Starre Marktstrukturen machen schnelle Erfolge unwahrscheinlich

Dells Druckerpremiere stößt auf Skepsis

18.04.2003
MÜNCHEN (sp) - Der weltweite Druckermarkt ist von Preisverfall und erbitterter Konkurrenz gekennzeichnet. Nutznießer des Wettbewerbs war in den vergangenen Jahren der Marktführer Hewlett-Packard (HP). Mit dem Einstieg von Dell könnte sich das Kräfteverhältnis jedoch ändern.

Bislang war Dell im Printer-Bereich nur als Wiederverkäufer für die Geräte anderer Hersteller in Erscheinung getreten. Vergangenen Herbst ernannte der PC-Anbieter Lexmark zum Exklusivlieferanten von Ausgabegeräten und Verbrauchsmaterialien. Zudem entwickelte der Druckerhersteller erstmals eine Produktlinie, die unter dem Markennamen Dell vertrieben werden soll. Die vier Modelle - ein Multifunktionsgerät auf Tintenstrahlbasis, ein Laserdrucker für kleine Büros und Home-Offices sowie ein Workgroup-Laserprinter plus netzfähiger Variante - sind in den USA seit Ende März in Dells Online-Shop erhältlich. In Deutschland sollen sie ab September 2003 verfügbar sein.

Lexmark-Drucker mit Dell-Label

Grundsätzlich halten Experten Dells Strategie, sich mit Lexmark einen etablierten Anbieter ins Boot zu holen, für sinnvoll - auch um die speziellen Anforderungen an Service und Support erfüllen zu können. Die Frage ist jedoch, ob Dell künftig bei der Entwicklung ebenfalls eigene Wege beschreiten will. Hier hält sich der Direktversender noch bedeckt, zumindest war von Dell Deutschland dazu keine Stellungnahme zu erfahren. Lexmark wiederum ist auf neue Vertriebskanäle angewiesen. Durch die HP-Compaq-Fusion hatte der Druckerhersteller seinen wichtigen Vertriebspartner Compaq verloren. Diesen Ausfall - 2001 wurden über Compaq weltweit rund 1,6 Millionen Lexmark-Drucker vertrieben - hofft Lexmark, mit Dell kompensieren zu können.

Auf den ersten Blick scheint der Einstieg in das Printer-Geschäft angesichts des anhaltenden Preisdrucks allerdings wenig lukrativ, wie das Beispiel USA zeigt: Trotz eines Absatzanstiegs im dritten Quartal 2002 um 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 5,62 Millionen Geräte gingen die Einnahmen der Anbieter laut Gartner um elf Prozent auf 1,7 Milliarden Dollar zurück. Weltweit sanken zudem die Stückzahlen: Im vierten Quartal wurden 22,38 Millionen Drucker verkauft - 2,3 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Vor allem das margenträchtige Firmenkundengeschäft stagniert. Jetzt hoffen die Anbieter, dass die Unternehmen ihre in den letzten Jahren auf Eis gelegten Upgrades im PC-Bereich in Angriff nehmen und damit auch im Drucker-Business für positive Impulse sorgen.

Lebenszeichen gibt es momentan nur vom Privatkundenmarkt. Speziell bei Farblaserdruckern zeichnet sich wegen der wachsenden Beliebtheit der Digitalfotografie und sinkender Preise - von Minolta gibt es bereits Geräte für 600 Dollar - ein regelrechter Boom ab. Laut Gartner stieg die Zahl der in den USA verkauften Colorlaser-Printer allein im dritten Quartal des vergangenen Jahres um 49 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 96000 Stück. Im Folgequartal waren es fast 99000 Geräte. Die Zuwächse gehen vor allem zu Lasten des Tintenstrahlsegments, das im vierten Quartal 2002 einen Rückgang um vier Prozent verzeichnete. Weltweit stiegen die Laser-Verkaufszahlen um 3,6 Prozent auf 2,6 Millionen Farblaserdrucker, während die der Inkjet-Geräte um 3,4 Prozent schrumpften.

Auch All-in-one-Geräte, die über Farbdruck-, Scan- und Faxfunktionen verfügen, finden immer mehr Anhänger - vor allem unter Small-Office- und Privatanwendern. Laut Gartner ist der US-amerikanische Markt 2002 hier um 171 Prozent gegenüber dem Vorjahr gewachsen - wenn auch auf Kosten des klassischen Druckersegments: "Die Kannibalisierungseffekte nehmen zu", so IDC-Analystin Jennifer Thorwart. Die Hersteller können davon aber nur profitieren: Die Multitalente versprechen weit höhere Margen als das Inkjet-Geschäft. Auch das Zubehör-Business ist wegen des höheren Verbrauchs wesentlich einträglicher.

