Digitalisierung von HR-Prozessen und den Einsatz von Self-Service-Tools "muss sich die klassische Personalabteilung neu erfinden". Wie die Studie zeigt, wünschen sich die Fachabteilungen, dass HR die Mitarbeiter-Skills nicht nur verwaltet, sondern mit den Anforderungen und Aufgaben zusammenführt. Personaler müssen ihre Arbeit strategischer begreifen.

Außerdem rät Zacher, bei den Tools aufzurüsten. Das gilt nicht nur für die HR-Abteilungen selbst, sondern für das gesamte Unternehmen. Die Studie belegt den Zusammenhang zwischen der Möglichkeit, flexibel zu arbeiten, und der Mitarbeiterzufriedenheit. Wichtig ist Angestellten auch, dass sie sich intern auf andere Stellen bewerben können.

Der IDC-Analyst will Mitarbeiter als Konsumenten verstanden wissen, die mit entsprechender Erwartungshaltung an den Arbeitsplatz gehen. Das kann Andreas Eppler von Cornerstone bestätigen: "Heute hat jeder daheim einen besseren Rechner als im Unternehmen." Ihn ärgert es, wenn Führungskräfte einem Mitarbeiter über den Flur zwar ein Lob oder eine Ermunterung zurufen, aber auf der internen Kommunikationsplattform kein "Like" setzen.

Unternehmen kennen ihre versteckten Talente im Mittelbau nicht

Dem Abgesang auf HR will Eppler überhaupt nicht zustimmen. Wie er beobachtet, kennen zwar viele Unternehmen ihre zehn Prozent High Performer, nicht aber ihre "Hidden Performer", die schweigend im Mittelbau verharren und ihr Potenzial nicht zeigen. Das kann man sich heute nicht mehr leisten. Wie hoch der Wert guter Leute gehandelt wird, zeigt für Eppler der Preis, den Microsoft für Linked In zu zahlen bereit ist. Der Cornerstone-Manager schüttelt mit dem Kopf: "Das ist eine Plattform, die Lebensläufe verwaltet, und sie wird gehandelt wie Adidas oder die Deutsche Bank …"

Armin Trost wiederum unterstützt Sattelbergers These von HR als lebender Leiche. "Die Unternehmen haben in Sachen HR aufgerüstet. Da wurden Prozesse und Designs, KPI und Job-Profile entwickelt, und trotzdem nimmt die Bedeutung der HR-Abteilung ab", sagt der Consultant und Professor für Personalmanagement. Und warum? Weil die Marschrichtung auf zentrale Planung und Steuerung zugeht, also auf hierarchische Strukturen. Besser wäre, HR kümmerte sich um Mitarbeiterzentrierte Befähigung. Sein konkreter Tipp an Personaler: "Wenn Sie eine Idee haben, zeigen Sie sie nicht dem CEO. Gehen Sie in die Kantine und zeigen Sie sie einem Mitarbeiter. Wenn der das gut findet, machen Sie's!"

Trost sagt angesichts der wachsenden Komplexität von Wirtschaft und Business: "Wir brauchen in Zukunft Mitarbeiter, die vor allem zwei Dinge können: Denken und Kommunizieren." Hier bringt der Consultant das Schlagwort Diversity in die Diskussion. Für ihn keine Frage von Statistiken. "Diversity ist das Schätzen von Individualität", betont er.

Ein Unternehmen, das das nicht verstanden hat, ist Disney. Dort arbeitete ein Kunststudent namens John Lasseter. Er glaubte an eine neue Art von Trickfilm - und blieb ungehört. Der Rest ist Geschichte, genau genommen "Toy Story" mit seinen Oscars, Golden Globes und anderen Awards.

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