Produktionspausen, Entlassungen und sinkende Gewinne kennzeichnen die DV-Branche:

Den Kompatiblen bläst der Wind ins Gesicht

19.04.1985

MÜNCHEN (ru) - Aufstieg und Fall liegen in kaum einem anderen Wirtschaftszweig so dicht beieinander wie in der DV-Branche. Zwar ist sie zum Herzschrittmacher der Konjunktur geworden, doch beginnt es, hinter der glänzenden High-Tech-Fassade zu bröckeln. Mit dem langsamen Niedergang der Kompatiblen gerät eine Welt ins Wanken, die der IBM Paroli bieten wollte.

Die negative Trendwende hatte bereits im vergangenen Jahr begonnen. Ehemals gesunde Hersteller IBM-kompatibler Mikrocomputer, Peripheriegeräte und Großrechner begannen zu kränkeln (vergleiche CW Nr. 2/85).

In den Kreis der Gefährdeten reihten sich auch die Halbleiterhersteller ein. Mit Riesensummen hatte die Chip-Industrie ihre Produktionskapazitäten ausgebaut. Die nachlassende Nachfrage nach den Siliziumplättchen drückte Umsätze und Gewinne.

Betroffen war etwa die Intel Corp., zu rund 22 Prozent am Gängelband der IBM. Das im Silicon Valley ansässige Unternehmen schickte zu Beginn dieses Jahres 900 Beschäftigten in den USA die Kündigung. Nach einem scharfen Gewinnabfall in den letzten Quartalen des Jahres 1984 weist Intel für die ersten drei Monate 1985 einen Nettogewinn von elf Milliarden Dollar aus. Ein Jahr zuvor waren in Santa Clara noch 50 Millionen Dollar erwirtschaftet worden. Analysten glauben, Intels Schwäche sei durch die verzögerte Auslieferung des IBM-Mehrplatzechners PC AT bedingt.

Auch Texas Instruments (TI), auf ein Comeback im Computergeschäft fixiert, läuft derzeit hinter den Erfolgen der Vergangenheit her. Nach Entlassungen und einem mageren Ergebnis für das letzte Quartal '84 hat TI auch die Prognosen für 1985 revidiert. Freisetzungen und einen Erdrutsch bei den Ergebnissen für das dritte Quartal des laufenden Geschäftsjahres gab es auch bei Natsemi.

Federn mußten überdies die Hersteller von IBM-kompatibler Speicherperipherie lassen. Storagetec (STC) scheiterte im Geschäft mit den Dünnfilmplatten an der 3380-Offensive der IBM. Der Rettungsanker hieß Chapter 11. Verluste durch die neue Gerätegeneration aus Armonk plagten auch die Burroughs-Tochter Memorex.

Auf der Strecke bei der blitzartigen Marktbesetzung durch Mother Blue blieb ferner Control Data (CDC). Die Gewinnkurve sackte durch. CDC zog sich aus dem Verlustgeschäft der Speicher zurück und will jetzt Mitarbeiter entlassen sowie Teile des Unternehmens verkaufen. Erwartet wird, daß dazu auch die Bereiche Datenservice und Peripheriegeräte gehören.

Mohawk Data Sciences (MDS) geriet nach Verlusten in die Fänge des Spekulanten Asher B. Edelman. Das gleiche Schicksal teilt jetzt Datapoint. Tandon, Hersteller von Floppy-Disk-Laufwerken, unter anderem für den IBM PC, schreibt erstmals in seiner neunjährigen Geschichte Verluste. Ein rückläufiger Gewinn macht auch Tandy zu schaffen. Gavilan schließlich, im vergangenen Jahr unter den Schutz von Chapter 11 geschlüpft, besteht nicht mehr.

Auf abschüssiger Bahn steht auch Verbatim, amerikanischer Floppy-Disk-Produzent. An sinkende Gewinne glaubt ferner Data General, und Hewlett-Packard (HP) in Palo Alto verzeichnete kürzlich eine geringere Ordertätigkeit. Im Geschäftsjahr 1984 operierte die deutsche Tochter immerhin erfolgreicher als die Mutter. Schleppender Absatz beim Macintosh heißt es bei Apple. Werkschließungen für eine Woche sollen Atem schaffen.

Nicht gerade rosig steht es um Wang. Einen Gewinneinbruch um mehr als 50 Prozent sieht der Bürocomputerbauer als durchaus realistisch voraus. Rund 6500 Beschäftigte schickt Wang im kommenden Juli in einen zweiwöchigen Zwangsurlaub.

Als Schweden an Minusgrade gewöhnt, spricht auch die Ericsson Information Systems vom deutlichen Absinken ihres Erfolgsthermometers auf unter Null. Die beiden deutschen Töchter segelten indes 1984 auf gutem Kurs. Das US-Geschäft aber ließ zu wünschen übrig.

Doch die Talfahrt traf nicht nur die "Kleinen". Der sonst so laufruhige Motor der IBM begann zu stottern und die Fahrt verlangsamte sich im ersten Quartal dieses Jahres (siehe auch "IBM macht Order-Loch durch Sierra zu schaffen"). Der Buhmann heißt hoher Dollarkurs. Konditionsschwächen im Kampf um den Mainframe-Markt ließen Amdahl abfallen. Noch muß sich zeigen, ob sich der Aufwärtstrend des vierten, Quartals 1984 im laufenden Geschäftsjahr fortsetzt. Schwierigkeiten kann ebensowenig die britische ICL verdecken. Mit einem "Streamlining" versucht sie sich an die veränderte Marktsituation anzupassen. 950 Entlassungen in den USA und England waren das Resultat der Aktion.