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Dell und Deutschland

05.03.2001
Die Dell-Manager Mathias Schädel (D) und Kevin Rollins (US) sprachen mit der COMPUTERWOCHE über den schwierigen deutschen Markt und die strategische Ausrichtung des Direktanbieters.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Dell Computer spürt wie die meisten Technologieunternehmen die momentanen Härten des Marktes. In Deutschland schaffte der Direktvertreiber von Computern bisher nicht den Durchbruch. CW-Redakteur Jan-Bernd Meyer sprach über die Gründe und über die gerade erfolgten massiven Entlassungen mit Kevin Rollins, Vice Chairman des texanischen Unternehmens, und dem deutschen Geschäftsführer Mathias Schädel.

CW: Dell ist in Deutschland 1988 gegründet worden, also vor langer Zeit. Trotzdem hat Ihr Unternehmen hierzulande nie so richtig einen Fuß auf den Boden bekommen. Warum?

ROLLINS: Im letzten Quartal war Dell hier sehr erfolgreich...

CW: ...aber Dell ist seit zwölf Jahren in Deutschland. Und in Gartner- oder IDC-Marktanalysen taucht Ihr Unternehmen selten unter den zehn größten Computerunternehmen auf.

SCHÄDEL: Im PC-Markt sind wir momentan an siebter Stelle und im Unix-Markt ungefähr um 23 Prozent gewachsen. Das ist viereinhalb mal so schnell wie der Markt.

ROLLINS: Um aber auf ihre Frage zurückzukommen: Uns sind tatsächlich einige Fehler unterlaufen. Vor allem haben wir nicht das richtige Management eingestellt, um so erfolgreich zu sein, wie wir wollten. Zweitens hat das Management Dells Direktvertriebs-Modell in Deutschland nicht so implementiert, wie das in anderen Ländern der Welt geschehen ist.

CW: So etwas Ähnliches sagten Sie schon im März 2000, um zu erklären, warum sie Edmund Bernardi als Geschäftsführer entlassen haben. Aber Dell Deutschland gab es zu diesem Zeitpunkt schon elf Jahre. Da sollte eigentlich die Botschaft des Direktvertriebsmodells so langsam bei den eigenen Mitarbeitern angekommen sein.

ROLLINS: Ja, das stimmt schon. Es lag ja nicht allein an Bernardi. Wir haben eine ganze Reihe von Fehlern gemacht. Aber jetzt besitzen wir ein sehr stabiles Management-Team um Mathias Schädel. Wir müssen allerdings in den nächsten Quartalen der Öffentlichkeit und unseren Kunden beweisen, dass auch in Deutschland das Direktvertriebs-Modell funktioniert.

Die Probleme, die Sie ansprechen, hatten wir übrigens nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Wir sind jetzt etwa in Frankreich im PC-Markt die Nummer vier. Das war auch ein gutes Stück Kampf. Auch dort dauerte es, bis wir ein gutes Team zusammengestellt hatten. Aber Sie werden sehen, dieses Jahr wird Dell auch in Deutschland erfolgreich sein.

SCHÄDEL: Außerdem ist der deutsche Markt einfach schwieriger. Hier gibt es sehr viele Mittelstandsunternehmen, hier kaufen die Leute stark über den Preis etc.

CW: Alle diese Erkenntnisse sind ja nun nicht neu. Fujitsu-Siemens ist ein Unternehmen, das vor Jahren am deutschen Computermarkt schlichtweg nicht existent war - insbesondere im PC-Segment. Jetzt sind sie ganz klarer Marktführer. Dell hat solch einen Durchstart nie geschafft.

ROLLINS: Schauen Sie sich die Ergebnisse der vierten Quartale von IBM, Compaq, Fujitsu-Siemens und Hewlett-Packard an: Da hat keiner Geld verdient. Die hatten in Sachen Profit alle ganz schlechte Quartale. Dell hingegen hat Profit gemacht, sogar in Deutschland, sogar in Europa - Regionen mit sehr aggressiven Preiskämpfen. Sie haben aber schon Recht: Preissensitivität ist ein wichtiges Argument, wie die Strategie von Fujitsu-Siemens zeigt. Aber Sie müssen als Unternehmen eben auch Ihre Kosten niedrig halten.

Dell hat da im vergangenen Jahr zwei Schritte eingeleitet: Wir haben unser Management-Team geordnet und unsere Kosten stabilisiert. Nach dieser Phase eins treten wir nun in die Phase zwei ein, und die heißt Wachstum. Sie werden sehen, dass wir sehr viel preiswürdiger sein werden.

CW: Sie sagten, Sie hätten die Kosten reduziert. Müssten die Kosten bei einem Direktvertreiber mit ausgeklügeltem Built-to-Order-Produktionsprinzip nicht ohnehin viel niedriger als bei Konkurrenzunternehmen sein? Was war denn bei Dell so kostenintensiv?

SCHÄDEL: Wir haben etwa unsere E-Business-Aktivitäten sehr verstärkt und unsere Consulting- und Servicemannschaften verdoppelt.

