Den Konstrukteuren blieb nicht viel Zeit zum Ueben

06.05.1994

Die Auftragsbuecher der Magdeburger Foerderanlagen und Baumaschinen GmbH (FAM) sind gut gefuellt. Dem Unternehmen ist es schnell gelungen, westlichen Anforderungen zu entsprechen. Fuer Investitionsentscheidungen blieb unter diesem Anpassungsdruck nur eine kurze Bedenkzeit. Auch die CAD-Einfuehrung vertrug keinen Aufschub - die meisten Auftraggeber verlangen computergestuetzte Konstruktionsunterlagen.

Die Foerderanlagen Magdeburg sind in Sachsen-Anhalt seit ueber 100 Jahren ein Begriff im Bereich der Foerdertechnik. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren bewiesen, dass es flexibel genug ist, sich Umwaelzungen anzupassen. Mit 1600 Mitarbeitern war der Betrieb zu DDR-Zeiten dem Schwermaschinenbau-Kombinat Takraf angegliedert. Nach der Wende gehoerte die FAM weiterhin zum Takraf-Verbund, bis am 30. April 1993 mit der Privatisierung eine neue Aera begann. Heutige Gesellschafter sind die DBG Beteiligungsgesellschaft, die Interroll Holding AG und die Geschaeftsfuehrer Lothar Petermann und Hartmut Moeckel.

Aufgrund neuer Marktgegebenheiten und im Zuge der Privatisierung wurde die Produktpalette veraendert. Vor 1990 stuetzte sich die FAM noch auf zwei Standbeine: die Produktion von Kraenen fuer den Ostmarkt sowie die Foerdertechnik. Heute hat der komplexe Anlagenbau, die Lieferung schluesselfertiger foerdertechnischer Anlagen aus eigener Projektierung, Prioritaet. Das Unternehmen entwickelte sich zu einem Anlagenbauer fuer ueberwiegend konstruktionsgebundene Einzelfertigung. Etwa 400 Mitarbeiter planen, konstruieren, fertigen und montieren Systeme fuer Transport, Aufbereitung und Lagerung von Schuettguetern aller Art sowie von Stueckguetern wie Behaeltern, Paletten und Paketen.

Produziert wird vorwiegend fuer Kunden in Deutschland und Westeuropa. Dazu gehoeren Krupp, Mannesmann, VEAG, Dyckerhoff, Siemens, Bosch und die Deutsche Bundespost. Aber auch viele kleine und mittlere Unternehmen zaehlen zu den Auftraggebern. FAM hat eigene Entwicklungsbueros in Braunschweig und Unna und unterhaelt Vertriebsniederlassungen in Marxzell bei Karlsruhe sowie in Bochum. Die Geschaeftsbeziehungen im osteuropaeischen Raum werden weiter gepflegt, um am Markt praesent zu sein, wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen verbessern.

Anfang 1990 arbeitete man bei FAM an zwei PC-Arbeitsplaetzen mit dem CAD-System "Caddy", das 1989 im Zusammenhang mit dem Kauf einer Brennschneidemaschine installiert wurde. Von den damals 200 Konstrukteuren beherrschten nur wenige das CAD-System. Doch man war sich im klaren, dass der CAD-Einsatz Fehler reduziert und einen hoeheren Durchsatz bringt. Dabei konnte das Unternehmen von der bereits begonnenen Standardisierung der Konstruktion profitieren. "Wer die neuen Technologien beherrscht, dem gehoert die Zukunft. Das war uns von Anfang an klar", bekundet Volkmar Olbrich, zustaendig fuer Organisation und Datenverarbeitung. "Ganz wichtig fuer die Entwicklung einer IT-Infrastruktur ist dabei, dass die Geschaeftsfuehrung voll hinter den Entscheidungen steht. Fuer uns war das selbstverstaendlich."

