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Dell zahlt in China Lehrgeld

05.07.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der texanische Computerbauer Dell entdeckt in China die Vor- und Nachteile eines expandierenden Marktes. Noch vor zwei Jahren habe die Unternehmensführung den Vorschlag abgewiesen, im Reich der Mitte PCs via Internet zu verkaufen, berichtete das "Wall Street Journal". Die Bevölkerung sei zu arm für Online-Shopping und nutze außerdem kaum Kreditkarten, so die damalige Begründung. 2004 präsentierte die Landesvertretung jedoch dem Konzern-Management eine Statistik, wonach allein im Küstengebiet Chinas mehr als 90 Millionen Menschen zuhause oder in der Arbeit einen Zugang zum Web besitzen. Eines Besseren belehrt, gehen bei Dell China inzwischen sechs Prozent der Bestellungen via Internet ein.

Dagegen ging Dells Konzept, über den Enterprise-Markt ins Geschäft mit Privatkunden zu rutschen, trotz anfänglicher Skepsis auch in China auf. Kenner des Landes hatten die Computerbauer darauf hingewiesen, dass in China niemand unbesehen ein Produkt kauft. Mittlerweile ist das Unternehmen jedoch mit acht Prozent Marktanteil der drittgrößte PC-Anbieter im Reich der Mitte.

Nach wie vor weit abgeschlagen in Führung liegt allerdings Lenovo mit 25 Prozent Marktanteil. Dells Möglichkeiten, den Lokalmatador zu überrennen, sind vorerst begrenzt. Neben dem bestehenden Heimvorteil hat sich das Geschäft der Chinesen erst vor kurzem durch Übernahme von IBMs Computer-Sparte vervierfacht und weltweit ausgedehnt.

Im Kampf um die Dominanz im zweitgrößten PC-Markt der Welt treffen zwei unterschiedliche Strategien aufeinander: Dell setzt primär auf Direktvertrieb und das Build-to-Order-Prinzip. Lenovo profitiert von den billigen Arbeitskräften und einem gigantischen Netz an Distributoren und Einzelhändlern. Die beiden Gegner verfolgen aber nicht stur ihren Weg sondern sind durchaus bereit, voneinander zu lernen. So arbeitet Lenovo bei einigen Großkunden bereits mit Direktvertrieb, um seine Kosten zu senken. Dell wiederum ging bei seiner Expansion nach China nicht den schnellen Weg über ein Joint Venture, sondern gründete eine eigenständige Tochter, die gute Beziehungen zur Regierung knüpfte. Bleibt die Frage, wie an Image die Texaner nun eingebüßt haben, nachdem Schmäh-Mails eines angeblichen Dell-Mitarbeiters auf dem chinesischen Internet-Portal Sina.com veröffentlicht wurden. In den elektronischen Schreiben warnt ein Vertriebs-Manager aus den USA Kunden davor, wegen dessen Verbindungen zur chinesischen Regierung bei dem Konkurrenten Lenovo einzukaufen (siehe auch: "Dell droht Ärger in China"). (mb)