CW: Ein anderer Punkt, mit dem Dell der Branche Rätsel aufgibt, ist die Tatsache, dass sich Ihr Unternehmen beim Thema Wireless Computing nicht engagiert. Dell scheint im Gegensatz zu Anbietern wie IBM, Compaq, Fujitsu-Siemens und HP in dieser Hinsicht gar nichts auf dem Plan zu haben.

ROLLINS: Es gibt zwei Strategien, das Thema Mobile beziehungsweise Wireless Computing anzugehen. Die eine ist unserer Ansicht nach sehr Erfolg versprechend, weil man damit auch viel Profit machen kann. Hierbei wird Mobilität und die Fähigkeit, drahtlos zu kommunizieren, quasi in die Geräte integriert. Wir bezeichnen das als eine Embedded-Lösung. Damit ist etwa die drahtlose Anbindung an LANs gewährleistet. Der Umsatz mit solchen Produkten steigt ziemlich schnell. Hier engagieren wir uns sehr wohl.

Die zweite Strategie, die momentan sehr viel Aufmerksamkeit in den Medien erfährt, ist das Geschäft mit Handhelds. Wir reden diesbezüglich mit unseren Kunden, außerdem beschäftigt sich bei uns firmenintern eine Gruppe mit diesem Thema. Aber: Stand heute bieten wir kein entsprechendes Produkt an, weil wir momentan kein Interesse daran haben, solch eines zu verkaufen. Wir konzentrieren uns auf große Unternehmen. Und unsere Meinungsumfragen bei diesen ergeben, dass keines dieser Unternehmen daran interessiert ist, im großen Stil solche Geräte bei sich zu etablieren.

Zwar nutzen viele Privatpersonen Handhelds, aber eigentlich gibt es noch keine Anwendungen, die im professionellen Unternehmensumfeld eingesetzt werden könnten. Sobald wir sehen, dass sich diesbezüglich am Markt etwas tut, sind unsere Entwicklungsteams sofort bereit, entsprechende Produkte anzubieten.

CW: Sie sagen, es gibt keine Anwendungen für das kommerzielle Umfeld. Aber schon vor zwei Jahren auf der PC-Expo in New York war eine Menge solcher Lösungen zu sehen. SAP wird für Vertriebsleute auf der CeBIT eine vorstellen, mit der Datensätze aus der SAP-Backend-Datenbank auf Handhelds transportiert werden können. Es sind also sehr wohl interessante Anwendungen für Palmtops verfügbar. Verliert Dell mit seiner zögerlichen Haltung nicht viel Zeit, rechtzeitig mit guten Produkten am Markt vertreten zu sein?

ROLLINS: Nein, wir arbeiten mit Partnern zusammen. Wir könnten morgen einen Handheld auf den Markt bringen, wenn wir wollten. Wir haben Partner in Taiwan, die das machen.

CW: Das wäre dann eine Vereinbarung, wie sie die IBM mit 3Com/Palm bei Handhelds hat?

ROLLINS: Nein, die IBM verkauft diese Geräte ja nur als OEM-Produkt. Wir aber würden ein ganz neues Produkt entwickeln. Außerdem: Das Wesentliche eines Handhelds ist nicht das Stück Hardware. Wichtig und von Wert für Dell ist die Software, die auf den Backendsystemen für solche Kleinrechner liegt. An den Geräten selbst ist nämlich nicht so viel verdient.

Aber noch einmal: Wir warten darauf, dass Unternehmen im großen Stil solche Handhelds nachfragen. Denn wir haben kein Interesse, an Consumer zu verkaufen. Wenn sich in diesem Business-Segment Geschäftschancen abzeichnen, werden auch wir etwas zu bieten haben.

CW: Ein anderes unangenehmes Thema für Dell ist der Aktienkurs. Der lag ja einmal bei über 50 Dollar, war dann auf 17 Dollar abgestürzt und pendelt jetzt zwischen 20 bis 24 Dollar. Schlimmer ist: Der Aktienkurs erholt sich nicht. Müssen sich ihre Aktionäre auf magere Zeiten einrichten?

ROLLINS: Dells Kurs hat wie der von vielen Technologie-Unternehmen auch mit Erwartungen bezüglich der Entwicklung der US-Wirtschaft insgesamt zu tun. Die meisten Leute glauben, dass diese nur noch langsam wachsen wird. Dagegen kann ich als Firma wenig tun. Die zweite Frage ist, ob und wenn ja, wann sich der Kurs wieder nach oben bewegen wird. Wenn die negative Wirtschaftsentwicklung sich nach Asien und Europa ausbreiten sollte, dann wird der Kurs auf absehbare Zeit nicht steigen.

CW: Dell scheint wegen der mehrheitlich in den USA getätigten Umsätze von der US-Wirtschaftsentwicklung ganz besonders stark abhängig zu sein.