Im Vorfeld der Entscheidung fuer die heutige DV-Loesung haben sich die zustaendigen FAM-Mitarbeiter fuenf verschiedene CAD-Systeme angesehen. Die Entscheidung fiel zugunsten von "Professional Cadam", das von der IBM vertrieben wird, als Basissystem. Die Loesung laeuft auf Unix-basierten RS/6000-Workstations. "Wir waren in Aufbruchsstimmung und wollten schnell die westdeutsche Qualitaet erreichen. Deshalb mussten wir uns in einem kuerzeren Zeitraum entscheiden, als dies fuer derartige Investitionen normalerweise ueblich ist", erlaeutert Olbrich.

Entscheidungskriterien waren die Zahl der Professional-Cadam- Installationen im Maschinen- und Anlagenbau sowie die unmittelbare Naehe des IBM-Geschaeftspartners DVO Datenverarbeitungs-Service Oberhausen GmbH in Magdeburg, der die Cadam-Loesung mit Zusatzprodukten angeboten hat. Die Magdeburger DVO-Geschaeftsstelle fuehrt bei FAM die Systembetreuung durch und konvertierte die Daten mit Hilfe der DXF-Schnittstelle vom PC-System Caddy auf die Unix- Loesung. Ergaenzend zu Cadam werden noch Makros zum Beispiel fuer Profildarstellungen eingesetzt.

Die Einfuehrung der CAD-Arbeitsplaetze erfolgt stufenweise, mittelfristig sollen alle Mitarbeiter die gleiche Qualifikation erhalten. Die Implementation artete zu einem Kraftakt fuer alle Beteiligten aus, da bereits nach der Grundschulung Angebote mit Hilfe der CAD-Loesung erstellt werden mussten. Weitergehende Schulungen erfolgten parallel. "Wenn wir unsere Angebote nicht mit CAD-gestuetzen Konstruktionsunterlagen hinterlegen, haben wir am Markt so gut wie keine Chance. Ebenso wird man vertraglich verpflichtet, alle Ausfuehrungskonstruktionen ueber CAD abzuwickeln", erlaeutert Werner Flohr, Leiter Organisation, Datenverarbeitung und Personal.

Derzeit wird die Loesung auf 27 CAD-Arbeitsplaetzen in Konstruktion und Projektierung genutzt; weitere sind geplant. Hinzu kommen drei Interleaf-Lizenzen auf RISC-Systemen fuer die technische Dokumentation der Produkte. Laserdrucker, Plotter und Magnetbandeinheiten vervollstaendigen die Konfiguration. Im kommerziellen Bereich arbeitet die FAM mit einem IBM-AS/400- Rechner, Modell E45, und 55 Terminals. Alle Systeme sind ueber Token Ring vernetzt.

"Trotz der kurzfristig getroffenen Investitionsentscheidungen gab es nur wenige Schwierigkeiten bei der Inbetriebnahme der CAD- Systeme. Mit der Lieferzeit der RISC-Rechner waren wir nicht immer zufrieden. Bei einem solchen Massenprodukt sollte man schon eine kuerzere Lieferfaehigkeit erwarten koennen", resuemiert Org./DV-Chef Flohr. Als weiteren Kritikpunkt fuehrt er die Softwaredokumentation an: "Es ist nicht zu verstehen, dass bei einer so verbreiteten Software wie Cadam die Handbuecher nicht in deutscher Sprache vorlagen. Die meisten unserer Ingenieure beherrschen zwar Englisch, deutschsprachige Handbuecher wuerden aber vor allem in der Einarbeitungszeit die Suche nach Informationen wesentlich verkuerzen." Hier solle sich die IBM mehr an den Anforderungen der Kunden orientieren.

Die erhoffte Effizienzsteigerung ist laut Flohr eingetreten und nimmt mit dem CAD-Ausbau weiter zu. Flohr: "Hinzu kommt, dass der CAD-Einsatz aufgrund unserer bis Ende 1994 gut gefuellten Auftragsbuecher absolut notwendig ist."

Von Anne Christina Remus. Die Autorin ist selbstaendige Beraterin, Marketingteam Hamburg.