ACM-Treffen: Erfahrungsberichte über Informationssysteme

Den Benutzerwünschen auf der Spur

28.11.1975

JÜLICH - Von einem "ausgezeichneten Erfolg" mit der strukturierten Programmierung beim Aufbau eines Informationssystems berichtete Dr. G. Osterburg vom Institut für Dokumentation beim Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg anläßlich des ACM-Treffens "Praxis der Realisierung von Informationssystemen" in Jülich. Er sprach sich aufgrund der gemachten Erfahrungen für den Einsatz von streng strukturierten Sprachen und von Generatoren aus und warnte vor einer "babylonischen Sprachverwirrung", wie sie beim Krebsforschungszentrum zunächst durch die Verwendung je einer Kommando-, Datenbeschreibungs-, Abfrage- und Formatierungssprache entstand. Eine einzige Systemsprache sei unbedingt vorzuziehen.

Nach den Heidelberger Erfahrungen ist erst nach Fertigstellung eines Informationssystems sichtbar, welche Erweiterungswünsche vorgetragen werden - beispielsweise zeigte sich erst nachträglich, daß in der Abfragesprache das Fehlen eines Arithmetik-Teiles als Mangel empfunden wurde. Zu beachten sei, daß sich der einzelne Benutzer meist nur für einen Teil eines Informationssystems interessiere, auf diesem Gebiet "seine" Daten aber schnell haben wolle. In der Regel reiche für einzelne Benutzer deswegen auch eine Untermenge einer Abfragesprache. Das Informationssystem dürfe nicht in einer für den Benutzer spürbaren Form vom Betriebssystem abhängig sein, das er nicht verstehe.

IS als Interface

Das Heidelberger Informationssystem "Findis" war zunächst für Literaturrecherchen, Auftragsüberwachung in den Werkstätten und Übersichten über die "Versuchstierhaltung" gedacht. Später zeigte sich,

daß zusätzliche "ungeplante" Anwendungen möglich waren: Findis wird beispielsweise auch als Interface zwischen Programmen und Dateien eingesetzt.

Laufzeit halbiert

Durch Anwendung von Puffer- und Cachetechniken hat die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR) in Oberpfaffenhofen die Laufzeit von Such-Programmen (Anfragen) um 25 Prozent (bei hoher Systemelast) bis 50 Prozent (bei niedriger Systembelastung) verringert. Bei einem Informationssystem zum Thema Umweltschutz wurde festgestellt, daß auf 4,5 Prozent des Datenbankinhaltes 56 Prozent der Zugriffe entfielen. Bei einem gesamten Datenbankumfang von 7300 KW (für 40 000 Literaturhinweise) und einem Rechner mit 128 KW Kernspeicher (TR 440) wurden zwischen Datenbank und Hauptspeicher ein schneller Cache-Speicher mit 360 KW geschaltet und darauf die meistbenutzten DB-Teile ausgelagert. Es ergab sich nicht nur ein beschleunigter Zugriff auf diesen Teil, sondern auch auf den restlichen Teil der Datenbank, weil der Arm des Plattenspeichers weniger oft vom Rand (wo bisher der meistbenutzte Teil zusammengefaßt war) den Weg zum übrigen Teil des Plattenstapels und wieder zurück machen mußte und sich die Wege des Armes nach der Auslagerung einem normalen Mittelwert näherten.

250 Anforderungen gesammelt

Insgesamt 250 Anforderungen an ein Dokumentationssystem hat das Institut für Datenverarbeitung im Rechtswesen der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD) inzwischen bei den Arbeiten zum Informationssystem Juris gesammelt, das der Bund einsetzen will. Die wichtigsten Anforderungen an die Datenstruktur faßte F. Gebhardt von der GMD so zusammen: "Es sind mindestens fünf Ebenen nötig - beispielsweise Dokument, Paragraph, Absatz, Satz und Wort (also eine mehr, als das IBM-System Stairs aufweist). Wenigstens bei Dokument und Paragraph müssen formale Angaben hinzugefügt, werden können. Eine Verweisung muß einfach realisierbar sein, Umkehrdateien (Wörterbuch) und Behandlung alter Fassungen etwa von Gesetzen sind erforderlich. Dem Benutzer darf keine Unterscheidung zwischen formatierten und unformatierten Daten aufgebürdet werden. Bool'sche Operatoren müssen auf allen Ebenen möglich, Paragraphen - und Absatzspannen benennbar sein."

Des Guten zuviel

Dreizehn Vorträge in 9 Stunden und 25 Minuten - das ist des Guten zuviel. Das German Chapter der Association of Computer Machinery (ACM) wurde mit dem Treffen in Jülich Opfer seiner eigenen guten Absichten: Einerseits sollen die Treffen nicht länger als einen Tag dauern, andererseits soll viel geboten werden. Das aktuelle Thema "Praxis der Realisierung von Informations-Systemen" brachte so viele Angebote, daß nicht einmal alle angebotenen Referate angenommen werden konnten - und daß ein Vortag von drei Autoren, der auf 3 X 30 Minuten berechnet war, von einem der drei auf 30 Minuten zusammengezogen werden mußte. Die Diskussion über die verbliebenen dreizehn Referate mußte mehrfach nach dem Motto reduziert werden "Eine Frage kann ich nicht zulassen." Dadurch sorgte die straffe Organisation der gastgebenden Kernforscher zwar für eine Einhaltung des Zeitplanes - aber nicht für das Maximum an Information, das bei solchen Veranstaltungen möglich wäre. -py