ROLLINS: In der Tat erwirtschaftet Dell 70 Prozent der Umsätze in den USA. Insofern sind wir natürlich sehr stark vom Verlauf der US-Wirtschaft abhängig.

CW: Es gibt Gerüchte, dass Dell Interesse an Vobis haben würde. Deren rund 110 Ladengeschäfte in Deutschland stehen ja zum Verkauf. Will Dell Vobis insgesamt oder zumindest einige der Ladengeschäfte kaufen? Und welchen Sinn könnte das geben?

SCHÄDEL: Warum sollten wir das tun? Unser Direktvertriebsmodell funktioniert doch und das von Vobis nicht.

CW: War das ein klares Nein?

SCHÄDEL: Ja.

ROLLINS: Wir haben nicht das geringste Interesse an Vobis.

SCHÄDEL: Wir glauben nicht an das Konzept von PC-Ladengeschäften.

ROLLINS: Was ich allerdings sagen kann, ist Folgendes: Wir haben acht Milliarden Dollar an Barmitteln. Die werden wir nutzen, um strategische Zukäufe zu tätigen. Wir haben auch klar gesagt, was wir unter solchen strategischen Zukäufen verstehen: Die betreffen Firmen, die im Massenspeichersegment für Unternehmen aktiv sind oder aus dem Enterprise-Server-Umfeld kommen, System-Management-Software entwickeln oder bestimmte Services anbieten. In diesen Bereichen werden wir Akquisitionen vornehmen.

CW: Wenn Sie von Zukäufen etwa im Servicesegment sprechen, dann reden Sie aber nicht über die Möglichkeit, etwa Unisys zu kaufen, das ja jetzt schon für Sie Serviceaufgaben übernimmt?

ROLLINS: Nein, nicht Unisys. Unisys ist unser Partner. So soll es bleiben. Wir denken eher an kleine Unternehmen in unterschiedlichen Ländern. Firmen mit bis zu 25 Leuten, die technologisches Expertenwissen bieten. Wir denken auch an Partnerschaften mit großen Unternehmen wie Microsoft. Und wir wollen unsere acht Milliarden Dollar auch für das Geschäft mit Enterprise-Servern und Massenspeichern ausgeben.

CW: Themenwechsel: Warum ist Dells Marktplatz Marketplace.com zum Flop geraten und nach nur vier Monaten wieder eingestampft worden?

ROLLINS: Wir haben den Marktplatz ins Leben gerufen zu einem Zeitpunkt, da verschiedene dieser digitalen Handelsplätze wie Pilze aus dem Boden schossen. Wir wollten experimentieren und lernen, wo die Schwierigkeiten liegen. Wir mussten mit ansehen, dass viele Dotcoms wieder verschwanden. Mit ihnen verschwanden auch die unterschiedlichen Marktplatzmodelle. Es gab zudem nur sehr, sehr wenige Kunden, die solche Marktplätze benutzt haben.

Wir haben daraus zweierlei gelernt: mit Marktplätzen kann man kein Geld verdienen. Zweitens sind Marktplätze offensichtlich kein tragbares Geschäftsmodell für die Zukunft.

CW: Motorola, 3M und Pitney Bowes waren zudem die einzigen Unternehmen, die sich an Ihrem Marktplatz beteiligt haben. Warum war da so wenig Interesse von Seiten der Industrie vorhanden?

ROLLINS: Ich glaube, es gibt ganz allgemein wenig Interesse an Marktplätzen. Sie scheinen keine lebensfähigen Geschäftsmodelle in sich zu bergen. Die meisten scheitern. Die wenigen, die im Moment erfolgreich sind, handeln mit Chemie- und Stahlprodukten oder mit Gebrauchswaren des täglichen Bedarfs. Nur da kann man heute offensichtlich auf einem Marktplatz Verkäufer und Käufer zusammenbringen.

CW: Für die PC-Industrie sind Marktplätze also kein geeignetes Geschäftsmodell?

ROLLINS: Für diese Industrie auf breiter Basis sicherlich nicht.

CW: Sie haben bei Dell von 39.000 Angestellten 1700 Leute entlassen. Wird es weitere Kündigungen geben? Und finden die nur in den USA statt?

ROLLINS: Wir haben ausschließlich in Austin, Texas, Leute entlassen. Nicht in Asien, nicht in Europa.

CW: Warum wurden diese 1700 Mitarbeiter denn entlassen?

ROLLINS: Wir nehmen jedes Jahr eine Leistungsbeurteilung unserer Mitarbeiter vor. Und ein Teil derer, die jetzt gehen müssen, hätten wir ohnehin entlassen, weil ihre Leistungen entsprechend schlecht waren. Den größeren Teil der jetzt entlassenen 1700 Personen hatten wir eingestellt, weil wir nicht mit der abklingenden US-Wirtschaft gerechnet hatten. Diese Mitarbeiter benötigen wir deshalb jetzt nicht mehr. Wir helfen ihnen aber bei der Suche nach neuen Arbeitsplätzen insbesondere auch in Austin. Weitere Entlassungen wird es aber nicht geben.