Generell hat sich der Verkauf von Tonerkartuschen und Tintenpatronen in den vergangenen Jahren zum eigentlichen Standbein der Druckerhersteller entwickelt. Lexmark zum Beispiel erzielte mit Druckerzubehör im vierten Quartal 2002 einen Umsatz von 654 Millionen Dollar - und damit mehr als die Hälfte seiner Gesamterlöse (1,21 Milliarden Dollar). Und: Während die Ausgabegeräte teilweise zum Selbstkostenpreis über die Ladentheke gehen, bringt das Zubehör hohe Margen.

Weltweit unangefochtene Nummer eins im Druckermarkt ist HP. Laut IDC konnte das Unternehmen seinen Marktanteil im vierten Quartal 2002 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres von 47 Prozent auf über 56 Prozent ausbauen. Der Branchenzweite, Lexmark, kommt auf 21,8 Prozent, gefolgt von Epson mit 13,8 Prozent und Canon mit 7,7 Prozent Marktanteil.

HP weiter auf Wachstumskurs

Das Geschäft ist für HP nach wie vor essenziell: Im vergangenen Jahr erzielte die Imaging and Printing Division (IPG) weltweit rund 20 Milliarden Dollar. Der konsolidierte Gesamtumsatz (mit Compaq) lag bei rund 72 Milliarden Dollar. Im Gegensatz zu PCs und Servern ist das Drucker-Business zudem mit einem operativen Gewinn von 3,25 Milliarden Dollar profitabel. Nach Einschätzung von Branchenkennern entfällt allerdings auch hier ein großer Teil auf das Zubehörgeschäft, das HP nicht separat ausweist.

Zuwächse verzeichnet der Branchenriese laut IDC-Analystin Thorwart derzeit vor allem bei den Lowend-Geräten, einem Bereich, der im vergangenen Jahr kräftig ausgebaut wurde. Nach den Worten von Regine Stachelhaus, Deutschland-Geschäftsführerin Drucker und Bildbearbeitung, sind für HP mittlerweile sogar Discounter kein Tabu mehr: "Wenn Aldi in diesem Bereich eine gesetzte Größe ist, gibt es unsere Produkte eben auch dort."

Auch Dell zählte bis vor kurzem zu den Vertriebspartnern von HPs Druckersparte, wenngleich nur etwa drei Prozent aller HP-Printer über diesen Kanal abgesetzt wurden. Nachdem Dell bekannt gegeben hatte, gemeinsam mit Lexmark eine eigene Druckersparte aufzubauen, kündigte HP das Vertriebsabkommen. Rich Raimondi, Vice President von HPs Business Imaging und Printing Group, bezeichnete die neue "Dellmark"-Fraktion sogar als "Feind Nummer eins" und signalisierte, dass HP mit einer aggressiven Preispolitik kontern werde. Ewas gemäßigtere Töne schlug Carleton Fiorina an. Die Firmenchefin nannte Dells Vorhaben, gemeinsam mit einem Partner einen neuen Markt zu erschließen, "interessant". Eine Bedrohung sehe sie darin jedoch nicht. Ihr Unternehmen habe die Konkurrenz schon immer auf Abstand halten können.

Große Herausforderungen für Dell

Angesichts milliardenschwerer Investitionen in Forschung und Entwicklung sei HP dem Direktversender zudem haushoch überlegen, was Innovationen angehe, da sich Dell bislang lediglich als Vertriebskanal positioniere. Experten sehen das ähnlich. Im Kerngeschäft mit PCs habe sich Dells Strategie, möglichst wenig für Entwicklung auszugeben und die so erzielten Einsparungen an die Kunden weiterzureichen, ausgezahlt. Sollte Dell aber tatsächlich an mehr als einem Vertriebsabkommen mit Lexmark interessiert sein und auf längere Sicht nicht nur mit Dell-Label versehene Lexmark-Drucker, sondern eigene Produkte auf den Markt bringen, würde die Rechnung laut Peter Grant, Analyst bei Gartner, nicht aufgehen: "Um im Printer-Markt wettbewerbsfähig zu sein, muss ein Anbieter viel und regelmäßig in Forschung und Entwicklung investieren."

Den Vorsprung, den sich HP über Jahrzehnte hinweg auch in patentrechtlicher Hinsicht aufgebaut hat, wird Dell daher nicht so schnell aufholen. Zudem ist fraglich, ob es dem Direktanbieter gelingt, wie angekündigt die Preise der Konkurrenz zu unterbieten und auf diese Weise vor allem HP Marktanteile abzunehmen. Nach Einschätzung von Grant waren die Dell-Geräte zum Zeitpunkt des US-Launchs preislich gut positioniert, aber nicht bahnbrechend günstig. Allerdings hat Dell die Preise nachträglich gesenkt. So kostet das All-in-one-Gerät "A940" jetzt statt 139 nur noch 109 Dollar. Für das vergleichbare HP-Produkt "PSC 2110" muss man 199 Dollar hinlegen. Dagegen liegen Dells Zubehörpreise laut Grant nicht nennenswert unter denen der Wettbewerber.

Abgesehen davon, dass der Direktversender seinen Exklusivpartner Lexmark, der sein Geld vor allem mit hochmargigem Verbrauchsmaterial verdient, mit einem Preisdumping in diesem Bereich verprellen würde, dürfte es Dell ohnehin schwer fallen, im Zubehörgeschäft Fuß zu fassen, da die Verbrauchsmaterialien im Einzelhandel häufig günstiger zu haben sind. Derzeit werden laut Gartner 90 Prozent des Druckerzubehörs über Retail-Märkte bezogen. Dell müsste also die Kaufgewohnheiten der Kunden grundlegend verändern, und das scheint unwahrscheinlich. Speziell die von Dell anvisierte Zielgruppe Small Office/Home Office kauft ihre Tinten- und Tonerkartuschen nicht auf Vorrat, sondern bei Bedarf. Eine Bestellung dauert da zu lange. Mit neuen Services hofft Dell trotzdem, die Kunden für sich einzunehmen. So wurde ein Toner-Management-System eingeführt, das den jeweiligen Tonerstand des Druckers anzeigt und die Nachbestellung per Mausklick veranlasst. Allerdings beträgt die Wartezeit fünf Tage. Wer auf einer Lieferung am nachfolgenden Tag besteht, muss eine Gebühr bezahlen.

Aber auch im Druckergeschäft selbst befindet sich Dell laut Gartner-Mann Grant noch in einem Lernprozess. Obwohl das Unternehmen über eine große Kundenbasis und Reputation im PC-Markt verfüge, müsse es noch viel Überzeugungsarbeit leisten, um das Bundling von eigenen PCs mit HP-Druckern durch ein Angebot aus reinen Dell-Produkten ersetzen zu können. "Es wird für Dell nicht einfach sein, Kunden für seine eigenen Drucker zu gewinnen", spekuliert Grant. "Auf jeden Fall wird es eine Weile dauern."

HP setzt auf Services

Um die sinkenden Margen im Business-Druckergeschäft zu kompensieren, setzt HP verstärkt auf Dienstleistungen. Ein Beispiel ist die Web-Services-gestützte Druckerwartung. Dieser automatisierte Support wurde speziell für kleine und mittlere Betriebe konzipiert, die für solche Aufgaben wenig Personal abstellen können. Zudem bietet HP Beratungsdienste und Managed Services im Printer-Bereich an. Damit sollen sich die Kosten bei gleichzeitig steigender Produktivität um bis zu 30 Prozent senken lassen. Marktforschern zufolge werden sich die Umsätze aus dem Geschäft mit Printing- und Imaging-Services und den entsprechenden Softwarelösungen von 20 Milliarden Dollar im Jahr 2001 auf 40 Milliarden Dollar 2006 verdoppeln.

Auch die Wachstumspotenziale im Bereich Digital Imaging will HP stärker nutzen. Derzeit entfallen auf digitale Prints laut IDC nur rund vier Prozent des gesamten Druckaufkommens. In den kommenden Jahren soll das Managen digitaler Inhalte jedoch rasant wachsen und den Workflow verändern. Dabei können erhebliche Einsparpotenziale entstehen: Laut Gartner lassen sich mit Ausgabegeräten, die über Printing-on-Demand- und ähnliche Planungsfunktionen verfügen, die Druckkosten um zehn bis 30 Prozent senken.

Abb: Farblaserdrucker auf dem Vormarsch

Nach wie vor arbeiten rund 80 Prozent der verkauften Geräte auf Tintenstrahlbasis. Doch der Anteil der Farblaserdrucker soll in den kommenden Jahren rasant zunehmen. Quelle: Gartner